Stechbahn 7 (Korbach)

Das Haus Stechbahn 7 im Mai 2018.
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Das Haus Nr. 7 auf der Stechbahn ist ein im 17. Jahrhundert errichtetes Fachwerkhaus in der Altstadt von Korbach.

Geschichte

1. Das Gebäude wurde nach dem großen Stadtbrand von 1664 von dem Goldschmied Samuel Waldeck(er) errichtet. Das genaue Baujahr war lange nicht bekannt. Wolfgang Medding datierte das Entstehungsjahr auf "Ende 17. Jh.", [1] Hermann Thomas nahm ein Baujahr "vor 1685" an. [2] Bei der Sanierung des Hauses im Jahr 1994 ist auf der linken und rechten Seite des Türsturzes der Rest einer Inschrift sichtbar gemacht worden, die auf das Baujahr 1667 hinweist. In den oberen Ecken des Türrahmens sind die Buchstaben

SAMU                         EIHCR
CRAT                         ANA
DIS HA                       1667

zu erkennen. Die Ornamentsäulen zu beiden Seiten der Tür mit den heute schön herausgearbeiteten und bunt bemalten Blumenmotiven waren bis zur Sanierung des Gebäudes durch einen rechteckigen Türrahmen halb verdeckt, der nach oben bis zu den beiden über der Tür befindlichen Längsbalken der Erdgeschoßdecke reichte. Medding und Thomas war diese Inschrift vielleicht unbekannt. Zu welchen Wörtern die Fragmente "EIHCR" und "CRAT" gehören könnten, ist derzeit nicht ersichtlich. "EIHCR" ist möglicherweise der Rest eines verwitterten "SEINER". Samuel Waldecks Frau hieß Anna Maria. [3] Die Inschrift könnte vielleicht gelautet haben:

SAMUEL WALDECK HAT MIT SEINER
CRAT... EHELICHEN FRAU ANA
DIS HAUS GEBAUET ANNO 1667

Es ist hier allerdings nicht bekannt, ob der Türsturz mit der Inschrift ursprünglich zu dem Haus gehört. Im 20. Jahrhundert sind bei einigen Altstadthäusern die Hauseingänge, Türrahmen und Türen neu gestaltet worden, z.T. unter Verwendung von Materialien aus anderen, abgerissenen Häusern (vgl. auch Stechbahn 8).

Samuel Waldeck(er) (* 18.09.1636; † 30.10.1714), war der Sohn des Otto Henrich Waldecker und Ururenkel des Bischofs von Münster und Osnabrück, Graf Franz I. von Waldeck. Er hatte seit 1660 die Bürgerrechte inne, war Ratsmitglied in den Jahren 1671 und 1672, Pfennigmeister in den Jahren 1681 und 1683, Unterbürgermeister 1686, 1688, 1690 und 1692 sowie Oberbürgermeister im Jahr 1693. [4]

2. Mit Samuel Waldecks Tod ging das Eigentum im Jahr 1714 auf dessen Sohn Henricus Waldeck(er) über (~ 07.08.1670; begr. 22.06.1744). Er war unverheiratet und wird als cand. theol. bezeichnet. Mit ihm starb diese Linie der Familie Waldeck im Mannesstamm in Korbach aus. Weibliche Nachkommen haben die Linie jedoch bis heute weitergeführt (siehe Catharina von Waldeck, Catharina Waldeck, Anna Elisabeth Waldecker). Ferner haben sich andere Nachkommenlinien des Franz von Waldeck in Korbach niedergelassen.

3. 1744 ist der Kaufmann Johann Georg Friedrich Rautzenberg (~ 13.08.1719; † 08.12.1748) als neuer Eigentümer verzeichnet. Er war seit dem 20. Februar 1743 mit der Großnichte des vorgenannten Henricus Waldecker, Margarethe Henriette Salgo (~ 21.10.1721; † 03.09.1791), verheiratet, Tochter des Landchirurgen Johann Ulrich Salgo und dessen erster Ehefrau, Anna Maria Esau, Nichte des Henricus Waldecker. Rautzenberg war der Sohn des Bürgermeisters Johann Georg Rautzenberg und der Anna Erich Friesleben, verwitwete Mergart.

