Der sogenannte Roland von Korbach ist eine steinerne Statue, vermutlich aus dem 15. Jahrhundert, die als Symbol der mittelalterlichen Gerichtshoheit der Stadt gilt. Eine Nachbildung ist an der Nordwestecke des Korbacher Rathauses angebracht, das Original befindet sich im Rathaus. Eine weitere Nachbildung steht im Heimatmuseum. Die Identität der Figur war stets umstritten.
Die Figur ist aus rotem Sandstein gefertigt, 147 cm groß und stellt einen Ritter in Rüstung dar. Er trägt einen Eisenhelm mit aufgeschlagenem Visier, einen Plattenharnisch, Arm- und Beinschienen sowie rosettenartige Verzierungen am Brustpanzer in Achselhöhe. In der rechten behandschuhten Hand hält er eine aufrechtstehende, ihn nicht überragende Fahnenstange, deren Tuch um die Stange gewickelt ist, in der linken Hand an einem Riemen eine nach innen gebogene, geriefte Tartsche - ein kleiner viereckiger Schild -, die auf seinen linken Fuß gesetzt ist.[1] Eine Besonderheit des Helmes ist die geschlossene Barthaube, die sich nur bei einem weiteren Roland findet, dem Roland in Prenzlau (Uckermark).[2] Die Ritterfigur, die nur an ihrer Vorderseite ausgearbeitet ist, also auch ursprünglich nicht frei, sondern vor einer Hauswand, einer Säule oder einem Pfeiler gestanden hat, wurde auch am Rathaus mit dem Gebäude fest vermauert.[3] Das Aussehen von Rüstung und Schild soll auf eine Entstehungszeit der Figur um 1460-1470 hinweisen.[4]
1. Die Figur soll ursprünglich auf dem Altstädter Marktplatz vor der "Waage" (Marktplatz 5) gestanden haben. Spätestens seit dem Jahr 1619 befand sie sich am Südportal der Kilianskirche. Die Geschichte der Statue ist auch eine Geschichte über die Erforschung ihres Ursprungs und ihrer Bedeutung. Ihre Identifizierung als Roland und Symbol der Gerichtshoheit - oder gar städtischer Freiheit und Unabhängigkeit - war stets umstritten. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Forschung in Abrede gestellt, daß es sich bei der Figur um einen Roland handele,[5] die jüngere Forschung geht hingegen von einer "echten" Rolandsfigur aus.[6] Der wissenschaftliche Streit knüpft an eine Anfang des 17. Jahrhunderts geführte juristische Auseinandersetzung zwischen der Stadt Korbach und den Grafen von Waldeck über die Gerichtshoheit und andere rechtliche Kompetenzverteilungen innerhalb des Stadtgebietes an.[7]
2. Die älteste Nachricht über den Korbacher Roland findet sich in Wilhelm Dilichs "Hessischer Chronica" aus dem Jahr 1605: [8]
"Die heuptstadt deß lands aber ist Corbach ein sehr alte und mit besondern regalien begabte stadt / welche anfenglich von etlichen vom adel gebawet sein soll. Nach dem sich aber andere mehr gemeine leut herzu gefunden / und solcher gestalt die Stadt ergrössert / hat sie darauff obgedachte regalien und Freiheiten beneben dem biltnuß Rolandi von Keisern erlanget / und ist auch derozeit mit mehrertheils vom adel der Raht besetzt gewesen. Doch sint solche geschlecht von zeiten zu zeiten den grössern theil abgegangen.
Sintemal sie aber in widerwillen mit G. Heinrich dem Eisernen gerahten / ist derselb in anno 1366 Mertzmonats endtlich under der predigt ihrer mechtig worden / un sie zu einem vertrag un erlegung einer gewissen sum geldes gezwungen."
Der Satz steht nur in der zweiten, verbesserten Auflage von 1606. [9] Die Ausgaben von 1608 und später brachten den Text ein wenig gekürzt, indem die Stellen von den "obgedachten regalien und Freiheiten", "dem biltnuß Rolandi von Keisern erlanget" sowie den Adelsgeschlechtern, die einst im Rat gesessen hätten, fortgelassen sind.[10] MEDDING ist daher der Ansicht, diese Kürzung sei "zweifellos" von gräflicher Seite veranlaßt worden; der später (1615-1624) zum Ausbruch gekommene Streit zwischen der Stadt und den Grafen um Korbachs Unabhängigkeit habe bereits seine Schatten vorausgeworfen.[11] Diese Auffassung ist fraglich. Es dürfte nicht in der Macht der Waldecker Grafen gelegen haben, eine im Auftrag von Landgraf Moritz verfaßte und in Kassel erschienene Landeschronik zu zensieren, die sich ausdrücklich nicht auf die Landgrafschaft Hessen beschränkte, sondern, einem politischen Wunschbild des Landgrafen entsprechend, das gesamte "Hessenland" einschließlich stammverwandter anderer Herrschaften - wie eben auch die Grafschaft Waldeck - umfaßte.[12] Vielmehr wehrte sich Landgraf Moritz gegen Versuche der im Wetterauer Grafenverein vereinigten Grafen, eine gegen die vermeintlich großhessischen Tendenzen des Landgrafen in Auftrag gegebene Gegenschrift in Umlauf zu bringen, indem er fast die gesamte Auflage dieser von dem Heidelberger Historiker Marquard Freher (1565-1614) verfaßten Gegenschrift selbst aufkaufte und rasch eine dritte Auflage von Dilichs "Hessischer Chronica" in Auftrag gab.[13] Zudem hat Landgraf Moritz in dem später eskalierenden Streit zwischen den Waldecker Grafen und der Stadt Partei für Korbach ergriffen und marschierte am 13. November 1621 mit 8000 Reitern und Fußvolk in die Grafschaft Waldeck ein, um die Stadt zu befreien, welche am 9. November von Truppen der Waldecker Grafen besetzt und zu einem Verzicht auf ihre Rechte genötigt worden war.[14] Weshalb der Landgraf daher auf Bitten der Grafen von Waldeck eine Überarbeitung der Beschreibung Korbachs in der Hessischen Chronica verfügt haben sollte, ist nicht plausibel. Denkbar ist allerdings, daß der Landgraf als Oberlehensherr - in Kenntnis der Korbacher Unabhängigkeitsbestrebungen - selbst die Hinweise auf deren Reichsunmittelbarkeit aus der Chronik hat entfernen lassen. Denn das Ziel der Stadt, die Eigenständigkeit in Form der Reichsunmittelbarkeit, kollidierte mit den Interessen des Landgrafen, der die Stadt nicht gegen die waldeckische Landeshoheit unterstützte, sondern Korbach zu einer hessischen Landstadt machen wollte.[14a] Moritz hat seine Absichten mehrfach vernehmlich kundgetan, unter anderem in der Proposition für den im Dezember 1620 zu Kassel stattfindenden Landtag, wo er sich deutlich und klar zur Rechtsstellung der Grafen von Waldeck wie der Stadt Korbach äußerte und diese bezeichnete als "I[hro] F[ürstliche] G[naden] eigenthümbliche stadt", die die Grafen von Waldeck "mit allerhandt wiederrechtlichen tranngsalen belestigen".[14b] Landgraf Moritz wollte die Stadt durch sein Eingreifen mithin nicht in ihren Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützen, sondern sie seiner eigenen Herrschaft unterwerfen.
