Christian Kerkerinck

Christian Kerkerinck [1] (* um 1492 in Münster; † 27. Juli 1535 bei Dülmen).[2]

Leben

Christian war der Sohn des münsterischen Erbmanns Gerd Kerkerinck (um 1461-1515) und der Engele Schencking (um 1464-1537).[3] Er wuchs im sog. Hohen Haus, benannt nach dem hohen, 1504 erbauten Treppengiebel, in der Neubrückenstraße 20 in Münster auf, das bereits im frühen 15. Jahrhundert der Familie Kerkerinck gehörte.[4] Um 1525 ging das Haus im Wege der Erbfolge in sein Eigentum über.[5] Christian heiratete Catharina Brockmann (* um 1495 in Münster, † nach 1549 ebenda), die aus dem benachbarten Martinikirchhof stammte.[6] Mit ihr hatte er mindestens ein Kind: [7]

Engele Kerkerinck

Christian schloß sich der Wiedertäuferbewegung an und gehörte während des Wiedertäuferreichs in den Jahren 1534/35 dem Rat des Täuferkönigs Jan van Leiden an,[8] zuletzt als Bauherr und "Herzog".[9] Seine Tochter Engele wurde eine der 16 Frauen des "Königs" Jan van Leiden.[10] In einer handschriftlichen Liste aus dem Jahr 1534/35 sind die 135 Angehörigen des "Hofstaates" und die 16 Frauen des "Königs" aufgezählt; Engele findet sich an fünfter Stelle ("Düsse nba beschr. sindt gewest de overste Koninginne und Frouwen des Koninks").[11] Während dieser Zeit dürfte sie Christoph von Waldeck, den Sohn des die Stadt belagernden Bischofs Franz von Waldeck, kennengelernt haben, der während eines Ausfalls der Wiedertäufer in deren Gefangenschaft geraten war und Jan van Leiden als Page dienen mußte.[12] Die Stelle des Pagen ist ihm vermutlich zur Demütigung seines Vaters auferlegt worden.[13] Noch während der Belagerung ließen Engele und Christoph sich in Münster trauen.[14] Am 2. Juni 1535 konnten Engele und Christoph aus der Stadt fliehen.[15] Hierbei wurden sie wahrscheinlich von Christian Kerkerinck unterstützt.[16]

Bischof Franz von Waldeck, der unter anderem von der Burg Haus Dülmen aus seine Offensive auf das Täuferreich organisiert hatte, ließ nach der Einnahme von Münster am 25. Juni 1535 vier der Anführer inhaftieren: Jan van Leiden verbrachte man in die Burg Bevergern, Bernhard Krechting, Bernhard Knipperdolling und Christian Kerkerinck wurden in die Burg Horstmar überführt. Am 24. Juli 1535 sollten sie in Hausdülmen im Beisein von Räten der rheinischen Fürsten einem Verhör unterzogen werden. Während des Transports nach Hausdülmen wurde Christian in der Bauerschaft Weddern - möglicherweise auf Anordnung des Franz von Waldeck - gewaltsam entführt. Möglicherweise wollte sich der Bischof die Schmach ersparen, daß der Schwiegervater seines Sohnes öffentlich gefoltert wird. So hatte sich der Entführte am 27. Juli 1535 vor dem Gogericht „in der Greinkuhle“ bei Dülmen zu verantworten. Er wurde zum Tode verurteilt und in einem Waldstück bei Wedder mit dem Schwert enthauptet.[17]

Wegen seiner Herkunft sowie mit Ersuchen und Fürbitte von vell treffliche von Adel gelang es Christoph von Waldeck, seiner Frau und ihren minderjährigen Geschwistern das an sich verwirkte Vermögen des Vaters zu erhalten.[18] Die beschlagnahmten Häuser der Familie wurden jedoch nicht freigegeben,[19] sondern dem Scholaster, dem Domkellner, an Heinrich Schenking und an die Dominikaner verkauft oder übertragen.[20]

