Klosterstraße 11 (Korbach)

Die Klosterschule im Mai 2017.
Anklicken für größere Version.

Das Gebäude Nr. 11 der Klosterstraße in der Altstadt von Korbach wurde 1770-1774 als Landesgymnasium errichtet. Es entstand auf den Grundmauern des im Siebenjährigen Krieg weitgehend zerstörten ehemaligen Franziskanerklosters. [1] Von 1579 bis 1971 befand sich auf dem Grundstück das städtische Gymnasium, die heutige Alte Landesschule.

Geschichte

An der Stelle des heutigen Gebäudes befand sich früher das Franziskanerkloster mit der Kirche zum Heiligen Franziskus, das am 9. Juli 1487 durch die Grafen Philipp II., Heinrich VIII. und Otto IV. von Waldeck gegründet worden war. Über einen eventuellen Vorgängerbau des Klosters ist nichts bekannt. In einer Urkunde vom 26. Mai 1415 ist von einem Haus der Eheleute Gerlach die Rede, das sich in der Neustadt, an dem "Wüsten Tor" (wosten dore), oberhalb des Hospitals (heute Klosterstraße 13, 15, 17) befunden habe. [2] Die Ortsbeschreibung stimmt in etwa mit dem Grundstück des späteren Klosters überein. Das "Wüste Tor" war das Verbindungstor zwischen Altstadt und Unterneustadt und lag direkt neben dem Tränketor.

In der Klosterkirche war eine Inschrift mit folgendem Wortlaut angebracht: "Da man schrieb MCCCC achtzig sechs und eins, da ward hier gelegt der erste Stein". Nach der Auflösung des Franziskanerklosters im Jahr 1566 übernahm die Stadt die Gebäude und verlegte dorthin die Bürgerschule. Im Jahre 1579 wurde das am 24. September 1577 durch die Grafen Wolrad II. und Josias I. von Waldeck gegründete Gymnasium in das Gebäude gelegt. Für das Jahr 1589 ist schon ein erster "Schüleraufstand" überliefert. Aus einem Urfehdebrief vom 16. Mai 1589 geht hervor, daß Fridericus Bernsdorff unter seinen Mitschülern am Gymnasium eine Verschwörung angestiftet und eine Schmähschrift gegen den Rektor Regenerus Langius (Rainer Lange, Schulleiter 1589-1592) verfaßt, außerdem die Pforte des Klosters beschädigt und versucht habe, die im Karzer inhaftierten Schüler zu befreien. [3]

Trotz der Auflösung des Klosters erhoben die Franziskaner weiter Ansprüche auf das Gebäude. Am 1. Mai 1637 beurkundet der Notar Henrich Althausen in Korbach die ihm von dem waldeckischen Kommissar und Hofgerichtsassessor Georg Heise überbrachte Protestation des Grafen Wolrad von Waldeck gegen den Anspruch der Franziskaner auf das Gymnasium in Korbach, wie er durch den Franziskanerpater Felix Loch, der in die Wohnung des Rektors des Gymnasiums, Heinrich Soltzers (Kirchstraße 22), eingedrungen ist, erhoben wurde. [4]

Im Siebenjährigen Krieg wurde das Gebäude fast vollständig zerstört, der Ostflügel in den Jahren 1758/59 abgebrochen, 1760 Teile des Mauerwerks für den Bau einer französischen Feldbäckerei verwendet.

In den Jahren 1770 bis 1774 wurde das heutige Gebäude durch den waldeckischen Baudirektor und Major Johann Matthias Kitz neu errichtet. Es wurde nach dem Bauherrn Fürst Friedrich von Waldeck "Friedericianum" genannt. 1884/85 wurde der rückwärtige Aulaflügel errichtet, in den Jahren 1932/33 das Dachgeschoß aufgebaut. Seit 1955 erfolgten weitere Um- und Anbauten. 1970 wurde am Stadtrand ein moderner Neubau errichtet. Seitdem findet sich in dem Gebäude die Volkshochschule.