4. Im Jahr 1753 erwarb Johann Adam Georg Range (~ 01.04.1701; † 04.05.1753) das Grundstück. Er war Lehrer am Gymnasium und Sohn des Pfennigmeisters Franz Range (Stechbahn 30a) und der Anna Erich Haxthausen. Range war mit der Schwester der Margarethe Henriette Salgo (Nr. 3), Anna Catharina Salgo (~ 10.06.1717), verheiratet und übernahm das Haus von seinem Schwager Johann Rautzenberg (Nr. 3). Kurz nach dem Erwerb des Hauses starb Range.

5. Nur zwei Jahre später wurde das Gebäude weiterveräußert und in zwei Eigentumshälften aufgeteilt. Die eine Eigentumshälfte erwarb der Silber- und Goldschmied Johann Jakob Happel (* um 1733, Geburtsort unbekannt; † 06.01.1799 im Hospital), Bürger seit 1755. Er war in erster Ehe verheiratet mit Maria Elisabeth Wippermann (~ 14.06.1714; † 21.12.1787), Tochter des Conrad Wippermann aus Landau. Am 23. Oktober 1789 ging er eine zweite Ehe mit Johanna Catharina Friederike Gernand ein (~ 25.05.1749; † 10.02.1818 im Hospital), Tochter des Maurermeisters Johann Georg Gernand in Korbach.

Die zweite Eigentumshälfte kaufte Johann Nicolaus Christ (* um 1703 in Gillersdorf/Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen; † 26.04.1772 in Korbach). Über ihn heißt es im Altstädter Kirchenbuch: "Christ, Johann Nicolaus, ein Thüringer, welcher sich hier als Bürger und Kaufmann niedergelassen, einen frommen Wandel geführet und nach vieler Leibesschwachheit endlich seelig verstorben ist." Er war verheiratet mit Catharina Elisabeth Amerika aus Ottlar (* um 1710 in Ottlar; † 27.11.1770), wie ihr Mann Bürgerin seit 1755.

6. Im Jahr 1792 erwarb der Kaufmann und Stadtfähnrich Karl Ludwig Neumeier (* 22.02.1768 in Adorf; † 01.04.1809) das ungeteilte Eigentum an dem ganzen Haus. Er war der Sohn des Pfarrers Anton Henrich Neumeier in Adorf und der Christine Eleonore Waldschmidt. Am 25. Mai 1792 heiratete er Louise Friederike Engelhardt (* 10.04.1775 in Külte; † 12.09.1816), Tochter des Fabrikinspektors Johann Georg Engelhard und der Sophie Amalie Budde. Sie wohnte nach dem Todes ihres Mannes zur Miete bei dem Metzger Carl Josias Friedrich Neumann (Rathausgasse 4), wo sie auch starb.

7. Das Eigentum an dem Haus ging 1810 auf den Bäckermeister Henrich Wilhelm Hofmann (~ 25.06.1777; † 29.05.1838) über. Er war der Sohn des Lichterziehers und Seifenmachers Johann Gerhard Hofmann und der Maria Catharina Blume. Hofmann ist in den Jahren 1801 und 1807 als Dechant und im Jahr 1811 als Schützenkönig erwähnt. Am 20. April 1806 ging er die Ehe mit Christiane Elisbeth Diezel (* 26.03.1787 in Berich; † 04.04.1844) ein, Tochter des Erbmeisers zu Berich, Georg Friedrich Diezel.

8. Der Bäckermeister Georg Friedrich Hofmann (* 22.05.1809; † 15.08.1871), Sohn von Nr. 7, wurde im Wege der Erbfolge im Jahr 1843 als neuer Besitzer eingetragen. Er war seit dem 5. Juni 1843 verheiratet mit Susanne Marie Elisabeth Wacker (* 21.08.1810; † 26.10.1868), Tochter des Bäckermeisters Johann Justus Wacker und der Maria Wilhelmine Christine Limpert.

Der Haupteingang nach der Sanierung von 1995.
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9. Im Jahr 1866 wurde, im Alter von erst 13 Jahren, Heinrich Schwalenstöcker (* 23.12.1853; † 18.01.1914), [5] Schwager von Nr. 8, als neuer Eigentümer eingetragen. Im gleichen Jahr wurde er auch Eigentümer seines Elternhauses Katthagen 13. Schwalenstöcker war der Sohn des Friedrich Christian Ludwig Schwalenstöcker (1805-1848) und der Sybille Josepha Neuhaus (1808-1875), Tochter des Goldarbeiters Joseph Neuhaus in Hattingen. Am 30. September 1877 heiratete er Louise Christiane Wilhelmine Bertha Limperg (* 23.12.1838; † 10.05.1907), Tochter des Bäckermeisters Carl Friedrich Gottfried Limperg und der Johanne Christiane Elisabeth Köhler. Sie war in erster Ehe verheiratet mit Johann Henrich Christian Salm (1805-1875). Schwalenstöcker war Buchbinder, später auch Landwirt und Kalkofenbesitzer, mehrfach Mitglied des Gemeinderats.

