Beim großen Stadtbrand von 1664 , der am Morgen des 7. Mai ausbrach, wurden 198 Wohnhäuser und Scheunen in Korbach vernichtet, nachdem bereits während des Dreißigjährigen Krieges 245 von 547 Häusern zerstört worden waren.
Im Korbacher Bürgerbuch wird berichtet: [1]
"Den 7. Mai 1664 seint durch eine unverhoffte Feuersbrunst, als Henrich Mohr in Christoph Dietzels Behausung [Anm.: Stechbahn 36] nechst am Stadt-Weinkeller [Anm.: Marktplatz 5] gebrauet und dadurch entstanden, bey die zweyhundert Häuser und Scheuren, worunter das Rathaus, Hochzeitsgebauw begriffen, nemblich von obgedachten Dietzels Haus an zu rechnen, ferner die ganze Stechebahner Straße beiderseits, viertens das gedachte Rathaus, Lengefelder Straße, dann fort vom Lengefelder Tor dahinaus und folgents die Mauer herumb [Anm.: Ascher] biß auf Herrn Commissarii Heisen Wohnhaus [Anm.: In der Pforte 1], so gleichfalls bis auf das Stockwerk eingeäschert, von dannen die ganze Kirchstraße uf der Neustadt neben dem Pfarrhaus [Anm.: Nikolaistraße 1], weiter hinunter jenseits des Schmitteborns [Anm.: bei Klosterstraße 1] dieselbe Straße [Anm.: Professor-Kümmell-Straße] von Bürgermeister Diderich Wilstach Hause an zu rechnen bis auf den faulen Paß, woselbst Hans Wetters Behausung stehend, totaliter, fast alle Mobilien und Früchte darin eingeäschert. Gott der Höchste wolle dergleichen Unglück hinführo gnädig verhüten und den armen an dem Brand geschädigten Personen in ihrer großen Ungedult Hülff, Beistand, Gnad, damit selbige sich vergnügen und contenieren mögen, gnädiglich verleihen. Darum, Herr Jesu, gewähre uns unsere Bitte und führe uns dahin, daß wir unsere Sünde erkennen und uns zu dir bekehren."
In der "Aufzeichnung über das Geschick der Hartmannschen Familie im Jahrhundert des Dreißigjährigen Krieges" schreibt Johann Christoph Hartmann, ein im Jahre 1647 geborener Sohn des Pfarrers der Nikolaikirche, Günther Samuel Hartmann (Am Steinhaus 1), auf S. 35 über den Brand folgendes: [2]
"Eodem anno (1664) ist zu Corbach auf der altestatt bey der wage ein großer Brand entstanden, So bey 200 gebeude nebst dem rathause zwischen beyden Stetten, die ganze Steckebahne, Lengefelder Straße, das schöne Hochzeit hauß, bis an den Schmittebrunnen herunter abgebrand, daß die neustetter pfarre daß letzte Hauß geworden, so abgebrand gegen abend, nach dem der Brand frühe morgens angefangen, da wir abermal ein zimliches verlohren, und hernach einige jahre bis zu wider aufrichtdunge des Hauses auf dem herrschaftlichen hofe gewohnet und vielen schaden dabei erlitten."
Das Feuer fraß sich also zunächst vom Marktplatz aus die Stechbahn und die Lengefelder Straße hoch, sodann den Ascher hinunter bis zur Nikolaikirche und zum späteren Hanxledeschen Hof (heute Bürgerhaus), gleichzeitig vom Rathaus die heutige Professor-Kümmell-Straße (früher: Landstraße) hinunter bis zum Mündungsbereich Professor-Kümmell-Straße/Professor-Bier-Straße (früher: Berndorfer Straße). Hier griff das Feuer noch auf den "Paß" über und vernichtete einige Häuser im Gebiet des Tempels. Das letzte Haus, welches gegen Abend vom Feuer erfaßt wurde, war das neustädter Pfarrhaus (heute Nikolaistraße 1).
Auch sämtliche Häuser westlich der Lengefelder Straße (Im Sack, Am Tylenturm) brannten nieder. [3] Ebenso wurden sämtliche Häuser zwischen dem Ascher und der Professor-Kümmell-Straße (Oberstraße, In der Pforte, Ketzerbach) vernichtet.
Betroffen war mithin fast der gesamte westliche Teil der Alt- und Neustadt. Hingegen blieben die östlichen und südlichen Bereiche sowie die Unterneustadt weitgehend von den Flammen verschont. Da jedoch bereits der Dreißigjährige Krieg viele Häuser in jenen Vierteln vernichtet hatte, die Unterneustadt zudem 1739 von einem weiteren großen Brand betroffen war, dem 17 Häuser zum Opfer fielen, blieben in Korbach kaum Gebäude aus der Zeit vor 1620 erhalten. Ein Teil der Häuser, die die Katastrophen des 17. Jahrhunderts überdauert hatten, wurde im 18., 19. und 20. Jahrhundert abgerissen. Mit Ausnahme der vier Steinkammern (Enser Straße 7, Violinenstraße 3, Kirchplatz 2, Kirchstraße 18a), der Stadtbefestigung, der Kilianskirche, der Nikolaikirche und der Grundmauern des Rathauses blieben nur zwei Gebäude erhalten, die um das Jahr 1600 errichtet worden sind: Katthagen 13 (1593) und Enser Straße 7 (1606), [4] vielleicht stammt auch das Haus Marktplatz 7 noch aus dieser Zeit.