Es ist nicht anzunehmen, daß Dilichs Ausführungen über die angeblichen Freiheiten der Stadt und ihren Roland auf eigenen Studien beruhen und seinerzeit urkundlich oder literarisch belegt waren. Wahrscheinlicher ist, daß Dilich im Rahmen der Recherchen für sein Werk Korbach besucht oder Berichte zur Stadtgeschichte aus Korbach angefordert hat und die Stadt die geplante Veröffentlichung als willkommene Gelegenheit genutzt hat, um ihre vermeintlichen Ansprüche in einem "offiziellen" Werk zur Landesgeschichte in ihrem Sinne publiziert zu sehen,[15] nachdem der Streit mit der gräflich-waldeckischen Landesherrschaft schon seit dem Ende des 16. Jahrhunderts schwelte. Schon am 25. und 26. Oktober 1577 verhandelten auf Betreiben des Grafen Josias I. in Nieder-Ense Dr. Copius als Vertreter der gräflichen Seite und der Wildunger Bürgermeister als Vertreter der Landstände über die von der Stadt Korbach angezweifelte Oberhoheit des Hauses Waldeck.[15a] Zu Anfang der Tagung wurde das Befremden des Grafen Josias durch dessen Beamten Copius zum Ausdruck gebracht, daß von der größten waldeckischen Stadt überhaupt in Zweifel gezogen werde, daß sie "in landtsobrigkeit gelegen". Nachdem die Korbacher ihre Rechtsposition dargelegt hatten, ließ der Graf umißverständlich mitteilen, daß er nicht gewillt sein, sich in Diskussionen darüber einzulassen, ob Korbach waldeckischer Landeshoheit unterliege.[15b] Trotz eines 1578 bei Gelegenheit der städtischen Huldigung übergebenen Memorials der Stadt Korbach, in dem darum gebeten wird, "das man bei altherprachter freiheitt und gerechtigkeitt gelassen werden möge", blieb es fortan ruhig zwischen der Stadt und dem Grafenhause.[15c] Erst 1588 brachen die Differenzen erneut auf, als sich die politische Führung der Stadt nach der Gefangennahme zweier Korbacher Bürger bei Landgraf Wilhelm beschwerte, Graf Josias habe nicht weniger als Landfriedensbruch begangen.[15d] Mit Schreiben vom 16. Juli 1588 sah sich Graf Josias I. veranlaßt, dem Landgrafen Wilhelm von Hessen zu berichten, seine Korbacher Untertanen seien "frevelmütig" und "rebellisch", trotzig und hochmütig. Josias versicherte dem Landgrafen, die Korbacher seien nicht reichsunmittelbar, sondern seine Untertanen. [16] Diese Frage hat mithin bereits vor der Eskalation des Streits (1615-1624) eine Rolle gespielt. Die Stadt berief sich zur Untermauerung ihrer Behauptung, sie sei einst reichsunmittelbar bzw. eine freie Stadt gewesen u.a. auf ein Schreiben Kaiser Maximilians I. vom 13. Februar 1507, in dem dieser Korbach auffordere, das "Jubiläumsgeld", d.h. das während der Ablaßkampagne im Jahr 1500 eingesammelte Geld, an ihn auszuzahlen und der Stadt mit dem Entzug ihrer Freiheiten drohe, sollte sie sich weigern. In dem Schreiben soll es heißen: [16a]
"Demnach gebieten wir Euch/von Römischer Königlicher Macht/bey Privirung und Entsetzung aller ewer Freyheiten/und Gnaden/so ihr von uns und dem H. Reiche haben/ernstlich mit diesem Brieff/ [...]"
Ob das Schreiben echt ist und hier zutreffendenfalls Freiheiten im Sinne einer Freien Stadt oder einer Reichsunmittelbarkeit gemeint waren, ist indes zweifelhaft. [16b]
3. Der Magister Stephan Ritter, Rektor des Korbacher Gymnasiums, führte in seiner 1619 erschienenen Schrift "Cosmographia prosometrica" aus: [17]
"[templum] S. Kiliani in urbe veteri ... portam ... obtinens, quae forum respicit, sculptilibus eleganter exornatam, inter quae etiam est statua Rolandi istum in locum e foro translata."
(Die Kirche St. Kilian in der Altstadt besitzt ein Portal, das nach dem Markplatz gerichtet und geschmackvoll mit Skulpturen geschmückt ist, unter welchen auch die Rolandsstatue ist, die vom Marktplatz an diesen Ort versetzt wurde.)
Auch diese Darstellung dürfte jedoch vor dem Hintergrund der Streitigkeiten zwischen der Stadt und der Grafschaft zu sehen sein, zumal mangels Quellenangabe nicht ersichtlich ist, ob der Autor Zeuge des Vorgangs war, er auf eine schriftliche Überlieferung zurückgreifen konnte oder ob er lediglich vom Hörensagen berichtet. [18] Zudem wurde Stephan Ritter vorgeworfen, er habe die Korbacher gegen den Grafen aufgehetzt, wogegen er sich in einem Schreiben an den Grafen Christian von Waldeck-Wildungen vom 9. November 1621 verwahrte.[19] Daß die von RITTER beschriebene Statue identisch ist mit der heute am Rathaus angebrachten Figur, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht belegt.
4. Am 30. Oktober 1619 reichte die Stadt Korbach beim Reichskammergericht wegen der Erhebung neuer Steuern Klage gegen die Grafen von Waldeck ein. Während des Rechtsstreits berief sich die Stadt zum Beweis dafür, daß sie bis zum Jahr 1366 frei gewesen sei und damals erst durch den Überfall des Grafen Heinrich des Eisernen ihre Unabhängigkeit verloren habe, u.a. auf die Erzählung alter Leute, wonach Korbach ehedem einen Roland besessen habe. [20] In der von dem Anwalt der Stadt, Dr. iur. Johann Philipp Hirter, unterzeichneten Klageschrift heißt es: [21]
"6. So hat die Stadt auch noch einen Rulandt Signum scilicet liberae civitatis imperialis [als Zeichen einer freien kaiserlichen Bürgerschaft]. Und ob sie wohl nach Herrn Henrici Ferrei einfall demselben schwören müssen, sich ahn keine andere Herren zu verwenden, welches auch pro
7. ein genugsame anzeich ist, daß sie vorhin dem Herren nit zugehörich, oder unterworfen gewesen, dan sonsten würden sie solche Verpflichtung nit begert haben, so sein sie doch nachgehents solches Eits wiederumb von selben erlassen, und ihre freie macht wiedergieben, sich ahn andere zu verwenden." [22]
In seiner Klageerwiderung vom 16. Juni 1620 tat der waldeckische Kanzler Zacharias Viëtor diese Behauptung mit der Bemerkung ab: [23]
"Denn alldieweil sie dessen nit ein eintzigen Schein oder Buchstaben auff so [...] vielfältig Anhalten jemahl vorzeigen können / nur was alte Weiber von einem unsichtbarn und in Ewigkeit unerfindlichen Roland etwa getraumet haben / läst man sie da sie gut vor seyn / nemlich vor gehuldigte pur lautere Waldeckische Unterthanen bleiben."
An anderer Stelle der gleichen "Gräfflich Waldeckischen Ehrenrettung", die als eine Streitschrift für eine Schadensersatzklage gegen die Landgrafen Moritz und Wilhelm von Hessen wegen ihres 1622/23 erfolgten Überfalls auf Waldeck und der Lehnsansprüche, die diese erhoben, für das Reichskammergericht verfaßt worden war, [24] heißt es bezüglich der Stadt Korbach noch einmal: [25]
"Auß welchem erstlich folget / sind sie im Jahr 1188. erbawet / daß es derowegen ein alt Weiber Gedicht ist / als solten sie ihre ertraumbte Freyheit von Rolando gehabt / und zu dessen Anzeig einen steinern Roland, oder Rolandi Bild / alldar gewesen seyn:"
MEDDING sieht in der Klageschrift und der Klageerwiderung von 1619/20 sowie dem Hinweis des Gymnasialrektors Stephan Ritter aus dem Jahr 1619 den Beweis, daß Korbach einen Roland gehabt haben müsse und dieser Roland der Ritterfigur entspreche, die bis 1937 am Südportal der Kilianskirche gestanden hat. MEDDING führt aus:[26]
"Die Äußerungen machen es im Zusammenhang mit einem weiteren aus dem Jahre 1619 stammenden Zeugnis über den Korbacher Roland offenbar, welches der Grund zu der Entfernung des Roland vom Altstädter Marktplatz und seine Übertragung an das Kirchenportal gewesen ist und zu welcher Zeit diese Übertragung erfolgt sein muß. Es war die unmittelbare Antwort der Grafen auf die Klageschrift der Stadt Corbach vom 30. Oktober 1619, in der diese sich auf ihren Roland berufen hatte, denn nur die Grafen konnten ein Interesse an seiner Entfernung haben. Nur so konnte der gräfliche Vertreter ein Jahr später vor dem Reichskammergericht in seiner Antwortschrift das Vorhandensein eines Roland ableugnen. Oder sollte die Stadt selbst ihn, um ihn vor der Zerstörung durch die Grafen zu bewahren, an so hohe Stelle in den Schutz der Kirche verbracht haben? Wie dem auch sei - beides ist möglich - auch im zweiten Fall konnte die gräfliche Partei die Entfernung der Figur zu ihren Gunsten ausnutzen und das Vorhandensein eines Rolands bestreiten."
