Christoph von Waldeck, auch Christoffer, genannt "der Schöne" [1] (* 1510/1520 in ?; † nach 1561 in Vechta).
Christoph war der älteste Sohn des Bischofs von Münster und Osnabrück, Franz von Waldeck. Die Mutter ist unbekannt, vielleicht starb sie schon bald nach der Geburt.[2] Als Franz von Waldeck 1523 eine Beziehung mit der Einbecker Kaufmannstochter Anna Polmann einging, aus der acht weitere Kinder hervorgingen, war Christoph etwa drei Jahre alt. [3] Er wurde in den Haushalt von Anna Polmann aufgenommen und mit deren Kindern großgezogen.[4] und zwar in Einbeck und Münster.[5] Mit ihm wird gelegentlich der gleichnamige und jüngste Sohn Christoph aus der Beziehung mit Anna Polmann verwechselt.[6]
Während sein Vater Münster belagerte (1534/35), geriet Christoph bei einem Ausfall der Wiedertäufer in deren Gefangenschaft und mußte dem "König" Jan van Leiden als Page dienen.[7] Die Stelle des Pagen ist ihm vermutlich zur Demütigung seines Vaters auferlegt worden.[8] Über seine Gefangennahme sind folgende zeitgenössische Berichte überliefert:
"Christoph Waldeck, des Bischofs natürlicher Sohn, welcher aus Unvorsichtigkeit, und weil er des Kriegs unerfahren aus dem Lager zu nahe an die Stadt ging, und eben zu der Zeit, als die Stadteinwohner einen Ausfall thaten, gefangen und in die Stadt zum König geführet wurde, wurde um seiner schönen Gestalt willen, zum königlichen Heiducken gemacht." [9]
"Wann der König in seiner Majestät in der Stadt umher reitet, so hat er - auch zwey Knaben; einer führet ihm nach auf der rechten Seite die Krone und Bibel, der andere auf der linken ein bloßes Schwert. Der Knaben einer ist meines gnäd. Herrn von Münster Sohn, der ist darin gefangen, und wartet auf des Königs Leib in der Kammer." [10]
In dieser Zeit dürfte er Engele Kerkerinck kennengelernt haben, die eine der 16 Frauen Jan van Leidens war. Noch während der Belagerung ließen Engele und Christoph sich in Münster trauen.[11] Zum Teil wird angenommen, die Trauung sei auf Veranlassung Jan van Leidens vollzogen worden.[12] Am 2. Juni 1535 konnten Engele und Christoph aus der Stadt fliehen.[13] Hierbei wurden sie wahrscheinlich von Christian Kerkerinck unterstützt.[14] Dieser war Erbmann zu Münster und Rat des Täuferkönigs.[15] Zumeist wird er als Engeles Vater angesehen.[16] Wegen seiner Herkunft sowie mit Ersuchen und Fürbitte von vell treffliche von Adel gelang es Christoph von Waldeck, seiner Frau und ihren minderjährigen Geschwistern das an sich verwirkte Vermögen des Vaters zu erhalten.[17] Die beschlagnahmten Häuser der Familie wurden jedoch nicht freigegeben,[18] sondern dem Scholaster, dem Domkellner, an Heinrich Schenking und an die Dominikaner verkauft oder übertragen.[19]
Christoph von Waldeck lebt zunächst in Wolbeck, wo er als Geschenk seines Vaters ein Haus besitzt.[19a] Unter dem 9. März 1542 bezeugt "Christoffer van Waldeck" in seiner Eigenschaft als Rentmeister zu Wolbeck einen Ehevertrag zwischen den Eheleuten Diderick Tzwyvell, Vogt zu Wolbeck, und seiner Gattin Katharinen.[19b] Am 4. April 1546 verpfändete Bischof Franz von Waldeck seinem Sohn Christoph das Amt Harpstedt.[20], in dem er als Vogt tätig war.[20a] 1547 wurde er zum Rentmeister in Vechta bestellt.[21] Dieses Amt bekleidete er bis 1561.[22] 1548 war er Student in Erfurt.[23]