Den Brand überdauert haben soll auch der Mittelteil des späteren Hofes Hanxleden (heute Bürgerhaus, Kirchstraße 7) mit der sogenannten Lutherstube an der Nikolaistraße. Der steinerne Torbogen, das Leusmann-Tor, trägt die Jahreszahl 1577. Es handelte sich zum Zeitpunkt seines Abrisses im Jahre 1965/66 um das - zumindest in seinen Grundmauern - wahrscheinlich älteste Wohngebäude Korbachs. Ob auch die aus Fachwerk errichtete Lutherstube im ersten Stock den Brand des Hofes überstanden hatte, ist zweifelhaft. Beim Abriß des Hanxledeschen Hofes im Jahr 1965 wurde auch dieser Mittelteil mit dem Torbogen entfernt, der Torbogen nach dem Bau des Bürgerhauses (1968) wieder aufgebaut und mit einer schmiedeeisernen Gittertür versehen. Beim Umbau des Bürgerhauses im Jahr 2011 wurde das Tor erneut umgestaltet. Es umgibt heute als Rundbogen ein Panoramafenster am neuen Haupteingang des Bürgerhauses.
Schräg gegenüber, unterhalb der Nikolaikirche, hatte ferner die 1655 errichtete Zehntscheune des unteren Herrenhofs den Brand überstanden (Nikolaistraße 4). Es war das erste nach dem Dreißigjährigen Krieg errichtete Gebäude in Korbach. Es wurde 1966 abgerissen und durch einen modernen Geschäftsbau ersetzt.
Verschont von Krieg und Stadtbrand blieb ferner das 1551 errichtete Steinhaus Tränkestraße 14, das jedoch 1763 durch einen Sturm zerstört wurde. [5]
Ein weiteres steinernes Speicherhaus, wahrscheinlich ähnlich den verbliebenen vier Steinkammern, stand in der Tränkestraße 5, direkt an der dortigen Stadtmauer neben dem Tränketor, an der Stelle des modernen Neubaus. Es wurde jedoch 1724 abgebrochen. [6] Auch in der oberen Violinenstraße, neben dem Haus Nr. 1, hatte eine Steinkammer die Zerstörungen des 17. Jahrhunderts überstanden, die jedoch zu einem späteren, unbekannten Zeitpunkt abgerissen wurde.
Der Wiederaufbau verlief schleppend. Bis heute wurde in der Altstadt von Korbach nicht wieder der Häuserbestand des frühen 17. Jahrhunderts erreicht. Viele nach dem Brand erbaute Häuser scheinen nur Provisorien gewesen zu sein. Denn zahlreiche unmittelbar nach dem Brand errichtete Gebäude wurden bereits wenige Jahrzehnte später wieder abgerissen und durch die heute noch bestehenden Fachwerkhäuser des 18. Jahrhunderts ersetzt.
[1] Zitiert nach Ursula WOLKERS, Aus dem Korbacher Bürgerbuch - Bemerkenswerte Begebenheiten aus dem 17. Jahrhundert, in: Mein Waldeck, Beilage der "Waldeckischen Landeszeitung" für Heimatfreunde, Nr. 10/1984.
[2] Alfred UCKELEY, Aufzeichnung über das Geschick der Hartmannschen Familie im Jahrhundert des dreißigjährigen Krieges, in: Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont, 7. Band (1907), S. 14-56 [35]; auch zitiert in: Hermann THOMAS/Karl WILKE/Lothar GERLACH, Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 3, Kirchstraße - Unterstraße - Nikolaistraße - Oberstraße - In der Pforte - Brauberg - Ketzerbach - Ascher und Mauergasse, 2. Auflage 2003, S. 101 (Nikolaistraße 1).
[3] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 4, Lengefelder Straße - Schulstraße - Im Sack - Am Tylenturm, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, Blatt zw. S. 46 u. 47.
[4] Nach Ursula WOLKERS in: Korbach - Ein Bildband, Wilhelm-Bing-Verlag (Hrsg.), Korbach 1988, S. 22, soll auch das Geburtshaus des Christian Karl Josias von Bunsen (Ascher 10) aus der Zeit vor dem Stadtbrand von 1664 stammen. Nach THOMAS/WILKE/GERLACH (wie Anm. 2), S. 194, ist das Haus zwar vor 1691, aber auf der Brandstätte eines 1664 zerstörten Hauses errichtet worden.
[5] Vgl. Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 7, Dalwigker Straße - Am Butterturm - Grabenstraße - Entengasse - Tränkestraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1960, S.124.
[6] THOMAS (wie Anm. 5), S. 88 (Tränkestraße 3).