Anmerkungen

[1] Der Name ist auch in den Schreibweisen Kerckerinck, Kerckering und Kerkering überliefert.
[2] P. Hermann DEITMER/Clemens STEINBICKER, Ahnen der Familie Deitmer-Gerlach, Saalhausen/Lennestadt 14 in XIV Generationen, in: Beiträge zur Westfälischen Familienforschung, Band 41 (1983), Westfälische Gesellschaft für Genealogie und Familienforschung/Werner Frese (Hrsg.), S. 175-307 (S. 293, Nr. 14562); hier in der Namensform "Kerckerinck".
[3] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 2), S. 298, Nr. 29124 und 29125. Zu Begriff und Geschichte der münsterischen Erbmänner vgl. Rudolfine FREIIN VON OER, Die Münsterischen Erbmänner, in: Helmut Richtering (Red.), Dreihundert Jahre Stiftung Rudolph von der Tinnen 1688–1988, Stiftung von der Tinnen (Hrsg.), Münster 1988, S. 1–14.
[4] Karl-Heinz KIRCHHOF, Die Erbmänner und ihre Höfe in Münster, Untersuchungen zur Sozial-Topographie einer Stadt im Mittelalter, in: Westfälische Zeitschrift, Zeitschrift für Vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens/Klemens Honselmann/Joseph Prinz (Hrsg.), 116. Band, Münster 1966, S. 3-26 [6].
[5] KIRCHHOF (wie Anm. 4).
[6] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 2), S. 293, Nr. 14563.
[7] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 2), S. 286, Nr. 7281; KIRCHHOF (wie Anm. 4); Hans-Joachim BEHR, Franz von Waldeck 1491-1553. Sein Leben in seiner Zeit, Teil 1: Darstellung, Münster 1996, S. 481; Wilhelm KOHL (Bearb.), Germania Sacra, Neue Folge 37,3, Bistum Münster 7, Die Diözese 3, Berlin 2003, S. 555); FREIIN VON OER (wie Anm. 3), S. 4, hält die Verwandtschaft mit der Erbmännerfamilie Kerkerinck für nicht geklärt und beruft sich hierbei auf Karl-Heinz KIRCHHOF, Die Täufer in Münster 1534/35, Münster 1973, S. 57 ff., 65, 166.
[8] BEHR (wie Anm. 7); KIRCHHOF (wie Anm. 4); vgl. auch Heinz BRATHE, Entführung und Hinrichtung in Weddern - 1535 Wiedertäufer in Burg Hausdülmen und Christian Kerckerinck, in: Dülmener Heimatblätter 1997, Heft 1-2, S. 22 ff.
[9] FREIIN VON OER (wie Anm. 3).
[10] FREIIN VON OER (wie Anm. 3).
[11] Die Liste ist abgedruckt in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Band 16 = N.F. Band 6, Münster 1855, S. 358-363. Hier findet sich die Namensform "Kerkerinck". Christian Kerkerinck ist in der Liste nicht genannt.
[12] Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde (wie Anm. 11), S. 93. Christoph von Waldeck ist unter Ziffer 93 als Page genannt; BEHR (wie Anm. 7), S. 127, 481; Albert LEISS, Studierende Waldecker vom 13. bis zum 19. Jahrhundert (Fortsetzung), in: Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont, 4. Band (1904), S. 37, geht irrtümlich davon aus, Christophs gleichnamiger jüngerer Halbbruder sei in die Gefangenschaft der Wiedertäufer geraten.
[13] Carsten FISCHER, Die Täufer in Münster - Recht und Verfassung einer chiliastischen Theokratie, in: forum historiae juris, Erste europäische Internetzeitschrift für Rechtsgeschichte, Artikel vom 12. August 2004, Fn. 130: http://fhi.rg.mpg.de/articles/pdf-files/0408fischer.pdf
[14] KOHL (wie Anm. 7), zitiert aus einer Urkunde vom 12. September 1539, in der es heißt: "... Christoffer van Waldeck bastert, seine huesfrouwe, so he in der belegering bynnen der Stadt Munster vertruwt...". Trotz dieses urkundlichen Belegs wird die Eheschließung auch in die Zeit nach der Eroberung Münsters gesetzt: DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 2), "um 1539"; BEHR (wie Anm. 7), S. 481.
[15] BEHR (wie Anm. 7), S. 481; KOHL (wie Anm. 7).
[16] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 2), S. 285-286, Nr. 7280; BEHR (wie Anm. 7), S. 481; KOHL (wie Anm. 7).
[17] Vgl. BRATHE (wie Anm. 8); Dülmener Zeitung, Ausgabe vom 30. Juli 2010, "Kopf in Weddern abgeschlagen".
[18] BEHR (wie Anm. 7), S. 481; KOHL (wie Anm. 7). Offenbar hatten Christian Kerkerinck und seine Frau also weitere Kinder.
[19] BEHR (wie Anm. 7), S. 481; KIRCHHOF (wie Anm. 4).
[20] BEHR (wie Anm. 7), S. 481; vgl. auch KIRCHHOF (wie Anm. 4), der darauf hinweist, das Haus Neubrückenstraße 20 habe 1623 einem Junker Schenking gehört, welcher es 1640 an den niederländischen Kaufmann Lancelot Witton verkauft habe. Eine Engele Schencking soll Christian Kerkerincks Mutter gewesen sei (s.o.). Möglicherweise blieb das Haus somit dennoch in Familienbesitz.