Diese Folgerung ist jedoch nicht frei von Widersprüchen. Stephan Ritter hat seine Schrift bereits 1619 in Druck gegeben und ausgeführt, daß die Rolandstatue zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Zeilen schon vom Marktplatz an das Südportal der Kilianskirche umgesetzt gewesen sei. Wie lange die Statue bereits dort stand, ob seit Monaten, Jahren oder Jahrzehnten, teilt er nicht mit. Das Vorwort zu seinem Werk hat er am 14. März 1619 verfaßt ("pridie Idus Martii"). Die Entfernung des Roland vom Marktplatz kann somit - entgegen MEDDING - keine Reaktion der Grafen auf die Klageschrift der Stadt vom 30. Oktober 1619 gewesen sein, zumal es zumeist Wochen oder gar Monate dauerte, bis ein Schriftstück beim Reichskammergericht per Boten einging und der Gegenpartei, ebenfalls mittels Boten, zugestellt werden konnte - woraus sich die späte Klageerwiderung vom 16. Juni 1620 erklärt. Es ist daher gleichermaßen unwahrscheinlich, daß die Figur auf Veranlassung der Grafen entfernt oder von den Korbachern vorbeugend "versteckt" worden ist. In beiden Fällen wäre nicht plausibel, weshalb sie vom Marktplatz zu dem nicht weniger auffälligen und nur einige Meter entfernt gelegenen Standort am Südportal der Kilianskirche verbracht worden sein sollte, statt sie zu vernichten, zu verstecken oder ganz aus der Stadt zu entfernen. Die nach der Reformation nunmehr evangelische Kilianskirche bot sicher auch keinen "kirchlichen Schutz" gegen etwaige Übergriffe des Grafen, wie MEDDING meint, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb die Kirche sich darauf eingelassen haben sollte, auf diese Weise in den Konflikt hineingezogen zu werden. Es ist ferner nicht anzunehmen, daß der Rektor Stephan Ritter seine Schrift auf die sich in Vorbereitung befindende Klage der Stadt abgestimmt hat. Denn es ergäbe wenig Sinn, wenn die Korbacher sich einerseits stolz eines Rolands berühmten, andererseits diese Figur verschämt versteckt hielten und ihren Standort in der Klage nicht bezeichneten - was der Prozeßbevollmächtigte der Grafen in seiner Klageerwiderung zu Recht beanstandet hat ("Denn alldieweil sie dessen nit ein eintzigen Schein oder Buchstaben auff so [...] vielfältig Anhalten jemahl vorzeigen können."). Hätte die Stadt damals wirklich über eine ihr bekannte Rolandsfigur verfügt, hätte sie deren Standort ohne weiteres bezeichnen und eine grafische Darstellung der Figur mit der Klage einreichen können, statt sich auf das schwache Argument angeblicher Berichte alter Leute zu stützen. Das vor den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und des Stadtbrandes von 1664 wahrscheinlich noch reichhaltiger bestückte Stadtarchiv [27] hätte vermutlich über Schriftquellen zu einem etwaigen Roland sowie dessen Errichtung und Bedeutung verfügt haben müssen, zumal dieser - die Richtigkeit der Datierung Meddings unterstellt - zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit den Grafen erst rund 150 Jahre alt gewesen wäre. Der Vertreter der Waldecker Grafen mußte die Korbacher Verhältnisse kennen: Kanzler Zacharias Viëtor stammte selbst aus Korbach [28] und hätte wahrscheinlich die ihm persönlich und einer weiten Öffentlichkeit in Stadt und Land bekannte Tatsache der Existenz einer Rolandstatue am Altstädter Markt in Korbach nicht wider besseres Wissen gegenüber dem Reichskammergericht in Abrede stellen können. Um so verwunderlicher erscheint die Weigerung der Stadt, den angeblichen Roland in der Klageschrift genau zu bezeichnen und seine Existenz durch entsprechende Beweisangebote (Zeugenaussagen, Ortsbesichtigung, Urkunden) zu belegen. Statt die naheliegende Prozeßstrategie zu wählen, dem Reichskammergericht eine Beweisaufnahme vor Ort durch Besichtigung des angeblichen Rolands anzubieten oder zeugenschaftliche Erklärungen der Ratsmitglieder, eines Notars, des Stadtrichters, etc., über dessen Existenz und Standort beizufügen, beschränkte sich die Stadt offenbar darauf, Gerüchte und Urkunden zu präsentieren, die bestenfalls mittelbare Indizien für das Vorhandensein eines Rolands sein konnten. Es gibt zudem weder einen Anhaltspunkt dafür, daß die Waldecker Grafen um 1620 die Macht hatten, den Korbachern ihren Roland mit Gewalt wegzunehmen, noch wird die Stadt aus Furcht vor einer solchen Maßnahme den Roland selbst entfernt haben. Denn Ausgangspunkt der Auseinandersetzung war gerade die Auflehnung gegen die Landesherrschaft im Hinblick auf eine vermeintliche Reichsunmittelbarkeit der Stadt. Noch im November 1621 wollte es die Stadt auf eine offene militärische Auseinandersetzung ankommen lassen, indem sie als Reaktion auf ein heranrückendes gräfliches Heer von 400 Kämpfern die stark befestigten Türme und Mauern der Stadt mit Männern und Geschützen besetzen ließ, um den drohenden Angriff abzuwehren, wofür ihr, gemessen an der Größe der Stadt, ein erhebliches Arsenal an schweren Waffen zur Verfügung stand.[29]
5. Der waldeckische Geheime Rat Johann Sigismund Pappus (vgl. Katthagen 13) berichtet in seinen handschriftlichen Collektaneen zur Waldeckischen Geschichte aufgrund von eingehenden, zwischen 1617 und 1623 im Waldecker Archiv geführten Studien, Graf Heinrich der Eiserne habe anläßlich seines Überfalls auf die Stadt am 10. März 1366 den Korbachern ihren Roland entführt. [30] Worauf sich diese Nachricht stützt, ist nicht ersichtlich; vielleicht liegt eine Verwechslung mit den späteren Ereignissen vor. [31]
6. Einer Familienüberlieferung zufolge habe ein Vorfahre 1624 mit veranlaßt, daß die Figur vom Altstädter Marktbrunnen an die Kirche verbracht und dort hochgezogen worden sei. [32] Diese Nachricht steht jedoch im Widerspruch zu der Bemerkung des Rektors Stephan Ritter, wonach die Figur schon 1619 am Portal die Kilianskirche gestanden habe.
7. Konrad Samuel Schurtzfleisch, der gebürtig aus Korbach stammte (Professor-Kümmell-Straße 5) und schon als junger Mann ebenfalls Rektor des dortigen Gymnasiums war, bestreitet in seiner 1681 (?) abgefaßten Schrift "Analecta Diplomatica ad Historiam waldeccensem", daß die Stadt jemals eine Rolandsstatue besessen habe.[33]
8. Kein eigener Nachrichtenwert kommt einer Mitteilung des waldeckischen Kanzlers Friedrich August von Klettenberg aus dem Jahr 1713 zu, wonach Korbach eine "vor Zeiten mit vielen Regalien Hochbegabte Freystadt" gewesen sei, die ihre Regalien und Freiheiten "dergestalt bekommen, daß sie auch das Bildnuß Rolandi von denen Kaysern erhalten" habe. [34] Denn Klettenberg zitiert insoweit ausdrücklich die "Hessische Chronica" von Dilich. [35] Klettenbergs später verfaßtes umfangreicheres Manuskript des "Waldeckischen Helden- und Regentensaals" aus dem Jahr 1738 soll jedoch den ergänzenden Hinweis enthalten, daß sein Vorgänger Viëtor diese Berichte für "ein erträumtes altes Weibergedicht" gehalten habe. [36]
9. Im Jahr 1785 schreibt der waldeckische Geschichtsforscher Johann Adolph Theodor Ludwig Varnhagen in seinen unveröffentlichten Manuskripten: [37]
"Daß also in Korbach eine Rolandsäule gestanden habe, kann man nicht leugnen, indem sie noch jetzt daselbst befindlich ist. [...] Ehemals hat der Roland auf dem Markt in der Altstadt gestanden, ist aber nachmals über die Mittags-Pforte der Altstädter Kirche gesetzt worden, wo er noch zu sehen ist, und zwar zu oberst, mit einem eisernen Helm auf dem Kopf."
MEDDING sieht hierin einen weiteren Beweis für die Existenz des Rolands. Auch dieser Nachricht dürfte ein eigener Quellenwert jedoch nicht zukommen, da sich Varnhagen ersichtlich auf die Überlieferung von Stephan Ritter bezieht.
Im Juli 1819 ergänzt Varnhagen: [38]
"Oben schließt das Portal in eine Spitze, auf welcher das Rolandsbild oder die Rolandsseule zu sehen ist, die in früheren Zeiten auf dem Marktplatze gestanden haben und hierher versetzt seyn soll. Roland hat einen eisernen Helm auf dem Kopf."