Seit Mai 2018 steht die Immobilie zum Verkauf; sie wird unter anderem über das Internetportal "immowelt.de" angeboten. Zum 1. Januar 2023 soll das gesamte, 6.489 m² große Grundstück einschließlich aller Nebengebäude und der Gymnasialturnhalle an einen privaten Investor veräußert werden. [4a] Am 29. Oktober 2018 stimmte der Kreistag dafür, die Gebäude für 410.000 Euro an die Korbacher Firma Fisseler zu verkaufen. [4b]

Äußeres Erscheinungsbild

Das Gebäude wurde 1939 wie folgt beschrieben: [5]

"Zweigeschossiger Kalksteinbau über langgestrecktem Rechteck, auf mittelalterlicher Grundlage. Die heutige Erscheinung barock. Das Bruchsteinmauerwerk unverputzt geblieben. Schrägsockel. Eckquaderung verzahnt. 15:2 Achsen schlicht rechteckig in Sandstein gerahmter Fenster. Mittelrisalit einachsig, mit flachem Giebelabschluß. Die Architekturteile Sandstein, Eckpfeiler mit Sperrfugenquaderung. Portal in flachbogigem Gewände mit Schlußstein, Lisenenumrahmung mit profilierten Blenden; im Kopfstück Waldecker Stern. In dem ornamental gerahmten Verbindungsstück zu dem darüber liegenden, flachbogigen Fenster in Kapitale bez.: Friedericus / Waldeckiae princeps / restituit / Anno M D C C L XXIII (1773). Im Giebelfeld in einem von Rocaillen gerahmten Rundschild mit Fürstenhut und Ordenskette das Monogramm FF (Fürst Friedrich). In den Zwickeln sitzen Putten mit Sinnbildern der Baukunst. Barockes Gesims, Holz, nur über dem Mittelrisalit Sandstein. Das stattliche Krüppelwalmdach in moderner Pfannenbedeckung, mit Schieferfassung, durch einen neuen Dachaufbau beeinträchtigt. Über Firstmitte barocker Dachreiter, verschiefert, vierseitig mit verbrochenen Kanten, Welsche Haube mit Schirmspitze. Am rückwärtigen Querflügel in dem alten massiven Erdgeschoß (Kreuzgang) drei z.T. vermauerte schlichte Spitzbogenarkaden und Reste alter z.T. gekehlter Gewände. Obergeschoß Fachwerk, barock."

Von dem alten Franziskanerkloster existieren nur noch einige Grundmauern, ferner ein im Hinterhof befindlicher Rest des Kreuzgangs mit zwei Spitzbogenarkaden, an deren östlicher Seite ein alter, nicht mehr vollständig erhaltener Grabstein des Abtes Jacob(us) Altena [6] angebracht ist. Die rechts abgeschnittene Inschrift lautet:

AN[N]O D[OMI]NI 15[64]
3 JUNII OBIIT [VE]
NERABILIS FR[..] oder PA[..]
COB9 ALTENA[..]
G[U]ARDIA[N]9 HU[IUS]
LOCI

(Im Jahre des Herren 15[64], den 3. Juni, starb der ehrwürdige Bruder(?)/Pater(?) Jacobus Altena Guardianus [= Hüter, Abt der Franziskaner] an diesem Ort)

Der Grabstein wurde in den 1959 beim Bau des Hauses Grabenstraße 11a wiederentdeckt. Er befand sich als Pflasterstein in einer ehemaligen Mistenstätte. [7a] Der damalige Schulleiter der Alten Landesschule Korbach schrieb in seinem Jahresbericht über das Schuljahr 1959/60: [7]

"An der schmalen Seite des Ehrenmals auf dem Hofe konnte ein glücklicher Fund aus der Klosterzeit, der Grabstein eines Guardians im alten Franziskanerkloster, befestigt werden. Er wurde bei Ausschachtungsarbeiten am Butterturm zutage gefördert und uns von Herrn Willi Back freundlich überlassen. Der Stein ist augenscheinlich einmal für Bauzwecke zugerichtet und dadurch an der rechten Seite stark beschädigt worden, so daß die Inschrift nicht ganz wiederhergestellt werden kann; es bleibt das genaue Todesjahr und der Herkunftsort des Bruders im Ungewissen. Die Inschrift lautet bei Auflösung der Kürzungen und vorsichtiger Ergänzung: ANNO DOMINI 15(1?) 3 JUNIUS OBIIT (VE)NERABILIS PATER (JA)COBUS ALTENA(US) GARDIANUS HUIUS LOCI."

Der Stein hat heute eine Höhe von 120 cm, eine Breite von 50 cm und eine Tiefe von 12 cm. [8] HELLWIG (wie Anm. 7) weist zudem auf eine kleine, fast quadratische Vertiefung von ca. 2x2 cm im unteren Teil des Steines hin, die von der unbeschädigten linken Seite aus gemessen 29 cm und 12 cm vom Boden entfernt liegt, was auf eine ursprüngliche Gesamtbreite des Steines von ca. 60 cm hinweise, falls die Vertiefung einst in der Mitte des Steines lag.

