Lengefelder Straße 11 (Korbach)

Das Haus Lengefelder Straße 11 im März 2016.
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Das Haus Nr. 11 in der Lengefelder Straße ist ein Ende des 17. Jahrhunderts von dem Bäckermeister Michael Rabe errichtetes Fachwerkhaus in der Altstadt von Korbach. [1]

Geschichte

1. Der Vorgängerbau wurde beim Stadtbrand von 1664 zerstört. Vor 1680 erwarb der Bäckermeister Michael Rabe (~ 30.01.1614; begr. 01.12.1698) das Grundstück und errichtete das heute noch stehende Haus. Er war der Sohn des Ratsgewandten Johannes Rabe (Bürger 1608) und der Gertrud Oden. Er erwarb 1639 die Bürgerrechte und war Ratsmitglied in den Jahren 1643, 1649, 1651, 1653, 1656 und 1658, Pfennigmeister 1660 sowie Oberbürgermeister in den Jahren 1663, 1669, 1680, 1682 un 1687. In den Jahren 1648, 1652, 1658, 1666 und 1671 war er Dechant der Bäckergilde.

2. Um 1700 Erben von Nr. 1:

a) Ehrenrector zu Zellerfeld Johannes Leinecke. Er war seit dem 20. Mai 1678 mit der Tochter von Nr. , Susanne Rabe, verheiratet.
b) Johanne Margarethe Strube (* um 1687; begr. 25.03.1742), Tochter des Ditmar Strube. Sie heiratete am 7. Januar 1711 den Bäckermeister Michael Platte (~ 17.08.1684; begr. 08.04.1736), Sohn des Michael Platte und der Margarethe Rabe, Tochter von Nr. 1.

Die Erbfolge hinsichtlich Nr. 2 b) ist nicht ohne weiteres verständlich, da Margarethe Strube lediglich die Schwiegerenkelin von Nr. 1 war und die Ehe erst 11 Jahre nach dem vermuteten Anfall der Erbschaft begründet worden ist.

3. Im Jahr 1701 wird das Haus auf den Bäckermeister Michael Hampe junior (~ 29.12.1675; begr. ?) überschrieben, Sohn des Zacharias Hampe (Stechbahn 21) und der Ursula Lips. Er erwarb im gleichen Jahr die Bürgerrechte und heiratete am 9. November 1701 Anna Maria Meyer (~ 17.07.1672; begr. 02.03.1721), Tochter des Hermann Meyer (Bürger 1668) und der Anna Erich. Eine zweite Ehe ging er 1722 mit Anna Margarethe Franke (* um 1692 in Mengeringhausen; begr. 17.03.1754, 61 Jahre). [2] Er war bereits im Jahr 1700 Eigentümer des elterlichen Hauses Stechbahn 21 geworden.

4. Im Jahr 1714 geht das Eigentum an dem Haus auf Balthasar Heck (* um 1675; begr. 23.03.1722, 47 Jahre) über. Er war der Sohn des Schneidermeisters Arnold Heck (Ascher 10). Er war von 1716 bis zu seinem Tod 1722 Pfarrer und Diakon für Lelbach und Lengefeld. Am 24. Juli 1709 heiratete er Anna Elisabeth Diether (* um 1672 in Worms; † 02.10.1744 in Alt-Wildungen), Tochter des Johann Ludwig Diether, Schultheiß zu Worms, und der Anna Elisabeth Schippel. Sie war in zweiter Ehe verheiratet mit dem Rentschreiber Johann Franz Widderstein zu Haina.

5. 1726 wurde Henricus/Heinrich Meyer (* 19.03.1695 in Massenhausen; † 12.12.1766 in Nieder-Ense) als neuer Eigentümer eingetragen. Er war der Sohn des Pfarrers in Külte, Henricus Meyer (* 05.06.1659 in Rhoden; † 24.05.1712 in Külte), und der Katharine Elisabeth Hersfeld (~ 27.12.1660; † 14.04.1732 in Nieder-Ense). Heinrich Meyer ist 1710 als Schüler der Schule in Lippstadt und 1715 in Minden erwähnt. 1718 wird er als Student der Theologie in Jena genannt. Von 1720 bis 1728 war er Lehrer der Quinta am Korbacher Gymnasium, zugleich Kantor. 1728 bis 1731 war er Pfarrer in Twiste, 1731 bis 1766 Pfarrer in Nieder-Ense, 1753 Senior. Am 14. November 1724 heiratete er Marie Christine Röhr (* 05.05.1708 in Adorf; † 06.12.1790 in Nieder-Ense), Tochter des Bürgermeisters August Röhr (Professor-Kümmell-Straße 5) und der Marie Elisabeth Diether (Schwester der Frau von Nr. 4). Die Eheleute Meyer/Röhr hatten 13 Kinder, von denen aber nur vier das Erwachsenenalter erreichten: [3]