Demzufolge stand die Figur innerhalb des Portals nicht ursprünglich in dem rechten Strebepfeiler in der dritten Konsolenreihe, wo sie sich spätestens ab 1843 befand (vgl. u. Ziff. 10), sondern auf der Spitze des Portals, wo sich heute eine Büste befindet, die offenbar einen Baumeister darstellen soll: ein Mann mit einer Kappe, die rechte Wange in die rechte Hand gestützt, in der Linken eine Art Winkelmesser (?) haltend. [38a] Hierin läge eine Erklärung, weshalb sie als Sandsteinfigur unter den Kalksteinfiguren des Portals früher vielleicht nichts als Fremdkörper aufgefallen ist. [39] Die Vermutung, der "Roland" sei während der Restaurierungsarbeiten der Jahre 1836-43 von der Portalspitze in den rechten Strebepfeiler versetzt worden, [40] ist ebenfalls zweifelhaft. Denn schon auf einer in das Jahr 1830 datierten Zeichnung des Südportals von Wilhelm Cäsar findet sich der Roland in der dritten Konsolenreihe des rechten Strebepfeilers. [40a] Ebenso auf einer 1856 veröffentlichten Zeichnung des Südportals (siehe unten, Bildergalerie). [40b]
10. In einer Abhandlung über die Kilianskirche aus dem Jahr 1843 wird in der Figur der heilige Maritius vermutet. [41] Den Autoren war das Gerücht, es handele sich um eine Rolandsfigur, offenbar nicht bekannt. Auch August ORTH, der in Lengefeld aufgewachsen ist und in Korbach das Gymnasium besucht hat, war die Bedeutung der Figur nicht bekannt. Er bezeichnet sie im Jahr 1856 lediglich als "eiserner Ritter mit Schild und Lanze". [41a]
Im Ergebnis stammen alle schriftlichen Hinweise auf einen Korbacher Roland aus der Zeit der Auseinandersetzung mit der Landesherrschaft Anfang des 17. Jahrhunderts, so daß der Eindruck entstehen kann, die Stadt habe die Ritterfigur nur deshalb zum Roland erhoben, um ihre Rechtsauffassung zu untermauern.
11. Die Annahme, es handele sich tatsächlich um einen "echten" Roland, geht maßgeblich auf die entsprechenden Publikationen von MEDDING aus den 1930er Jahren zurück, ohne daß die jüngere Forschung weitere eigene Beiträge zur Stützung dieser These liefern konnte. [42] Offenbar fiel die Entscheidung, die im Südportal der Kilianskirche stehende Ritterfigur als Roland anzuerkennen und an das Rathaus zu versetzen, allein aufgrund der Publikationen MEDDINGs in den Jahren 1936/37. [43] MEDDING gilt seit mehr als 60 Jahren als unangefochtene Autorität der Korbacher Stadtgeschichte und "Wiederentdecker" des Rolands. [44] Ungeachtet seiner unbestrittenen Verdienste, die er sich um die Erfoschung der Stadtgeschichte erworben hat, ist seine Rolle bei der "Wiederentdeckung" des Rolands kritisch zu betrachten. MEDDING nahm für sich in Anspruch, derjenige gewesen zu sein, der den "Beweis" dafür erbracht habe, daß die am Südportal der Kilianskirche "wiederentdeckte" Figur der Korbacher Roland sei (wie Anm. 4, S. 16). In seinen späteren Arbeiten beruft er sich selbstreferenziell auf diese seine vermeintliche "Beweisführung" (wie Anm. 3, S. 17; wie Anm. 1, S. 59: "... bis es gelang, auf Grund einwandfreier alter Zeugnisse und Dokumente, in ihm den alten Roland der Stadt nachzuweisen ..."). Tatsächlich hat MEDDING zum Forschungsstand keine neuen tatsächlichen Erkenntnisse beigetragen, sondern vollständig auf die bereits 35 Jahre zuvor von LEISS (wie Anm. 1) zusammengetragenen Quellen zurückgegriffen. MEDDING hat die Quellenlage - ohne nähere Begründung - lediglich anders bewertet ("Diese Zeugnisse dürften genügen um zu erweisen, daß die Stadt Korbach ehemals einen Roland besessen hat und daß die ehemalige Rolandstatue auf dem Altstädter Marktplatz mit der am Portal der Kilianskirche befindlichen Figur identisch ist.", wie Anm. 4, S. 18) und gelangte im Gegensatz zu LEISS und anderen damaligen Autoren zu der Auffassung, bei der Figur müsse es sich um einen Roland handeln. Diese abweichende Bewertung bereits bekannter Tatsachen als "Beweisführung" zu bezeichnen und sich ihrer zu berühmen, erscheint wissenschaftlich fragwürdig, zumal MEDDING die ihm aus dem Beitrag von LEISS (wie Anm. 1) bekannte, aber seiner "Beweisführung" entgegenstehende Auffassung des Zeitzeugen Schurzfleisch (oben Ziff. 7) "unterschlägt" und nicht auf sie eingeht.
Der zum Zeitpunkt seiner maßgeblichen Veröffentlichungen etwa 37-jährige MEDDING (1900-1968) ist in den folgenden Jahrzehnten nicht wieder von seiner Meinung abgerückt, hat sich in seiner 1955 erschienenen Stadtgeschichte (wie Anm. 1) aber auffallend kurz mit seiner "Entdeckung", dem vermeintlichen Roland, beschäftigt (S. 59). Eine Revision seiner früheren Auffassung wäre dem Historiker selbst im Falle anderer Einsicht ohne Gesichtsverlust kaum möglich gewesen, nachdem er die Stadt zeitnah zu seinen Publikationen (1936/37) zur Anerkennung der Figur als Roland und dessen Anbringung am Rathaus (14. November 1937) hatte veranlassen können. MEDDING bezeichnet zwar dem damaligen Bürgermeister Dr. Paul Zimmermann als Initiator der Maßnahme. [45] Ohne MEDDINGs Fürsprache hätte sich die Stadt zu diesem Schritt aber sicher nicht veranlaßt gesehen, nachdem MEDDINGs Vorgänger, Prof. Dr. Albert Leiß (1852-1929), sich noch 1902 und 1926 nachdrücklich gegen die Rolandseigenschaft der Figur ausgesprochen hatte (wie Anm. 1 und 14). Weshalb sich die Stadt nur acht Jahre nach dem Tod ihres verdienten Stadthistorikers und Ehrenbürgers Albert Leiß von einem damals relativ jungen und mit der Stadtgeschichte noch wenig vertrauten Historiker hat überzeugen lassen, daß Leiß' Ansichten über die vermeintliche Rolandfigur falsch seien und auf MEDDINGs Initiative hin binnen weniger Monate neue Fakten geschaffen wurden, ist nicht recht nachvollziehbar.
Der geringe zeitliche Abstand zwischen MEDDINGs Veröffentlichungen und der Aufstellung der Figur am Rathaus könnte dafür sprechen, daß hier beruflicher Eifer und lokalpatriotischer Überschwang wissenschaftlicher Zurückhaltung vorgegangen sein könnten, zumal MEDDING erst 1934 nach Nordhessen gekommen war, nachdem er - aus der Lausitz stammend und zuvor in Berlin tätig gewesen - in Kassel eine Stelle bei der Denkmalpflege des Bezirkskommunalverbandes Kassel gefunden und von dort aus mit der Inventarisierung der Kunstdenkmäler des Kreises Eisenberg beauftragt worden [46] sowie anläßlich dieser Aufgabe vermutlich erstmals näher mit waldeckischer und Korbacher Geschichte in Berührung gekommen war. Ob Meddings und Zimmermanns kurzfristige Initiative, einem vermeintlichen Symbol städtischer Souveränität durch dessen Anbringung am Rathaus Aufmerksamkeit zu verschaffen, auch darin begründet sein könnte, daß beide dem nationalsozialistischen Machthabern kritisch gegenüberstanden haben sollen, [47] wird sich anhand der Akten wohl nicht nachvollziehen lassen, da derlei Beweggründe, falls vorhanden gewesen, nicht aktenkundig gemacht worden sein werden.
Die Annahme, bei der Korbacher Ritterfigur handele es sich um einen Roland, muß nicht falsch sein. Aufgrund der dürftigen Quellenlage kann jedoch allenfalls gelten, was MEYER-BARKHAUSEN bereits 1923 über die Figur ausgeführt hat: daß die "Vermutung", es handele sich um einen Roland, "viel Wahrscheinlichkeit für sich hat". [48] Als bewiesen angesehen werden kann diese Auffassung jedoch weiterhin nicht.