9. Schon 11 Jahre später, 1877, veräußerte Schwalenstöcker das Gebäude an seinen Schwager, den Kaufmann Maximilian Ludwig Neuhaus (* 09.10.1830 in Hattingen; † 06.05.1890), Sohn des Goldarbeiters Peter Aloys Josef Neuhaus und der Gertrud Schomacker. Er hatte am 23.06.1865 Schwalenstöckers Schwester Sofie Caroline Luise (* 30.07.1842; † 09.11.1867) geheiratet. Am 12.02.1873 war Neuhaus eine zweite Ehe mit Josephine Kamp (* 16.07.1838 in Medebach; † 23.06.1919) eingegangen, Tochter des Gastwirts und Bäckermeisters Franz Kamp und der Anna Friederica Ricken, beide aus Medebach. Neuhaus richtete in dem Haus ein Colonial- und Schuhwarengeschäft ein.

10. Im Jahr 1896 erwarb der jüdische Handelsmann Schafti Kohlhagen (* 19.06.1866; † 18.01.1935) das Anwesen von Neuhaus' Erben für 12.000 Mark. Er war der Sohn des Michael Kohlhagen (Stechbahn 11) und der Bertha Katzentein, beide aus Höringhausen. [6] Er war verheiratet mit Fanny Appel (* 11.10.1876 in Borken), Tochter der Laser Appel II († 24.01.1926) und der Betti Reuter († 12.01.1934), die im Oktober 1937 nach New York emigrierte. Mit seiner Frau hatte Kohlhagen zwei Söhne, Manfred Kohlhagen (* 28.05.1902; † 19.12.1973 in New York) und Siegfried Kohlhagen (* 07.05.1905; † 02.02.1988 in New York). Kohlhagen eröffnete am 16. Oktober 1909 in dem Haus erneut ein Schuhgeschäft. 1934 zog auch der jüdische Lehrer Louis Meyer (1880-1967) mit seiner Familie in das Haus ein. [7] Nach Repressalien und Verhaftungen flüchtete die Familie 1937 zunächst nach Frankfurt/Main, im Juni 1939 sodann nach Palästina und in die USA.

11. Im Jahr 1937 kaufte Alfred Völker (siehe Stechbahn 14) das Haus von der zur Auswanderung gezwungenen Familie Kohlhagen. Er führte das Schuhgeschäft fort. Der Sohn des Alfred Völker betrieb in dem Gebäude eine Hähnchenbraterei, nachdem das Schuhgeschäft seines Vaters in das Haus Stechbahn 14 verlegt worden war. Zudem richtete der aus dem Sudetenland vertriebene und aus Erfurt nach Korbach übergesiedelte Friseurmeister Alfred Krusche in dem Haus einen Friseursalon ein, der 1959 in die Flechtdorfer Straße verlegt wurde. [8] Schließlich war im Erdgeschoß bis in die frühen 1980er Jahre ein Geschäft für Molkereiprodukte (Könne) untergebracht. [9]

12. In den 1990er Jahre erwarb ein aus dem Schwalm-Eder-Kreis stammender Wiesbadener Bürger das Haus und ließ es gründlich renovieren. Der ehemalige Lehrer und Abgeordnete des Hessischen Landtags erhielt vom Korbacher Heimatmuseum als Dauerleihgabe eine historische Haustür, die in den Haupteingang an der Stechbahn eingebaut wurde. [10]

Erscheinungsbild

Das Brandkassenregister von 1784 enthält unter Nr. 149 folgende Informationen über das Gebäude:

"Wohnhaus, 47 x 34 Fuß, Brandkassenwert 250 Taler". [11]

Im Jahr 1939 Jahre wurde das Gebäude wie folgt beschrieben: [12]

"Wohnhaus. Dreigeschossig, Fachwerk. Obergeschoß und zwei Giebelgeschosse vorgekragt. Quergebälkprofil Kehle und Wulst. 9 x 11 Gefache. Satteldach mit Krüppelwalm in S-Pfannen mit Schiefereinfassung. Eck- und Türpfosten mit geschnitzten Ranken. Am unteren Quergebälk Inschrift in erhabener Kapitale: MISGONNER HABE ICH SO FIEL, DIE MIR DOCH NICHTES GEBEN, DOCH MÜSSEN SIE MIT IHREN SELBST AUGEN SEHEN, DAS ICH LEBE. GOTT MIT UNS ALLEN".

