Curt Schumacher (* um 1585 in Eversberg; † 13. Januar 1660 in Korbach) war ein Kaufmann und Oberbürgermeister in Korbach.
Curt Schumacher stammte aus Eversberg bei Meschede in Westfalen und übte den dort weit verbreiteten Beruf des Wandschneiders (Tuchhändlers) aus. Nach dem alten Korbacher Bürgerbuch (S. 158) ist anno 1609 "Cunradt Schuemacher von Ewerssbergk im Stifft Cölln" Bürger geworden, und noch am 17. November 1656 hat er sich seine Herkunft von dort bestätigen lassen.[1] Er erarbeitete sich Ansehen und großen Wohlstand.[2] Sein Vorname ist auch in den Abwandlungen Kurt und Curdt überliefert, als Nachname findet sich in den Urkunden teilweise die Schreibweise Schomacher.[3]
Die Bezeichnungen seines Berufes wechseln: 1616 Krämer, auch Wandschneider, im Oktober 1627 wird er "Burger und Kramer zu Corbach" genannt, 1654 "vornehmer Kaufmann".[4]
Schumacher bekleidete in Korbach viele öffentliche Ämter: 1622 und auch noch 1635 ist er als einer der drei Provisoren des Hospitals erwähnt, in den Jahren 1624, 1627, 1629 und 1631 war er Mitglied des Rates, von 1629 bis 1635 Hospitalsvorsteher, 1628 Pfennigmeister (Schatzmeister), 1629/32 wirklicher Pfennigmeister, 1633 Bürgermeister, 1635 Unterbürgermeister, in den Jahren 1635, 1637 und 1639 schließlich Oberbürgermeister der Stadt Korbach.[5] Im Jahr 1628 baute Schumacher das Haus Klosterstraße 7, welches seine Nachfahren bis Anfang des 19. Jahrhunderts bewohnten.[6] Er ist der Stammvater der bedeutenden und heute noch weit verzweigten Korbacher Familie Schumacher. Als im Jahr 1629 eine Tillysche Proviantmannschaft unter dem Generalproviantmeister Sodeur in Korbach einquartiert wurde, soll von vier Ratsgewandten und dem Bürgermeister Andreas Benn, Pfennigmeister Curt Schumacher und Johannes Bilstein "inter arma" eine Schuldverschreibung über 3.000 Reichsthaler erpresst worden sein, indem die Herren durch die Soldaten "geängstigt und gemartert worden seien, daß es auch einen Stein hätte erbarmen müssen.[7] Ferner habe man ihnen alles Silbergeschirr, ihre Barschaft sowie die goldenen und silbernen Trauringe genommen.[8]
Am 22. April 1611 heiratete Schumacher in Korbach die Magdalena Schreiber (begraben am 29. Mai 1628), wahrscheinlich die Tochter des Liborius II. Schreiber zu Korbach aus dessen erster Ehe.[9] Aus dieser Ehe stammen mindestens sieben Kinder:[10]
Bernhard Schumacher (1613-1689?)
Maria Schumacher (1614-?) ⚭ Conrad (Kurt) von der Mühlen (Enser Straße 7)
Elisabeth Schumacher (1616-1620)
Stephan/Steffan Schumacher (1618-1663), Pfarrer zu Usseln (Im Paß 1)
Ludwig Schumacher (*/† 1620)
Anna Schumacher (1621-?)
Andreas Schumacher (1623-?)
Am 1. Dezember 1628 ging Schumacher im Alter von etwa 43 Jahren seine zweite Ehe mit der damals erst 16-jährigen Magdalena Benn ein (get. 10.10.1612, begr. 25.01.1678), Tochter des Andreas Benn, Oberbürgermeister in Korbach, und seiner Ehefrau Elisabeth Büchsenschütz, die Benn am 6. Januar 1612 geheiratet hatte.[11] Aus dieser Ehe stammen (mindestens) folgende Kinder:[12]
Barbara Katharina Stenger, geborene Schumacher (1630-1682)
Johann Conrad I. Schumacher (um 1633 - 1707), Ratsmitglied, Pfennigmeister [13]
Curt (Conrad) Henrich I. Schumacher (1636-1700)
Henrich Schumacher (um 1640-1673)
Johannes I. Schumacher (1642-1711), Stechbahn 16
Wolrad Schumacher (1649-1706), Oberbürgermeister zu Korbach. [14]
Anna Engel (um 1651-1706?)