12. 1970 wurde die Figur durch eine Nachbildung ersetzt und das stark durch Luftverschmutzung angegriffene Original in das Foyer des neuen Rathausanbaus verbracht. Anekdotisch wurde die Geschichte der Figur von Stadtarchivar Wilhelm Hellwig in seinem Buch "Märchen aus Korbach und der Waldeckischen Heimat" aufbereitet. [49]
Falls man die Figur als Roland anerkennen will, stellt sich die Frage nach ihrer Bedeutung. Unstreitig dürfte sein, daß Korbach sich während der Auseinandersetzung mit der Landesherrschaft tatsächlich zu Unrecht auf ihre in einer Rolandsfigur angeblich zum Ausdruck kommende Reichsunmittelbarkeit und Freiheit berufen hat, da Korbach diese niemals besessen hat. [50] Eine einheitliche Bedeutung der Rolandsstatuen ist nicht zu finden, sondern jeder Roland muß vor dem Hintergrund der Stadtgeschichte und seiner Zeit betrachtet werden. [51] Deshalb ist eine differenzierte Betrachtungsweise bei der Wertung jedes einzelnen Roland erforderlich, die sich an der Zeit der Errichtung, der Stadthistorie, anderer besonderer Fakten und einem möglichen Bedeutungswandel der Figuren zu orientieren hat und den engen Zusammenhang zwischen den Abbildungen von Heiligen, Herrschern, Stadtpatronen und Rolanden nicht außer Acht lassen darf. [51a] Als Deutung der Rolandfiguren sind die unterschiedlichsten Hypothesen aufgestellt und Erklärungsversuche gemacht worden, die besonders im Ausgang des 19. Jahrhunderts zu heftigen Kontroversen geführt haben: gedeutet werden sie als Zeichen der Blutgerichtsbarkeit, des Stadtrechts, der Stadtautonomie, des Marktrechts, der Reichsunmittelbarkeit, von Handels- bzw. Zollprivilegien, als karolingische Herrschaftszeichen in eroberten Gebieten, als Denkmäler von Fürsten und Königen, als Richterbilder und als Symbol des Kaiserrechts. Auch sprachliche Deutungen wurden versucht wie "Ratland" oder "Rugeland" (= Gerichtsstätte) und das "rote Land" in Hinblick auf die westfälische Blutgerichtsstätte. [51b] Ferner wird auch ein Zusammenhang zwischen Roland und dem heiligen Mauritius sowie mit der Mitgliedschaft in der Hanse diskutiert. [51c] Schließlich wird darauf hingewiesen, daß der Beginn der Aufstellung von Rolandsstatuen in die Zeit der Herrschaft Karls IV. (1346-1378) falle, der im Rahmen seiner Bestrebungen, das politische Kaisertum aufs Neue religiös zu fassen, sich in die Tradition Karls des Großen gestellt, einen "Karlskult" begründet und sich auch der Rolandssage bemächtigt habe. [51d] Als geschickter Politiker habe Karl IV. Städte durch Privilegien direkt begünstigt und sie auf diese Weise zur Emanzipation gegenüber den jeweiligen Stadt- und Landesherren ermuntert. [51e] Die Rolandsfiguren könnten bei ihrer Aufstellung im 14. Jahrhundert gedeutet werden als Zeichen des heiligen, auf Karl den Großen zurückgeführten Kaiserrechts im Sinne behaupteter karolingischer Vorrechte; weiterhin als Zeichen des angestrebten oder tatsächlich vorhandenen kaiserlichen Schutzes, vor allem im Hinblick auf die Befreiung vom stadtherrlichen Regiment und damit als Symbol städtischer Freiheit und städtischen Selbstbewußtseins. [51f] Rolande wurden überwiegen in Städten aufgestellt, wo kaiserlicher Schutz nicht fest verankert, sondern angestrebt wird. [51g]
In diese Deutung fügt sich die oben dargelegte Geschichte um die Korbacher Rolandsfigur wie folgt ein. Wie ausgeführt, berühmte sich Korbach in der zweiten Auflage der "Hessischen Chronica" aus dem Jahr 1605 im Besitz eines "biltnuß Rolandi von Keisern erlanget". In dem Rechtsstreit mit der waldeckischen Landesherrschaft behauptete Korbach ferner, bis zum Überfall Heinrichs des Eisernen im Jahr 1366 frei gewesen zu sein. Angeblich habe Graf Heinrich den Korbachern ihren Roland entführt. König Karl IV., der die Städte ermutigt habe, Rolandfiguren als Zeichen ihrer Freiheit und des kaiserlichen Schutzes aufzustellen, weilte tatsächlich am 22. Januar 1349 in Korbach. [51h] Nur 17 Jahre nach diesem Besuch soll es zu dem besagten Überfall Heinrichs des Eisernen und der Entführung des Roland gekommen sein. Ferner habe Kaiser Maximilian den Korbachern 1507 gedroht, ihnen alle kaiserlichen Freiheiten und Privilegien zu entziehen. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen könnte der Korbach Roland - sofern es sich um eine Rolandsfigur handelt - tatsächlich bereits Mitte des 14. Jahrhunderts infolge einer entsprechenden kaiserlichen Ermutigung aufgestellt worden sein. Graf Heinrich der Eiserne von Waldeck war das Streben der Stadt, sich dem Kaiser direkt unterzuordnen, möglicherweise ein Dorn im Auge, so dass er die Stadt durch den Überfall von 1366 hiervon ab- und sie wieder unter seine Kontrolle zu bringen beabsichtigte. Dem steht auch nicht entgegen, dass die heutige Rolandsfigur erst in das 15. Jahrhundert datiert wird. Denn zum einen verfügten viele Städte als Vorgänger steinerner Rolandsfiguren zuvor über Exemplare aus Holz. Zum anderen schloß Heinrich der Eiserne später erneut Frieden mit der Stadt Korbach, gewährte ihr zahlreiche Rechte sowie die Erlaubnis, sich weiter zu befestigen, was in der Folge zur Anlage eines zweiten Mauerrings führte. In einem zweiten Anlauf, sich von der Landesherrschaft zu emanzipieren und eine Reichsunmittelbarkeit anzustreben, könnte die heutige Rolandsfigur im 15. Jahrhundert neu geschaffen worden sein. Möglicherweise ist die Korbacher Figur auch im Zusammenhang mit der Hansemitgliedschaft der Stadt zu sehen. [52] Auffällig ist zudem, dass CURTZE/RHEINS in der Figur den heiligen Mauritius vermuteten.
In äußerlicher Hinsicht fällt der Korbacher Roland dadurch auf, daß er, abweichend von fast allen als "echt" anerkannten Rolandsfiguren, nicht mit einem Schwert ausgestattet ist, sondern, wie seine vermeintlichen "Brüder" in Fritzlar und Treysa, nur eine Lanze mit Fahne trägt.
Ungeachtet der wissenschaftlichen Streitfragen hat sich der "Roland" nach seiner Anbringung am Rathaus zu einem der Wahrzeichen Korbachs entwickelt.
1. Von einer merkwürdigen Überlieferung erzählt der spätere Pfarrer und damalige Theologiestudent Adolph Trummel (1908-1987; aus: Tempel 10) im "Klosterglöcken" Nr. 1/1930. [53] Sie ist für die Geschichte des Rolands deshalb von Interesse, weil in ihr legendenhaft eine Erklärung dafür geliefert wird, wie die Figur in das Portal der Kilianskirche gelangte. Der ganze Bericht wird wegen seiner erläuternden Einschübe hier im Wortlaut wiedergegeben:
"Die Prozession der Figuren vom heiligen St. Kilian durch die Straßen der freien und Hansestadt Corbach.
Der Archivar wiegte sein bezopftes Haupt bedächtig hin und her, bot mir eine Prise an und sagte, während er mir das Pergament überreichte, spöttisch lächeln: 'Würde mich freuen, Meister, würde mich aufrichtig freuen, wenn Ihr aus dem Monstrum etwas Vernünftiges herauslesen würdet, aber - wie gesagt - ....?'
Diese Randglosse, verbunden mit der folgenden Geschichte, die wohl eine Wiedergabe des erwähnten Pergamentes darstellen dürfte, fand ich im Nachlaß meiner Familie. Datum und Unterschrift fehlten, und hier und da ist die Schrift vergilbt oder sogar zerstört. Von dem Pergament fand sich keine Spur. Wahrscheinlich gab es mein Ahnherr nach erfolgter Entzifferung dem Stadtarchiv zurück. Die Erzählung lautet:
In der Nacht vom ..... ist ein erschröcklich Unwetter mit viel Hageln, Sturm und Brausen über unser lieben Stadt gewesen. Sind auch in der Nacht zween alte Weiblein gestorben und Hinricus Mahlmann, der Wächter von St. Kiliano hat 3 Tage und Nächte lang nicht hören und sehen mögen, alldieweilen er den Zug erspähet und beschaute. Hat sich aber viel Grausiges, Spukhaftes und Absonderliches in selbiger Nacht zugetragen und erzählet Hinricus Mahlmann und andere mit ihm folgende Historie: In jener Nacht, wo das Brausen und Hageln gewesen, und die Glocken von St. Kiliano von selber anhuben, zu läuten, bin ich an der Brüstung des Umganges gestanden, derweilen es mir geschienen, als sammle sich viel Volks vor dem Portalum der Kirche, - was mir wollte unglaublich dünken bei dem großen Sturme. Da die Nacht aber erschröcklich dunkel gewesen, und man nicht hat hören mögen sein eigen Wort, bin ich hinabgestiegen in die Kirche ohne Feuer und Spieß. Woselben angekommen ich mich sehr erschrocken habe, weil das Portalum offengestanden, und sein Männlein und Weiblein und allerlei seltsame Monstra ein- und ausgegangen und haben sich versammelt im Chorum der Kirche. Ich aber bin im Dunkel des Turmes gestanden und blieb unvermerket. ...