Mit Engele Kerkerinck hatte Christoph mindestens ein Kind:
Christoph Waldeck [24] (* um 1555 in Vechta; † nach 1633 ebenda) [25]
Von ihm leitet sich die Vechtaer Linie der bürgerlichen Familie Waldeck ab, deren genaue Stammfolge - soweit ersichtlich - noch nicht erforscht ist. [26] Bekannt sind u.a. folgende Vertreter der Vechtaer Familie Waldeck:
Franz von Waldeck (am 1. Dez. 1599 Ratsgewandter in Vechta) [26a]
Henrich (von) Waldeck (* um 1590 in Vechta; † vor 1645 in Vechta) [27]
Johann Waldeck (* um 1630/35 in Vechta, begr. 26.09.1687 in Vechta), Bürgermeister, Sohn von Henrich [28]
Otto Henrich Waldeck(er), (konf. 1623 in Korbach, begr. 09.04.1693 in Korbach), Bürgermeister [29]
Dr. Waldeck, 1718-1728 Bürgermeister in Vechta
Christian (Daniel?) Waldeck, zwischen 1766 und 1799 mehrfach Bürgermeister in Vechta
Wahrscheinlich auch: Catharina Waldeck (* um 1582 in Vechta; begr. 22. Dezember 1653 in Giebringhausen) [30]
Nach Engele Kerkerincks Tod soll Christoph eine zweite Frau namens Barbara gehabt haben.[31]
[1] P. Hermann DEITMER/Clemens STEINBICKER, Ahnen der Familie Deitmer-Gerlach, Saalhausen/Lennestadt 14 in XIV Generationen, in: Beiträge zur Westfälischen Familienforschung, Band 41 (1983), Westfälische Gesellschaft für Genealogie und Familienforschung/Werner Frese (Hrsg.), S. 175-307 (S. 285-286, Nr. 7280).
[2] Hans-Joachim BEHR, Franz von Waldeck 1491-1553. Sein Leben in seiner Zeit, Teil 1: Darstellung, Münster 1996, S. 481; Ernst WALDSCHMIDT, Die Waldeckische Familie Waldschmidt und die Vorfahren Waldschmidtscher Ehefrauen, Bad Wildungen 1927, S. 181.
[3] Ernst WALDSCHMIDT, Die waldeckische Familie Waldeck - Mengeringhäuser Linie, in: Nachrichten der Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und Waldeck, 15. Jahrgang 1940, Heft 2, S. 49-72 [50]; ders. (wie Anm. 2); Wilhelm KOHL (Bearb.), Germania Sacra, Neue Folge 37,3, Bistum Münster 7, Die Diözese 3, Berlin 2003, S. 555, datiert die Geburt auf die Jahre zwischen 1510 und 1512. Für das frühere Geburtsdatum spricht, daß Christoph anderenfalls bei seiner Gefangennahme durch die Wiedertäufer und seiner anschließenden Eheschließung mit Engele Kerckerinck erst etwa 15 Jahre alt gewesen wäre. WALDSCHMIDT (wie Anm. 2), meint hingegen, Christoph sei frühreif und Engele Kerkerinck älter als er gewesen.
[4] WALDSCHMIDT (wie Anm. 2); vgl. auch DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1).
[5] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1).
[6] WALDSCHMIDT (wie Anm. 2); BEHR (wie Anm. 2); ders. Graf Franz von Waldeck (1491-1553) - dreimal geistlicher Fürst in Westfalen, Waldeckische Historische Hefte, Band 5, Waldeckischer Geschichtsverein (Hrsg.), Bad Arolsen 1999, S. 64.
[7] BEHR (wie Anm. 2); WALDSCHMIDT (wie Anm. 2); KOHL (wie Anm. 3); Albert LEISS, Studierende Waldecker vom 13. bis zum 19. Jahrhundert (Fortsetzung), in: Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont, 4. Band (1904), S. 37, geht irrtümlich davon aus, Christophs gleichnamiger jüngerer Halbbruder sei in die Gefangenschaft der Wiedertäufer geraten.