a) Anna Elisabeth Meyer (~ 08.01.1726; † 15.07.1747) 05.05.1745 in Nieder-Ense mit Heinrich Gottfried Scriba (* 10.05.1718 in Berndorf; † 28.08.1754 in Berndorf), Pfarrer zu Berndorf
b) Susanne Eleonore Meyer (~ 02.10.1727; † ?)
c) Karl Hermann Ludwig Meyer (* 27.12.1732; † ? Nieder-Ense), Pfarrer zu Nieder-Ense, ledig.
d) Philipp Daniel Meyer (* 08.06.1735 in Nieder-Ense; † 03.04.1807) in Goddeslheim, Pfarrer in Goddelsheim, 23.11.1774 in Netze mit Elisabeth Dorothea Osterhold (~ 16.08.1744 in Netze/Tiergarten; † ?), kinderlos.

6. 1731 erwarb der Kaufmann und Wollenweber Johann Philipp Sude (* 27.07.1697 in Nieder-Ense; begr. 18.12.1763) das Haus. Er war der Sohn des Kaufmanns Johannes Sude in Nieder-Ense und der Maria Elisabeth Knoche, Witwe des Wolrad Brocke. Am 1. Juni 1729 ehelichte er Maria Juliana Meinhard (~ 07.03.1713; begr. 27.05.1759), Tochter des Ratsgewandten Johann(es) Meinhard (Professor-Kümmell-Straße 4) und der Agneta Ehlig. Sude erhielt 1720 die Bürgerrechte und war im Jahr 1744 Pfennigmeister. Von 1729 bis 1745 gehörte Sude auch das schwiegerelterliche Haus Professor-Kümmell-Straße 4.

7. Durch Erbschaft fiel das Haus 1764 an den Sohn von Nr. 6, den Kaufmann Johann Justus Sude (~ 03.04.1738; † 02.04.1815). Er vermählte sich am 2. Dezember 1762 mit Anna Catharina Leonhard (* um 1732 in Goddelsheim; † 01.03.1797), Tochter des Berginspektors Abraham Leonhard zu Goddelsheim. Sude erwarb 1764 die Bürgerrechte, war von 1769 bis 1771 Pfennigmeister und 1791 Unterbürgermeister.

8. 1809 kaufte der Kaufmann und Weißgerbermeister Caspar Schwaner (* 20.08.1775 in Frankenberg/Eder; † 27.12.1824) das Haus. Er war der Sohn des Weißgerbers Georg Schwaner in Frankenberg. Am 1. März 1805 heiratete er Engel Maria Dorothea Emmerich (~ 06.01.1774; † 05.01.1838), jüngste Tochter des Stadtrezeptors und Weißgerbermeisters Johann Justus Emmerich und der Henriette Felicitas Jäger. Schwaner erwarb 1803 die Bürgerrechte.

9. Im Jahr 1825 erbte der Kaufmann und Posthalter Johann Henrich Christian Schwaner (* 15.11.1805; † 26.06.1878) das Haus. Er war der Sohn von Nr. 8 Seine Frau war Anna Bertha Hagemann (* 08.07.1814 in Arolsen; † 17.09.1869). Ihm gehörte ab 1868 auch das Haus Stechbahn 19. Er erwarb 1825 die Bürgerrechte und war 1839 Schützenkönig. Schwaner erwarb 1847 auch das Nachbarhaus Am Tylenturm 4, ließ es abreißen und als Wirtschaftsgebäude und 1848/49 als Hinterhaus zum Gebäude Lengefelder Straße 11 neu errichten. 1826 erwarb er zudem das Nachbarhaus Im Sack 4.

10. 1878 kaufte der Getreidehändler Salomon Katz (* 07.10.1844 in Goddelsheim; gest. 13.02.1929) das Anwesen. Er war am 1. Oktober 1871 aus Goddelsheim nach Korbach gezogen und betrieb in dem Haus einen Getreidehandel und eine Kornbrennerei. Er war der Sohn des Handelsmanns Moses Katz und der Sprinz Frank aus Goddelsheim. Deren Eltern waren Bär und Rachel Frank. Katz vermählte sich am 24. Oktober 1876 mit Johanna Sara Mosheim (* 15.05.1855; gest. 26.09.1942 KZ Theresienstadt), Tochter des Samuel Mosheim (Professor-Kümmell-Straße 8a) und der Johanna Baer. Das Paar hatte fünf Kinder: [4]