Kaum zu entziffern ist der folgende - außerdem lückenhafte - Abschnitt, in dem der Turmwächter die Heiligen vom Hauptportale, die Wasserspeier usw., kurz alle Figuren seiner Kirche im trüben Lichte der weißen Lampe zu erkennen glaubt. Mit Entsetzen schildert er, wie ein Moor [sic] (einer der steinernen heiligen 3 Könige) die Messe liest. Es heißt dann weiter:
... so formete sich ein absonderlicher Zug, und zogen aus zu zween und gingen auf ihren steinernen Füßen und ritten auf den Rücken der Monstra. Davor sie aber hinausschritten, zündeten sie Lampen an, und da ich in selbiger Nacht dazu gekommen, das Wundern zu verlieren, so hab ich auch mich nicht erschrecket, daß der Sturm, so vor der Kirche heulte, nicht eines der Lichter hat mögen ausblasen. Derweilen der Zug nun die Kirche verlassen, bin ich heimlich gefolget. Es ritten aber voraus auf zween steinernen Monstra, deren Fratzen die abscheulichsten gewesen, das Heulemännchen und das Lachemännchen, die ansonst nach Morgen hin an unserer Kirche hangen und macheten ein fürchterlich Geheul und Gelache, dermaßen ich mich baß erstaunete, daß die anderen Figurae nicht mit ihnen lacheten und heuleten. Es folgten aber per pedes die heilige Jungfrau Maria, die ansonst vor dem Portalum gestanden mit dem Jesusknaben voraus, und die St. Magoi - deren einer die Messe gelesen - hinterdrein. Danach walleten in langen Gewändern die heiligen Zwölfe und alle Heiligen, die bis Dato das Portalum gezieret. Da ich aber trauerte, glaubend, die heiligen Figurae wolleten unsere Kirche verlassen und niemalen wiederkehren, erschreckte mich der heilige Schutzpatron, St. Kilian selbst, und ihm folgeten gesessen auf den Monstra und per pedes auf ihren Knöchelei die Gestorbenen, so auferstehen über dem Portalum.
Leider fehlt wieder ein Stück, das wohl den Umzug der steinernen Heiligen auf dem Markte schildert, und eine Mahnung an die reichen Patrizier gewesen zu sein scheint, für die Erhaltung der Figuren mehr zu tun. Dann folgt eine Scene, der ein Zwie- oder Streitgespräch mit dem Stadtroland vorausgegangen sein muß, in dem sich dieser gegen den nächtlichen Unfug verwahrte, es heißt nämlich weiter: ... baß erzürnet, und stieg herab der Herr Roland von seinem Postamentum und tosete gewaltig mit seinem Schwerte auf das Pflaster, reihete sich aber postremo dem Zuge bei und folgte durch die Gassen mit. - Anhiero bemerkte man den Hinricus Mahlmann, und ist derselbe drei Tage blind und taub gewesen, so daß er nicht hat sehen und hören mögen, wohin der Zug noch gegangen. Doch bezeugen noch ... (es folgen mehrere unleserliche Namen), daß sie den Zug wollen gesehen haben, wie er durch die Gassen gezogen, und haben sich baß erschrecket und versprochen, Kerzen zu weihen unserer lieben Frauen, so das Unheil, welches der Umzug der Stadt kündige, schadlos an ihnen vorbeiführe. Doch haben der Magistratum der freien und Hansestadt Corbach dem Weniges geglaubet, derweilen in selbiger Nacht ein solch groß Unwetter gewesen mit Heulen und Hageln. Und haben sich sogar etliche gefunden, die Hinricus Mahlmann, den Wächter wolleten betrunken glauben. Hat man sich aber baß verwundert und nicht erklären mögen, wie der Herre Roland in eben der Nacht von seinem Postamentum gekommen und am andern Morgen im Portalum der Kirche inmitten der Zwölfe gestanden ist. -
Hier endet das Manuskript, das ich hiermit - seiner Eigenart wegen - der Oeffentlichkeit übergebe.
Adolf Trummel, stud. theol., Göttingen."
2. Der Bericht Adolf Trummels wirft viele Fragen auf. Es sei zunächst unterstellt, daß der Theologiestudent tatsächlich ein Papier dieses Inhalts im Nachlaß seiner Familie gefunden und sich nicht einen Scherz mit den Lesern des "Klosterglöckchens" erlaubt hat. [54] Soweit ersichtlich, wurde die Geschichte in der heimatkundlichen Literatur später nicht mehr aufgegriffen und untersucht. Gesetzt den Fall, der Verfasser der von Trummel zitierten Pergamentabschrift habe tatsächlich ein seinerzeit im Stadtarchiv aufbewahrtes Manuskript abgeschrieben, [55] erhebt sich die Frage nach dem Alter von Original und Abschrift sowie nach der Zeit, in der die Geschichte spielt. Was die von Trummel wiedergegebene Abschrift anbelangt, fällt zunächst die durchgehehnd einheitliche und moderne Orthographie auf. Falls Trummel die Abschrift nicht insoweit zum Zwecke des Abdrucks überarbeitet hat, sondern diese originalgetreu wiedergibt, dürfte die Abschrift ihrerseits aus jüngerer Zeit, vielleicht aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, stammen. Die Sprache des der Abschrift zugrundeliegenden Originals des Pergaments deutet ebenfalls nicht auf einen mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Ursprung, sondern eher auf eine Entstehungszeit frühestens im 17. Jahrhundert hin. Der Inhalt der Erzählung gibt kaum Anhaltspunkte, wann sich das Ereignis zugetragen haben soll. Offenbar jedenfalls zu der Zeit, als die Rolandsfigur sich noch am Marktplatz befunden habe, um sich nach diesem nächtlichen Vorfall selbst in das Portalgewände des Kilianskirche zu begeben, nach dem oben Ausgeführten also um 1619. Einen weiteren Hinweis liefert die Bezugnahme auf die "Gestorbenen, so auferstehen über dem Portalum". Das Tympanon im Südportal zeigt eine ungewöhnlich flache, sich stilistisch vom Rest des Figurenportals unterscheidende Auferstehungszene, in der die Toten sich aus ihren Gräbern erheben. Die Entstehungszeit wird mit dem Namen des Vizebürgermeisters Johann Butterweck in Verbindung gebracht, der mit der Jahreszahl 1632 in den Baldachin über der Marienfigur eingemeißelt ist. Es wird daher angenommen, daß das Tympanon erst in dieser Zeit entstanden ist. [56] Bei der Wiedergabe der Erzählung fällt auf, daß ausgerechnet jene Informationen, die für den Leser von besonderem Interesse wären, nämlich das Datum des angeblichen Unwetters sowie die Namen der Zeugen, unleserlich sein sollen. Auch ist der Familienname des angeblichen Turmwächters - Mahlmann - in Korbach nicht verbreitet gewesen. Weder in den vom Stadtarchiv Korbach zahlreich herausgegebenen Häuser- und Urkundenbüchern noch in den sonstigen Quellen findet sich - soweit ersichtlich - ein Turmwächter oder eine Familie Mahlmann. Für sich allein genommen wäre dies zwar nicht weiter ungewöhnlich, da insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg und dem Stadtbrand von 1664 nicht wenige Familien aus anderen Regionen in die Stadt zogen und vielfach keine Nachkommen hinterließen. In dem Bericht sticht ferner der Terminus "freie und Hansestadt Corbach" heraus. Daß Korbach Mitglied der Hanse gewesen sein könnte, wurde in der Literatur wohl erstmals 1918 von Albert LEISS herausgearbeitet, [57] und war im 17. Jahrhundert nicht Gegenstand des Streites mit den Grafen von Waldeck. Die angebliche Freiheit der Stadt war eine Behauptung, die nach Beilegung der oben dargelegten Streitigkeiten mit den Grafen durch den Rezeß von 1624 nicht mehr erhoben wurde. So bleibt fraglich, ob die von Trummel wiedergegebene Erzählung abseits der phantastischen Elemente einen historischen Kern hat oder insgesamt eine freie Erfindung des Verfassers der von Trummel im Familiennachlaß gefundenen Schrift bzw. des Verfassers des zugrundeliegenden Pergaments - so dieses existent war - ist.