[8] Carsten FISCHER, Die Täufer in Münster - Recht und Verfassung einer chiliastischen Theokratie, in: forum historiae juris, Erste europäische Internetzeitschrift für Rechtsgeschichte, Artikel vom 12. August 2004, Fn. 130: (Digitale Ausgabe).
[9] Hermann von KERSSENBROICK, Geschichte der Wiedertäufer zu Münster in Westphalen. Nebst einer Beschreibung der Hauptstadt dieses Landes. Aus einer lateinischen Handschrift Hermann von Kerssenbroick übersetzt, 1771, Geschichte des Jahrs 1534 (Fortsetzung), S. 55.
[10] Neue Zeitung von den Wiedertäufern zu Münster, zitiert nach Johann Adolph Theodor Ludwig VARNHAGEN, Grundlagen der Waldeckischen Landes- und Regentengeschichte, Zweiter Band, Arolsen 1853, S. 35. Varnhagen verwechselt Christoph allerdings mit dessen gleichnamigen jüngeren Halbbruder.
[11 KOHL (wie Anm. 3),zitiert aus einer Urkunde vom 12. September 1539, in der es heißt: "... Christoffer van Waldeck bastert, seine huesfrouwe, so he in der belegering bynnen der Stadt Munster vertruwt...". Trotz dieses urkundlichen Belegs wird die Eheschließung auch in die Zeit nach der Eroberung Münsters gesetzt: DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), "um 1539"; BEHR (wie Anm. 2).
[12] Franz PETRI/Hermann AUBIN (Hrsg.), Der Raum Westfalen, Band 6/1, Fortschritte der Forschung und Schlußbilanz, Münster 1989, S. 298.
[13] BEHR (wie Anm. 2); KOHL (wie Anm. 3).
[14] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), S. 285-286, Nr. 7280; BEHR (wie Anm. 2); KOHL (wie Anm. 3).
[15] BEHR (wie Anm. 2).
[16] BEHR (wie Anm. 2); KOHL (wie Anm. 3); WALDSCHMIDT (wie Anm. 2), spricht nur von einem "münsterischen Edelmann"; Rudolfine FREIIN VON OER, Die Münsterischen Erbmänner, in: Helmut Richtering (Red.), Dreihundert Jahre Stiftung Rudolph von der Tinnen 1688–1988, Stiftung von der Tinnen (Hrsg.), Münster 1988, S. 1–14 [4], hält die Verwandtschaft mit der Erbmännerfamilie Kerkerinck für nicht geklärt und beruft sich hierbei auf Karl-Heinz KIRCHHOF, Die Täufer in Münster 1534/35, Münster 1973, S. 57 ff., 65, 166; ders. hat jedoch in einer früheren Publikation Engele als Tochter Christian Kerkerincks bezeichnet: Die Erbmänner und ihre Höfe in Münster, Untersuchungen zur Sozial-Topographie einer Stadt im Mittelalter, in: Westfälische Zeitschrift, Zeitschrift für Vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens/Klemens Honselmann/Joseph Prinz (Hrsg.), 116. Band, Münster 1966, S. 3-26 [6].
[17] BEHR (wie Anm. 2), S. 481; KOHL (wie Anm. 3).
[18] BEHR (wie Anm. 2), S. 481; KIRCHHOF (wie Anm. 16 [1966]).
[19] BEHR (wie Anm. 2); vgl. auch KIRCHHOF (wie Anm. 16 [1966]), der darauf hinweist, das Haus Neubrückenstraße 20 habe 1623 einem Junker Schenking gehört, welcher es 1640 an den niederländischen Kaufmann Lancelot Witton verkauft habe. Eine Engele Schencking soll Christian Kerkerincks Mutter gewesen sei (DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 2), S. 298, Nr. 29125). Möglicherweise blieb das Haus somit dennoch in Familienbesitz.
[19a] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), S. 285-286, Nr. 7280.
[19b] Regest der Urkunde in der Digitalen Westfälische Urkundendatenbank.
[20] BEHR (wie Anm. 2); Wilhelm KOHL, Germania Sacra, Neue Folge 37,3, Bistum Münster 7, Die Diözese 4, Berlin 2004, S. 231: zum Preis von 1.000 rheinischen Goldgulden.
[20a] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), S. 285-286, Nr. 7280.
[21] BEHR (wie Anm. 2); vgl. auch C. Ludwig Niemann, Das Oldenburgische Münsterland in seiner geschichtlichen Entwicklung. Beitrag zur Förderung der Heimatkunde, Band 2 - Bis zur Vereinigung mit dem Herzogtum Oldenburg, Oldenburg und Leipzig 1891, S. 6: "Schon von 1545 an wird Christoph von Waldeck als Rentmeister in Vechta aufgeführt.".
[22] KOHL (wie Anm. 3).
[23] BEHR (wie Anm. 2).
[24] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), S. 279, Nr. 3640; WALDSCHMIDT (wie Anm. 2 ), S. 182; Detlev SCHWENNICKE, Europäische Stammtafeln, Neue Folge, Band I.3, Die Häuser Oldenburg, Mecklenburg, Schwarzburg, Waldeck, Lippe und Reuß, Frankfurt 2000, Tafel 333 A, der aber meint, Christoph Waldecks Linie sei am 22. Juli 1744 erloschen. Das gilt jedoch nur für den Korbacher Zweig im Mannesstamm. Weibliche - und in anderen Orten auch männliche - Nachkommen haben die Linie weitergeführt.
[25] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), S. 279, Nr. 3640.
[26] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), verfolgen nur eine Nachfahrenlinie; WALDSCHMIDT (wie Anm. 2), nennt keinen unmittelbaren weiteren Nachfahren, weist aber auf die späteren Korbacher Abkömmlinge hin; SCHWENNICKE (wie Anm. 24), führt die Linie nur bis zu Christophs I. Sohn Christoph weiter, erforscht aber nicht die Vechtaer und Korbacher Linie.
[26a] Axel FAHL-DREGER, Wappen, Siegel, Recht und Rat - Die Rechtssituation der Stadt Vechta im Mittelalter, S. 26, veröffentlicht anläßlich der gleichnamigen Ausstellung des Museum im Zeughaus in Vechta vom 21.06.2013 bis 26.10.2013.
[27] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), S. 273, Nr. 1820; Anna Marie BÜNING, Die Buchholtz von Haus Hall bei Gescher - Eine münsterländische Familie im Dienste des Landesherrn, in: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete mit praktischer Forschungshilfe, 37. Jahrgang (1971), Heft 42, S. 100-115 [105].
[28] BÜNING (wie Anm. 27). Johann Waldeck wird hier ausdrücklich als Nachfahre des Bischofs Franz I. von Waldeck über dessen erstgeborenen Sohn Christoph von Waldeck genannt.
[29] Albert LEISS, Studierende Waldecker vom 13. bis zum 19. Jahrhundert (Fortsetzung), in: Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont, 5. u. 6. Band (1906), S. 237; Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 5, Stechebahn - Violinenstrasse, Heumarkt - Am Steinhaus, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 69 (Nr. 12); WALDSCHMIDT (wie Anm. 2), S. 182, gibt das Konfirmationsjahr mit 1632 an (Zahlendreher?). Otto Henrich hatte noch zwei Söhne (Samuel 1636-1708) und Jost Henrich (1644-1713) sowie von Samuel einen Enkel (Henrich 1669/70-1744) mit dem die Familie Waldeck im Mannesstamm in Korbach wieder ausstarb, vgl. WALSCHMIDT (wie Anm. 2.), S. 182.
[30] Vgl. Friedrich Wilhelm EULER, Genealogische und soziologische Betrachtungen über die Vorfahren des Berliner Oberbürgermeisters und Politikers Ernst Reuter, in: Genealogisches Jahrbuch, Band 1, herausgegeben von der Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte, Berlin-Frankfurt/M. 1961, S. 15-47 [40-41]. Vgl. auch den Eintrag zu Barthold Becker.
[31] DEITMER/STEINBICKER (wie Anm. 1), S. 285-286, Nr. 7280; WALDSCHMIDT (wie Anm. 2), S. 182; SCHWENNICKE (wie Anm. 24).