Die Inschrift ist wortgleich wiedergegeben bei THOMAS, Häuserbuch 10. [13] Die heutige Inschrift lautet indessen: MISGÖNNER HABE ICH SO FIEL DIE MIR DOCH NICHTS GEBEN DOCH MÜSSEN SIE MIT IHREN SELBEN AUGEN SEHEN DAS ICH LEBE. GOTT MIT UNS ALLEN". Es ist hier nicht bekannt, ob die Inschrift bei Medding und Thomas unrichtig wiedergegeben oder anläßlich der Sanierung leicht verändert worden ist.

Im Giebel, dort wo heute ein Fenster eingelassen ist, befand sich mindestens bis in die 1970er Jahre eine hölzerne Tür und darüber ein Flaschenzug zum Beladen des Dachgeschosses (vgl. das Foto oben rechts).

In den Jahren 1993-1995 wurde das Haus umfassend saniert. Das Ladengeschäft und die Schaufenster wurden entfernt und acht Wohneinheiten geschaffen. Auf jeder Dachseite wurden vier Dachgauben errichtet. Der Haupteingang befindet sich heute im angebauten Hinterhaus, zur Straße Tempel gelegen. Der Rundbogen des Türrahmens ist eine Neuschöpfung. Zuvor war ein rechteckiger Türrahmen eingebaut. Die Sanierung historischer Hauseingänge durch Einfügung von Rundbögen war bereits in den 1930er Jahren mehrfach durch den damaligen Stadtbaurat Wilhelm Schleicher praktiziert worden. [14]

Bilder

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Anmerkungen

[1] Wolfgang MEDDING (Bearb.) in: Friedrich BLEIBAUM (Hrsg.), Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Neue Folge, Dritter Band, Kreis des Eisenberges, Kassel 1939, S. 143.
[2] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 5, Stechebahn, Violinenstraße, Heumarkt, Am Steinhaus, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 67-69. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben bzw. begraben.
[3] THOMAS (wie Anm. 2).
[4] THOMAS (wie Anm. 2), S. 69.
[5] Diese und die folgenden Angaben zur Person aus: Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 6, Kirchplatz - Marktplatz - Enser Straße - Katthagen - Kleine Gasse, Stadarchiv Korbach (Hrsg.) 1960, S. 108 (Katthagen 13).
[6] Diese und die folgenden Angaben zur Person aus: Karl WILKE (Bearb.), Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Korbach, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1993, S. 120, 124.
[7] "Steinbombardement gegen das Haus des Lehrer", Nach der "Machtergreifung" vor 75 Jahren: Louis Meyer aus Korbach wird als Jude und Sozialdemokrat verfolgt, in: Mein Waldeck, Beilage der Waldeckischen Landeszeitung für Heimatfreunde, Nr. 3/2008 (09.02.2008). Online Abrufbar unter: Gedenkportal Korbach; vgl. auch WILKE (wie Anm. 6), S. 94.
[8] Jörg KLEINE, Die Kultfigur mit der Schere - 56 Jahre Friseur aus Leidenschaft: Der Korbacher Hans Krusche schließt den Salon mit Witz, in: Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 24. Dezember 2015, S. 8.
[9] Vgl. Horst KÖNIG, Korbach im Aufwind - Handel und Handwerk nach dem II. Weltkrieg, Korbach 2015, S. 12.
[10] Astrid RAU, Neue Tür für altes Haus - Ältestes Korbacher Fachwerkhaus erhielt Tür aus Beständen des Stadtmuseums, in: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, Ausgabe vom 29. Juli 2008.
[11] THOMAS (wie Anm. 2), S. 67.
[12] MEDDING (wie Anm. 1), S. 143.
[13] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 10, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.), Korbach 1964, S. 88.
[14] Vgl. Wilhelm HELLWIG, Schöne Hauseingänge in Alt-Korbach, in: Mein Waldeck, Beilage der 'Waldeckischen Landeszeitung' für Heimatfreunde, Nr. 10/1998.