[1] Vgl. zur Beschreibung: Albert LEISS, Der Corbacher Roland, in: Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont, Band 2 (1902), S. 111-114 [111]; Wolfgang MEDDING, Korbach - Die Geschichte einer deutschen Stadt, 2. Auflage, Korbach 1980 (1. Auflage 1955), S. 59; Dietlinde MUNZEL-EVERLING, "Es ist kein alter Weibertraum..." - Der Roland von Korbach und seine hessischen Brüder, in: Stephan BUCHHOLZ / Heiner LÜCK (Hrsg.), Worte des Rechts - Wörter zur Rechtsgeschichte, Festschrift für Dieter Werkmüller zum 70. Geburtstag, Berlin 2007, S. 267-282 [268].
[2] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1), S. 268.
[3] Wolfgang MEDDING, Die Wiederaufstellung des Roland am Rathaus zu Korbach, in: Hessische Heimat 1938, S. 17-19.
[4] Wolfgang MEDDING, Der Roland von Korbach, in: Hessische Heimat 1937, Heft 1, S. 15-20 [16]. Diese Schätzung von MEDDING wurde zwar von anderen Autoren übernommen; inwieweit sie tragfähig ist, wurde aber bislang offenbar nicht durch weitere Untersuchungen verifiziert.
[5] LEISS (wie Anm. 1); Karl HELDMANN, Die Rolandbilder Deutschlands in 300-jähriger Forschung und nach den Quellen, Halle/Saale 1904, S. 24; Georg SELLO, Roland-Rundschau, in: Armin Tille (Hrsg.), Deutsche Geschichtsblätter, Monatsschrift zur Förderung der landesgeschichtlichen Forschung, IV. Band (1903), S. 113-128 und S. 159-171 [161-162]; Karl FRÖLICH, Stätten mittelalterlicher Rechtspflege in Hessen und den Nachbargebieten, in: Nachrichten der Gießener Hochschulgesellschaft, Elfter Band, Erstes Heft, Gießen 1936, S. 68-103 [89]; ders. hat seine Meinung jedoch später revidiert: Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde, Heft 1, Tübigen 1938, S. 30.
[6] MEDDING (wie Anm. 1 und 4); ders., Der Roland von Korbach und die Bedeutung der Rolandsäulen, in "Mein Waldeck", Beilage der Waldeckischen Landeszeitung für Heimatfreunde, 13. Jahrgang 1936, Nr. 4, S. 14; ders., Zur Aufstellung des Roland am Rathaus zu Korbach, in: Waldeckische Landeszeitung 1937, Nr. 267; ders., Die Wiederaufstellung des Roland am Rathaus zu Korbach, in: Hessische Heimat 1938, S. 17 ff.; Dietlinde MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1); dies. ordnete 1997 den Korbacher Roland noch als "nicht anerkannt" ein: Kaiserrecht und Rolandfiguren - ein weiterer Beitrag zur Rolandforschung, in: forums historiae iuris, Europäische Internetzeitschrift für Rechtsgeschichte, Artikel vom 12.09.1997.
[7] Ausführlich zur Ursache und Geschichte der Auseinandersetzung: Gerhard MENK, Rechtliche und staatstheoretische Aspekte im waldeckischen Verfassungskonflikt 1588-1624, in: Geschichtsblätter für Waldeck, Band 72 (1984), S. 45-74; MEDDING (wie Anm. 1), S. 200-210.
[8] Wilhelm SCHEFERN gen. DILICH, Hessische Chronica, Kassel 1605, S. 131, Originalgetreuer Faksimiledruck von Wilhelm NIEMEYER (Hrsg.), Bärenreiter-Verlag Kassel 1961 ( Digitale Ausgabe); MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1), S. 274, meint daher, Dilich habe sich der Argumentation der Stadt "angeschlossen". Tatsächlich wird er in Ermangelung eigener Kenntnisse nur übernommen haben, was ihm seitens der Stadt berichtet worden ist. Zudem ist die offizielle Rechtsauffassung der Stadt erst im Rahmen des Rechtsstreits ab 1619 bekannt geworden, rund 15 Jahre nach Dilichs Veröffentlichung.
[9] MEDDING (wie Anm. 4) S. 16; NIEMEYER (wie Anm. 8), Nachwort, S. 18: "Außerdem enthält das Exemplar schon die erweiterte Beschreibung Korbachs (S. 131)" ( Digitale Ausgabe).
[10] MEDDING (wie Anm. 1), S. 184.
[11] MEDDING (wie Anm. 1), S. 184.
[12] Vgl. NIEMEYER (wie Anm. 8), Nachwort, S. 3 ( Digitale Ausgabe).
[13] Vgl. NIEMEYER (wie Anm. 8), Nachwort, S. 3-4 ( Digitale Ausgabe).
[14] MEDDING (wie Anm. 1), S. 206-207; Albert LEISS, Ein Streit der Stadt Corbach mit der gräflichen Landesherrschaft, in: Geschichtsblätter für Waldeck, Band 23 (1926), S. 12-30 [24-27].
[14a] Gerhard MENK, Rechtliche und staatstheoretische Aspekte im waldeckischen Verfassungskonflikt 1588-1624, in: Geschichblätter für Waldeck, 72. Band (1984), S. 45-74 [49].
[14b] MENK (wie Anm. 14a).
[15] Der Umstand, daß der Hinweis auf den Roland und die frühere Reichsunmittelbarkeit der Stadt Korbach sich nur in der zweiten Auflage der Hessischen Chronica findet, läßt allerhand Spekulationen zu, wer die Aufnahme diese Hinweise in die zweite Auflage und später deren Entfernung aus den weiteren Auflagen veranlaßt hat. Soweit ersichtlich, wurde diese Frage bislang nicht erforscht.
[15a] MENK (wie Anm. 14a), S. 53.
[15b] MENK (wie Anm. 14a), S. 54, mit wörtlichen Zitaten aus dem Protokoll.
[15c] MENK (wie Anm. 14a), S. 54; vgl. Karl SCHÄFER, Forderungen der Korbacher, in: Mein Waldeck, Beilage der "Waldeckischen Landeszeitung" für Heimatfreunde, Nr. 4/1990.
[15d] MENK (wie Anm. 14a), S. 54-57, mit einer ausführlichen Darstellung des Streits von 1588.
[16] MEDDING (wie Anm. 1), S. 201; Ulrich HUSSONG, 825 Jahre Stadtrecht für Korbach, in: Geschichtsblätter für Waldeck, 101. Band (2013), S. 8-32 [11-12], meint hingegen, die Stadt habe eine Unmittelbarkeit der Stadt von der waldeckischen Landesherrschaft nicht ernsthaft behauptet oder gar praktisch betrieben, das Unterordnungsverhältnis zu den Grafen als solches nie in Frage gestellt.
[16a] Abgedruckt in: "Der Stadt Corbach warhaffter Gegenbericht ...", Kassel 1622, Anhang Nr. 25, S. 179-180; vgl. auch Albert LEISS, Kaiser Max, der letzte Ritter, und die Stadt Corbach, in: Mein Waldeck, Beilage der "Waldeckischen Landeszeitung" für Heimatfreunde 1920, Nr. 20, S. 77 f.; ALBERT LEISS, Kaiser Maximilian und die Stadt Corbach, in: Mein Waldeck, Beilage der "Waldeckischen Landeszeitung" für Heimatfreunde, Nr. 25/1999; Gerhard NEUMANN, Korbach im ausgehenden Mittelalter, Waldeckische Historische Hefte, Band 7, Arolsen 1997, S. 69.
[16b] Die Urkunden Kaiser Maximilians nach dem Jahr 1504 wurden, soweit ersichtlich, im Rahmen des Projekts "Regeste Imperii" noch nicht aufgearbeitet und veröffentlicht. Vgl. die Webseite der Regesta Imperii.
[17] Stephan RITTER, Cosmographia prosometrica, Marburg 1619, S. 524 ( Digitale Ausgabe).
[18] HELDMANN (wie Anm. 5): "Im Jahr 1619 wurde diese Brunnenfigur von einem Corbacher Gymnasialrektor auf litterarischem Wege zum Roland gestempelt und als solche schon ein Jahr darauf bei einem Streit zwischen Stadt und Landesherrschaft von ersterer als Symbol ihrer Freiheit ins Feld geführt. Die gräfliche Regierung aber liess sich von dem Schwindel nicht imponieren."; LEISS (wie Anm. 1), S. 8: "Ob die Figur thatsächlich früher auf dem Markplatze gestanden hat, etwa als Abschluß einer Brunnensäule, oder ob diese Angabe der Phantasie des Rektors entsprungen ist, läßt sich nicht feststellen."