a) Hermine Katz (* 04.08.1877; verschollen in Osteuropa) 04.07.1904 mit Gastwirt Alfred Rotschild (1871-1939). Die Eheleute besaßen in Vöhl eine Gastwirtschaft. Anfang September 1939 zogen sie nach Korbach und wohnten im Haus "Am Tylenturm 4". Frau Rotschild ist unmittelbar nach dem Tode ihres Mannes wieder nach Vöhl gezogen, von wo aus sie deportiert wurde. Der Sohn Richard (* 1905) emigrierte mit seiner Frau im Januar 1935 nach Palästina.
b) Siegfried Katz, Nr. 11
c) Emma Katz (* 02.01.1882; verschollen nach 1942 im KZ Majdanek oder Riga) 30.01.1907 mit Maximilian Hirsch aus Sachsenhausen. Frau Hirsch zog nach dem Tode ihres Mannes im Juni 1937 zurück nach Korbach und wohnte bis Ende 1941 im elterlichen Haus Lengfelder Straße 11, dann im Haus Kirchstraße 13. Im Mai 1942 wurde sie deportiert. Ihre drei Kinder, Bernhard, Else und Hildegard, waren bereits in den dreißiger Jahren nach Palästina und Schweden ausgewandert.
d) Meta Katz (* 11.09.1883; gest. 10.04.1923 in Grebenstein) Moritz Neuhahn aus Grebenstein
e) Margarethe Katz (* 29.11.1885; verschollen im KZ Theresienstadt)

11. 1929 erbte der Kaufmann Siegfried Katz (* 20.07.1878; gest. 03.06.1942 in Sobibor/Polen), Sohn von Nr. 10, das Haus. Er betrieb eine Getreide- und Düngemittelhandlung. Am 11. Juni 1911 vermählte er sich in Elberfeld mit Hedwig Plaut (* 06.05.1888 in Göttingen; gest. 03.06.1942 in Sobibor/Polen), Tochter des Benjamin Plaut und der Friederike Klam aus Elberfeld. [5] In der Zeit vom 23. bis 26. September 1941 erfolgte die Deportation der noch in Korbach gebliebenen 14 jüdischen Bürger in eine Sammelstelle nach Wrexen, in die Papierfabrik Haupt, darunter auch die Eheleute Katz. [6] Von dort erfolgte der Transport über Kassel und Halle/Saale in das Durchgangsghetto Izbica nach Sobibor, wo Siegfried und Hedwig Katz am 3. Juni 1942 ermordet wurden. [7]

12. 1951 erwarb Karl Köhler (* 10.04.1905 in Böhne; † nach 1959) das Haus von der Familie Katz. Er hatte das Geschäft der Familie Katz zunächst gepachtet und im Haus eine Getreide- und Düngemittelhandlung betrieben. Köhler war der Sohn des Landwirts Wilhelm Köhler und der Marie Schmalz, beide aus Böhne. Am 6. Dezember 1934 heiratete er Mathilde Kuckuck (* 15.11.1911 in Bühle; † nach 1959), Tochter des Landwirts Friedrich Kuckuck in Bühle und der Luise Emeluth aus Netze. Köhler kaufte das Haus von der Familie Katz für 27.000 DM, musste jedoch 1957 mit seiner Firma Konkurs anmelden.

13. 1957 fiel das Haus infolge des Konkurses von Nr. 12 an die Kreissparkasse Waldeck.

Die weiteren Eigentümerwechsel sind hier nicht bekannt.

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Anmerkungen

[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 4, Lengefelder Straße - Schulstraße - Im Sack - Am Tylenturm, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 19-21. Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[2] Im Ortssippenbuch Mengeringhausen nicht verzeichnet. Vgl. Herbert VOIGT/Christian MEUSER (Bearb.), Waldeckische Ortssippenbücher, Band 89, Mengeringhausen, Waldeckischer Geschichtsvereins e.V. (Hrsg.), Bad Arolsen 2014, S. 154.
[3] Alle Angaben nach: Hilmar-G. STOECKER, Die Lehrer des Gymnasiums zu Korbach (1579-1900), Geschichtsblätter für Waldeck, 65. Band (1976), S. 46-47. Die Angaben bei THOMAS (wie Anm. 1) sind wesentlich kürzer.
[4] Alle Angaben über die Familie Katz nach: Karl WILKE (Bearb.), Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Korbach, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1993, S. 111, Nr. 24.
[5] Diese und die folgenden Angaben über die Familie Katz nach: Karl WILKE (wie Anm. 4), S. 112-113; Nr. 24, 25.
[6] Arbeitsgemeinschaft Spurensicherung des Kommunalen Jugendbildungswerks der Kreisstadt Korbach, Judenverfolgung in Korbach, Korbach 1989, S. 90.
[7] Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Band 1-2, Bundesarchiv Koblenz und Internationaler Suchdienst Arolsen (Bearb.), Frankfurt 1986 ( Eintrag Siegfried Katz in der Online-Version; Eintrag Hedwig Katz in der Online-Version); Eintrag in der zentralen Datenbank von Yad Vashem.