Curt Schumacher ist wegen der Umstände seines Todes geheimnisumwittert. Seine zweite Frau Magdalena Benn soll ihn mit der Alchemie in Verbindung gebracht haben. Dies und sein Reichtum haben ihm offenbar die Aufmerksamkeit des Hexenrichters eingetragen.[15] Bereits 1641 war er von Trina Griese, welche selbst der Zauberei verdächtig war, denunziert worden. Um einer gerichtlichen Untersuchung zuvor zu kommen, verklagte er Christoff Carle, den Beistand der Trina Griese, wegen Verleumdung und beschuldige ihn, der Trina Griese eingegeben zu haben, ihn und andere ehrliche Leute zu "besagen", d.h., der Hexerei zu beschuldigen.[16] FLAGMEIER (wie Anm. 16) führt zu den Vorgängen des Jahres 1641 aus:
"Curt Schumacher gehörte nicht zufällig zu den Besagten. Es scheint, daß Niederwald und einige andere ein besonderes Interesse daran hatten, Schumacher auszuschalten So berichtete Johannes Nellen, daß Jost Hetzel ihn bei seiner zweiten Gefangennahme aufgefordert hatte zu bekennen, 'daß er von Ensen Wilhelm und Curt Schumacher Zauber gelernt hat, die waren seine Großvättern, und sein Schulmeister gewesen'. Johannes Nymphius, der ebenfalls an der Festnahme Nellens beteiligt war, wurde ähnlich wie Christoff Carle von Curt Schumacher verklagt, weil Nymphius behauptet hatte, daß Schumacher ein Zauberer sei. Weil Schumacher seine potentiellen Ankläger selbst mit Prozessen überzog und so die Beweislast umkehrte, war es nicht mehr möglich, einen Hexenprozeß gegen ihn zu führen. Der Fiskal [16a] Niederwald und einige andere versuchten deshalb, mit einem Prozeß wegen Aufwiegelung weiter gegen Schumacher vorzugehen. Schumacher wurde vorgewofen, daß er das Volk aufgerufen habe, die Kanone zu schützen, 'damit es ihnen nicht so gehe, wie denen in Sachsenhausen'. Zeugen für diese Aufwiegelung waren zum großen Teil gerade diejenigen, die auch Johannes Nellen wieder eingefangen hatten, also Niederwald, Nymphius und andere. Dagegen sagten andere über die fragliche Versammlung vor dem Rathaus aus, daß sie von Schumacher keine Worte der Aufwiegelung gehörten hatten; unter anderen: Johann Nellen, Karl Hendt, Johann Linnenkugel, Johann Asmuth, Caspar Schotten, Johann Stipping. In einem Brief zu diesem Verfahren nahm Curt Schumacher noch einmal Stellung zu den Hexenprozessen und erneuerte seinen Vorwurf, daß Christoff Carle aus Rachsucht 'eine verrückte und verdampte Zauberin nahmens Trina Griese dahin instrujert, des sie mich, wie auch andere ehrliche Leut mehr u. alle diejenigen, welche er ab holdt und zu wieder gewesen fälschlich inculpieren u. anstraffen söllen'. An dieser Stelle erhob Schumacher auch schwere Vorwürfe gegen die Führung der Hexenprozesse durch den Fiskalen Niederwald. Das Verfahren wegen Aufwiegelung begann im Januar 1642, nach der Feststellung der Unschuld Schumachers strengte dieser eine Injurienklage an, die 1647 eingestellt wurde."