[19] Karl SCHÄFER, "Ein Uhu führte ein schröklich Geschrei" - Schreiben des Korbacher Gymnasialdirektors Stephan Ritter an Graf Christian von der Wildunger Linie, in: Mein Waldeck, Beilage der Waldeckischen Landeszeitung für Heimatfreunde, 1989, Nr. 7.
[20] LEISS (wie Anm. 1); MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1), S. 274; Hermann GENTHE, Geschichte der Stadt Corbach, Festschrift zur 3. Säkularfeier des Fürstlich Waldeckischen Landesgymnasiums zu Corbach, Mengeringhausen 1879, S. 28, geht irrig davon aus, die Behauptung finde sich in der Schrift "Der Stadt Corbach warhaffter Gegenbericht ...", Kassel 1622.
[21] Zitiert nach MEDDING (wie Anm. 4), S. 17, aus den Akten des Staatsarchivs Marburg.
[22] MEDDING (wie Anm. 4, S. 17), verkennt die Bedeutung dieser Ausführungen, indem er feststellt: "Hierin steht also eindeutig vom Vertreter der Stadt Corbach bezeugt, daß die Stadt Corbach einen Roland besitze." Der am Reichskammergericht zugelassene Anwalt der Stadt "bezeugt" jedoch nichts, sondern trägt dem Gericht lediglich auftragsgemäß das vor, was ihm von seiner Mandantin, der Stadt Korbach, über die angeblichen dortigen Verhältnisse mitgeteilt worden ist. Der Anwalt ist nur Vertreter im Wort, nicht Zeuge der Stadt.
[23] Gräffliche Waldeckische Ehrenrettung, Frankfurt/Main 1624, S. 343 ( Digitale Ausgabe).
[24] MEDDING (wie Anm. 4), S. 17.
[25] Gräffliche Waldeckische Ehrenrettung (wie Anm. 23), S. 126 ( Digitale Ausgabe).
[26] MEDDING (wie Anm. 5), S. 17; ders. (wie Anm. 1), S. 179, gibt in seiner 1955 erschienenen Stadtgeschichte an, daß die Nachricht von Stephan Ritter aus dem Jahr 1619 für ihn "die wichtigste Quelle für die vielfach angezweifelte Tradition, daß Korbach einen Roland gehabt hat" gewesen sei und "Veranlassung zur Identifizierung jener Figur [gab], die dann in ihrer ursprünglichen Eigenschaft 1937 am Rathaus aufgestellt werden konnte."
[27] Vgl. Gerhard MENK, Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Westfälischen Frieden, in: Geschichtsblätter für Waldeck, Band 75 (1987), S. 43-206 [66].
[28] Vita bei Hermann STEINMETZ, Die waldeckischen Beamten vom Mittelalter bis zur Zeit der Befreiungskriege (Forts.), in: Geschichtsblätter für Waldeck, 61. Band (1969/70), S. 47-48; Ernst WALDSCHMIDT, Der gräflich waldeckische Kanzler Zacharias Vietor und seine Sippe, in: Geschichtblätter für Waldeck und Pyrmont, Band 15/16 (1916), S. 69 ff.
[29] Vgl. MEDDING (wie Anm. 1), S. 205-206, der die Bewaffnung im einzelnen darstellt.
[30] MEDDING (wie Anm. 1), S. 45.
[31] MEDDING (wie Anm. 1), S. 45-46.
[32] Albert LEISS (wie Anm. 14), S. 20. LEISS gibt jedoch nicht an, um wessen Familienüberlieferung es sich handelt und ob diese mündlich oder schriftlich erfolgt ist. Er fügt hinzu, der Vorfahre sei vielleicht Ulrich Münch gewesen, der 1601 in Marburg studiert habe. Auch hierfür bleibt er jedoch eine Erläuterung und eine Quellenangabe schuldig.
[33] Conrad Samuel SCHURZFLEISCH, Analecta Diplomatica ad Historiam waldeccensem, in: Heinrich Christian SENCKENBERG, Selecta iuris et historiarum, Band 6, Frankfurt/Main 1742, S. 383-442 [393] ( Digitale Ausgabe): "Multo minus verum est quod de Rolando scribunt, qualis vel nunquam fuit, si de viro & Caroli M. ex honore nepote quaestio est, vel si fuit ad rationes Corbacensium non quadrat, quia si urbs tempore Henrici IV. Saliqui condita est, non potest, sibi vindicare Statuam Rolandinam, quae a seculis Carolinis arcessi debuit."
[34] Friderich August von KLETTENBERG, Reichs-Gräflich Waldeckischer Helden- und Regenten-Saal, Frankfurt/Main 1713, Vorbericht, ohne Paginierung ( Digitale Ausgabe).
[35] MEDDING (wie Anm. 4, S. 17), LEISS (wie Anm. 1, S. 113) und MENZEL-EVERLING (wie Anm. 1, S. 275) erwecken hingegen den Eindruck, Klettenberg habe unabhängig von Dilich diese Auffassung vertreten. MEDDING sieht Klettenbergs Hinweis daher irrig als "weiteres Zeugnis" für den Roland an.
[36] MEDDING (wie Anm. 4), S. 17. Daß Klettenberg sich damit zu der Auffassung Viëtors "bekehrt" bzw. sich dieser "angeschlossen" habe, wie LEISS (wie Anm. 1, S. 114), MEDDING (wie Anm. 4, S. 17) und MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1, S. 275), meinen, ist dem Zitat jedoch nicht zu entnehmen.
[37] Zitiert nach MEDDING (wie Anm. 4), S. 17-18.
[38] Zitiert nach LEISS (wie Anm. 1 ), S. 114.
[38a] Diese Figur ist allerdings eine moderne Neuschöpfung. Das stark verwitterte Original steht zur Zeit im Eingangsbereich des Wolfgang-Bonhage-Museums.
[39] Als die Figur, spätestens seit 1843, in der dritten Konsole des rechten Strebepfeilers stand, stach sie wegen ihres Materials, ihrer Größe und ihres Sockels sofort aus den übrigen Figuren heraus und ließ erkennen, daß sie ursprünglich nicht für das Figurenportal geschaffen war. Vgl. LEISS (wie Anm. 1), S. 111-112; MEDDING (wie Anm. 4), S. 16.
[40] LEISS (wie Anm. 1), S. 114; zu den damaligen Restaurierungsmaßnahmen vgl. die Berichterstattung in der Waldeckischen Gemeinnützigen Zeitschrift, 1. Jahrgang 1837, S. 68-77 und S. 574-579. Die Berichte enthalten allerdings keine Hinweise auf die Ritterfigur und deren Umsetzung.
[40a] Die Zeichnung von Wilhelm CÄSAR wird in der Grabphischen Sammlung der Museumslandschaft Kassel aufbewahrt und kann unter dem folgenden Link abgerufen werden: http://architekturzeichnungen.museum-kassel.de/8113/ .
[40b] G. ERBKAM (Red.), Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, Königl. Technische Bau-Deputation und Architektenverein zu Berlin (Hrsg.), 6. Jahrgang, Berlin 1856, Blatt 60.
[41] Louis CURTZE/Ferdinand von RHEINS, Geschichte und Beschreibung der Kirche St. Kilian zu Corbach, Arolsen 1843, S. 365.
[41a] August ORTH, Die St. Kilians-Kirche in Korbach, in: Zeitschrift für Bauwesen, 6. Jahrgang, Berlin 1856, Sp. 499.
[42] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1), die sich nach 1938 als einzige Autorin noch einmal eingehend mit dem Korbacher Roland beschäftigt hat, referiert - soweit es die Korbacher Figur betrifft - im wesentlichen nur das von LEISS zusammengetragene und von MEDDING als eigene "Beweisführung" wiederholte Quellenmaterial. Sie beendet ihre Abhandlung überraschend und ohne Begründung mit den Worten: "Damit schließt sich der Kreis der hessischen und fränkischen Rolande - unterschiedlich in ihrer Art und Gestaltung. Obgleich er der kleinste unter ihnen ist, steht der Korbacher Roland in Wertung und Bedeutung aber an ihrer Spitze und hat sich im Laufe der Jahrhunderte hartnäckig dagegen verwahrt, nur ein alter Weibertraum zu sein."
[43] So MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1), S. 269.
[44] Vgl. den Nachruf von Ludwig BING, in: Geschichtsblätter für Waldeck, 60. Band (1968), S. 7-9 [8].
[45] MEDDING (wie Anm. 3), S. 18.
[46] BING (wie Anm. 44); vgl. Wolfgang MEDDING in: Friedrich BLEIBAUM (Hrsg.), Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Neue Folge, Dritter Band, Kreis des Eisenberges, Kassel 1939.
[47] BING (wie Anm. 44); MEDDING (wie Anm. 1), S. 403-406.
[48] Werner MEYER-BARKHAUSEN, