Das Haus Nr. 10 in der Rathausgasse ist ein 1879/80 von Schmiedemeister Christian Pistorius errichtetes Fachwerkhaus in der Altstadt von Korbach [1]
1. Die Frühgeschichte des Grundstücks vor den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und des Stadtbrands von 1664 ist nicht bekannt. Sehr wahrscheinlich befand sich hier früher die Scharfmeisterei und die Wasenmeisterei (Abdeckerei). Vor der Errichtung des heutigen Hauses befand sich hier bis 1865 ein rund 1.000 m² großer Garten, der im Eigentum von Bäckermeister Georg Friedrich Wilhelm Hoffmann stand und zum Haus Stechbahn 7 gehörte. Durch diesen Garten wurde 1865 ein neuer Straßendurchstich, das Mittelstück der heutigen Rathausgasse, der sogenannte "Neue Weg" gebaut. Friedrich Hoffmann mußte 1865/66 Konkurs anmelden. Adolf Stoecker als "Massekurator der Hoffmanschen Konkursmasse" teilte die Reststücke des Gartens auf. Am 20. August 1866 wurden die neuen Flurstücke auf folgende Erwerber umgeschrieben:
a) Das Gartengrundstück südlich des "Neuen Weges" in Größe von 116 m² erwarb der Schieferdecker Christian Daubert II. Es gehört heute zum Haus Tempel 14.
b) Das untere Gartengrundstück nördlich des "Neuen Weges" in der Größe von 276 m² ging an den Schreinermeister Heinrich Wille. Es gehörte heute zum Haus Im Paß 2.
c) Das obere Gartengrundstück nördlich des "Neuen Weges" in der Größe von 296 m², zwischen dem "Neuen Weg" und dem "Faulen Paß" erwarb August Meyer.
2. August Meyer verkaufte sein Gartengrundstück am 18. März 1867 für 117 1/2 Taler an den Kaufmann Abraham Salberg (Bunsenstraße 2). Die jüdische Gemeinde beabsichtigte, auf dem Grundstück eine Synagoge zu errichten. Doch war das Grundstück offenbar für diesen Zweck zu klein, so daß der Plan aufgegeben wurde, als sich eine günstigere Gelegenheit ergab, die Synagoge auf dem Grundstück Tempel 5 zu bauen.
3. Abraham Salberg veräußerte deshalb sein Grundstück am 24. März 1879 für 600 Mark an den Schmiedemeister Christian Pistorius, der auf dem Grundstück gegenüber (Rathausgasse 7) wenige Jahre zuvor eine Schmiede errichtet hatte. Ein kleines Gartengrundstück auf der nördlichen Seite des "Neuen Weges" in der Größe von 28 m² besaß Christian Pistorius bereits. Er hatte es 1873 von dem Schlossermeister Heinrich Limperg (Stechbahn 30) erworben. Auf diesem nun insgesamt 324 m² großen Grundstück erbaute Christian Pistorius in den Jahren 1879/80 das heutige Wohnhaus. Friedrich Christian Pistorius (* 22.07.1841 in Vasbeck; † 11.10.1923) war der Sohn des Schmiedemeisters Christian Friedrich Pistorius aus Vasbeck und der Marie Elisabeth Gerhard. [2] Am 19. April 1874 heiratete er Johannette Friederike Christiane Luise Wille (* 02.04.1836; † 14.07.1875 in Lelbach), Tochter des Ackermanns Christian Friedrich Wille aus Lelbach und der Marie Luise Stockhausen. [3] Eine zweite Ehe ging er am 2. Juli 1876 mit Christiane Karoline Sinemus (* 16.06.1845 in Rhoden; † 13.11.1924) ein, Tochter des gelernten Schneiders und späteren Lehrers und Kantors zu Rhoden Georg Friedrich Sinemus (* 21.01.1806 in Rhoden; † 14.08.1882) [4] und der Marie Henriette Wilhelmine Mertens (* 18.09.1807 in Rhoden; † 19.01.1861 ebenda). [5] Aus der 1. Ehe des Christian Pistorius entstammt ein Kind, aus der zweiten Ehe sechs Kinder.
4. Im Wege der Erbfolge wurde 1924 der Sohn von Nr. 2, der Schmiedemeister Carl Christian Johannes Paul Pistorius (* 10.01.1881; † nach 1961), neuer Eigentümer. Er war 1920-1937 Obermeister der Schmiedeinnung und langjähriges Mitglied des Korbacher Stadtparlaments sowie des Waldeckischen Kreistages. Am 25./26. Mai 1912 heiratete er Karoline Wilhelmine Meyer (* 25.02.1890 in Berich; † nach 1961), Tochter des Schneidermeisters Heinrich August Wilhelm Christian Meyer (* 17.07.1856 in Berich, † 10.05.1918) und der Luise Wilhelmine Marie Müller (* 20.12.1859 in Bergheim; † 03.03.1920); OSB Bergheim Nr. 227. Christian Pistorius und seine Frau hatten drei Kinder:
Martin Pistorius (* 07.02.1913; † ?), Vermessungsoberinspektor
Christel Pistorius (* 02.12.1919; † ?), verwitwete Endter und Fischer
Sigfried Pistorius (* 12.01.1924; † seit 1944 in Rußland vermißt), Schmied
5. Die weiteren Eigentümerwechsel sind hier nicht bekannt.
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[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 8, Rathausgasse - Im Paß - Im Tempel - Kilianstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1961, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1961, S. 16-18. Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[2] Robert WETEKAM (Bearb.), Waldeckischer Ortssippenbücher, Band 1, Vasbeck, Waldeckischer Geschichtsverein e.V. (Hrsg), Arolsen 1938, Nr. 852.
[3] Eduard BUNTE (Bearb.), Waldeckische Ortssippenbücher, Band 5, Lelbach, Waldeckischer Geschichtsverein e.V. (Hrsg.), Arolsen 1956, Nr. 659.
[4] Obwohl die Familie Sinemus in Rhoden sehr zahlreich vertreten ist, sind Georg Friedrich Sinemus und seine Familie im Ortssippenbuch Rhoden nicht aufgeführt, reichen die Einträge über Angehörige der Familie Sinemus nur bis 1852 zurück; vgl. Hilmar G. STOECKER/Friedrich HÜBEL (Bearb.), Waldeckische Ortssippenbücher, Band 51, Rhoden, Waldeckischer Geschichtsverein e.V./Magistrat Diemelstadt (Hrsg.), Arolsen/Korbach 1994,S. 437.
[5] Auch eine Familie Mertens ist bei STOECKER/HÜBEL (wie Anm. 4) nicht aufgeführt.