In den Jahren 1656 bis 1660 fanden erneut Hexenprozesse gegen sechs Männer statt. Vier der Beschuldigten waren bereits in den Verfahren der Jahre 1641/42 angeklagt gewesen. Erhalten ist das Verhörprotokoll des Johann Stipping, der neben vielen anderen auch Curt Schumacher besagte. So sagte Stipping aus, Schumacher habe sich an einem Hexentanz beteiligt, hierbei schwarze Kleider angehabt und mit Hebammen getanzt.[17] Ihm wurde der Prozeß gemacht, an dessen Ende nach langer Haft ein Freispruch stand. Kurz darauf wurde er tot aufgefunden.[18] Hierüber wird berichtet:
"1660. Am 13. Januar ist Burgemeister Curt Schumacher zu Corbach in einen Ziehbrunnen gefunden, darin er sich drey Tage zuvor des Nachts gestürzet, wie man davor gehalten. Dieser ist lange Zeithero wegen Hexerei berüchtiget gewesen, hat auch gerichtliche process deswegen ausstehen müssen, doch endlich absolvieret, wann nicht newe indicia uber ihn gebracht werden könten. Ist heimblich des Nachts aus dem Brunnen gelanget, und in seinen Garten beym Hause gelegt, der Leichnamb ins Spital geleget und nach etlichen Tagen durch die Schinder in einen seiner Garten begraben, vorm Tor."[19]
Man nahm an, daß er von seinen Gegnern in den Brunnen gestürzt worden ist.[20]
Der Tod des Curt Schumacher und zum Teil auch der Prozeß gegen ihn wurden von seinen Kindern in einer Bittschrift beschrieben, in der sie darum ersuchten, ihren Vater an der Stadtmauer begraben zu lassen. Sie wiesen auf die großen Verdienste ihres Vaters hin und betonten, daß er in dem Zaubereiprozeß nicht gestanden habe. Die Kinder zweifelten nicht daran, daß ihr Vater sich selbst das Leben genommen hatte, sie baten aber um Gnade für ihn, da der duchgestandene Hexenprozeß mehr Leid bedeutet habe, als ein Mensch normalerweise ertragen könne.[21] In den 1920er Jahren wurde der Brunnen von dem damaligen Besitzer Wöllenstein mit einer Betonplatte abgedeckt.[22]
Die Nachkommenschaft Schumachers war äußerst zahlreich. Von seinen mindestens 14 Kindern, die indes nicht alle das Erwachsenenalter erreichten, hatte er rund 80 Enkel,[23] so daß bis heute ein erheblicher Teil der Einwohner Korbachs auf Curt Schumacher zurückgeht.
Neben Curt Schumacher gab es einen etwa gleichaltrigen Stephan Schumacher (um 1575 - um 1630). Vermutungen, des könnte sich um einen Bruder des Curt Schumacher gehandelt haben, gehen wohl aber fehl. Denn schon zum Jahr 1572 wird in einem Kaufvertrag ein Jacob Schumacher erwähnt, der am Kirchhof ein Haus gehabt habe, in der nähe des heutigen Kriegerdenkmals (siehe dort).
[1] Martin RUDOLPH (Bearb.), Korbacher Bürgerfamilien - Die Nachkommen des Korbacher Bürgermeisters Curt Schumacher, 1585-1660, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1976, S. 5.
[2]
Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 1, Professor-Kümmell-Straße und Klosterstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1956, S. 73.
[3] Vgl. Hans PEPER (Bearb.), Die Urkunden der Familie v. Hanxleden 1432-1804, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1955, Nr. 56 (S. 21-22) und Nr. 61 (S. 23-24). FLAGMEIER (unten Anm. 16) verwendet durchgehend die Schreibweise "Schuhmacher".
[4] RUDOLPH (wie Anm. 1).
[5] RUDOLPH (wie Anm. 1); vgl. auch THOMAS (wie Anm. 2) und Hermann STEINMETZ, Die Waldeckischen Beamten vom Mittelalter bis zur Zeit der Befreiungskriege, in: Geschichtsblätter für Waldeck, 46. Band (1954), S. 33-81 [69-70]. STEINMETZ gibt an, Schumacher sei auch in den Jahren 1642, 1644 und 1647 Oberbürgermeister gewesen. Nach Wolfgang MEDDING, Korbach - Die Geschichte einer deutschen Stadt, 2. Auflage, Korbach 1980, S. 413, bekleideten in jenen Jahren jedoch Justus Platten (1642), Johan Hugen (1644) und Churdt von der Mühlen (1647) das Amt.