Jakob Altena war von 1547 bis 1564 Guardian des Franziskanerklosters und entschiedener Gegner der Reformation. Unter ihm kam es noch einmal zu einer Stabilisierung des Klosters und des Widerstands gegen die gräfliche Kirchenpolitik. [9] Er starb am 3. Juni 1564 in Korbach und wurde vor dem Hochaltar in Korbach bestattet. [10] Sein Nachfolger wurde 1564 Kaspar Nagel. [11]

Bilder

Anklicken für größere Versionen.

Anmerkungen

[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 1, Professor-Kümmel-Straße und Klosterstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1956, S. 77. Soweit nicht anders vermerkt, sind alle folgenden Angaben hieraus entnommen.
[2] Stadtarchiv Korbach (Hrsg.), Korbacher Urkunden - Regesten, Band 1, Korbach 1997, S. 16, Nr. 40.
[3] Bernd KRÖPELIN (Bearb.), Korbacher Urkunden - Regesten, Band 2, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 2002, S. 49, Nr. 609.
[4] KRÖPELIN (wie Anm. 3), Band 5, S. 338, Nr. 11074.
[4a] Philipp DAUM, Schule steht zum Verkauf, in: Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 23. Juni 2018, S. 6.
[4b] Julia RENNER, Klosterstraße: Gebäude der Beruflichen Schulen ist verkauft, Waldeckische Landeszeitung, Online-Ausgabe vom 1. November 2018.
[5] Wolfgang MEDDING in: Friedrich BLEIBAUM (Hrsg.), Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Neue Folge, Dritter Band, Kreis des Eisenberges, Kassel 1939, S. 130.
[6] Vgl. Ursula WOLKERS (Bearb.), Korbach - Ein Rundgang durch die alte Stadt, Wilhelm Bing Verlag/Magistrat der Stadt Korbach (Hrsg.) 1999, S. 51; Wolfgang MEDDING, Baudenkmäler und Kunstschätze der 1000-jährigen Stadt Korbach, Ludwig Bing (Hrsg.) um 1980, S. 44. Ob ein verwandtschaftliches Verhältnis zu dem Abt des Klosters Steinfeld, Johann III. von Altena (Amtszeit: 1468–1483), dem Grafengeschlecht von Altena (Märkischer Kreis) oder der Herrschaft Altena (Nordbrabant) besteht oder der Name - wie häufig bei Geistlichen - nur auf den Herkunftsort hindeutet, ist nicht geklärt.
[7] Zitiert nach Walter HELLWIG, Ein Toter erwacht zu neuem Leben! - Erkundung eines Grabsteins auf dem Schulhof der ehemaligen ALS, in: Klosterglöckchen - Nachrichten für die Mitglieder des Vereins ehemaliger Korbacher Gymnasiasten, 82. Jahrgang, Nr. 3, Dezember 2015, S. 9.
[7a] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 8, Rathausgasse - Im Paß - Im Tempel - Kilianstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1961, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1961, S. 41.
[8] HELLWIG (wie Anm. 7).
[9] Vgl. Ralf Michael NICKEL, Zwischen Stadt, Territorium und Kirche: Franziskus‘ Söhne in Westfalen bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges, Dissertation, Bochum 2007, S. 727, 917; HELLWIG (wie Anm. 7); Gerhard NEUMANN, Kirche und Gesellschaft in der Grafschaft Waldeck am Ausgang des Mittelalters, Waldeckische Forschungen - Wissenschaftliche Reihe des Waldeckischen Geschichtsvereins, Band 11, Bad Arolsen 2001, S. 153.
[10] NICKEL (wie Anm. 9), S. 727; vgl. auch HELLWIG (wie Anm. 7).
[11] NEUMANN (wie Anm. 9); Wolfgang MEDDING, Korbach - Die Geschichte einer deutschen Stadt, 2. Auflage 1980, S. 153, kennt Jakob von Altena hingegen nicht und meint, Kaspar Nagel sei sogleich auf Altenas Vorgänger, Antonius Attendorn, gefolgt; ebenso: Sabine MAIER, Der Franziskus-Altar zu Niederwaroldern - Erkenntnisse zu Bildentstehung und Maltechnik in der Spätgotik, Waldeckischer Geschichtsverein (Hrsg.), Arolsen 1995, S. 17.