[6] THOMAS (wie Anm. 2). Bei dem heute an dieser Stelle stehenden Haus handelt es sich nicht um das Stammhaus der Familie Schumacher, sondern um einen Neubau, dessen Baujahr nicht bekannt ist (THOMAS, a.a.O.).
[7] Nach RUDOLPH (wie Anm. 1).
[8] Nach RUDOLPH (wie Anm. 1).
[9] RUDOLPH (wie Anm. 1), mit weiteren Nachweisen, u.a. aus dem Kirchenbuch der Altstadt.
[10] RUDOLPH (wie Anm. 1), S. 10-13.
[11] RUDOLPH (wie Anm. 1), S. 7. Hermann STEINMETZ (Bearb.), Die Stadtcommissare in Korbach, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1954, S. 41, gibt hingegen an, die Mutter der Magdalena Benn sei Iliane Richter gewesen. Diese Angabe hält RUDOLPH für unrichtig, da Andreas Benn seine zweite Ehe mit Illiane Richter erst am 29.11.1615 eingegangen sei. STEINMETZ selbst (wie Anm. 5) gibt im 46. Band der Geschichtsblätter für Waldeck, S. 70, ebenfalls Elisabeth Büchsenschütz als Mutter der Magdalena Benn an.
[12] RUDOLPH (wie Anm. 1), S. 10, 13-25.
[13] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 6, Kirchplatz - Marktplatz - Enser Straße - Katthagen - Kleine Gasse, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1960, S. 62.
[14] STEINMETZ (wie Anm. 11).
[15] STEINMETZ (wie Anm. 11); STEINMETZ (wie Anm. 3).
[16] Ralf FLAGMEIER, Hexenprozesse und sozialer Wandel in Korbach, in: Geschichtsblätter für Waldeck, 79. Band (1991), S. 67-118, mit Nachweisen aus den Akten des Staatsarchivs Marburg und des Stadtarchivs Korbach, S. 67-118 [95].
[16a] Der Fiskal, ursprünglich der Beamte, der für die Beitreibung festgesetzter Geldstrafen zuständig war, übte die Funktion des Staatsanwalts aus.
[17] FLAGMEIER (wie Anm. 16), S. 99.
[18] STEINMETZ (wie Anm. 11).
[19] RUDOLPH (wie Anm. 1), S. 7-8, zitiert nach Ludwig CURTZE, Beiträge zur Geschichte der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont, II 2 (1868), S. 277. Das Zitat stammt aus dem Tagebuch des Zacharias WAHL, Index rerum memorabilium in vicinam gestam (Tagebuchaufzeichnungen des Pfarrers Zacharias Wahl [um 1590 - 1664] und seines Schwiegersohnes Pfarrer Johannes Kleinschmit), 1617-1679, Original im Besitz der Alten Landesschule Korbach, Abschrift (masch.) von Reinhard Brandt, Korbach 1961. Vgl. auch STEINMETZ (wie Anm. 11) und THOMAS (wie Anm. 2), unter Hinweis auf Hermann GENTHE, Geschichte der Stadt Corbach: Festschrift zur 3. Säkularfeier der Fürstlich Waldeckischen Landesgymnasiums zu Corbach, Mengeringhausen 1879; Wolfgang MEDDING, Korbach - Die Geschichte einer deutschen Stadt, 2. Auflage, Korbach 1980, S. 220.
[20] THOMAS (wie Anm. 2). FLAGMEIER (wie Anm. 16), S. 99 [Anm. 131] und S. 108, meint, die Mordthese sei nicht unwahrscheinlich, ein Selbstmord sei für die Zeitgenossen jedoch plausibel gewesen.
[21] FLAGMEIER (wie Anm. 16), S. 99.
[22] THOMAS (wie Anm. 2).
[23] RUDOLPH (wie Anm. 1); STEINMETZ (wie Anm. 5), S. 70, gibt "über 60 Enkel" an.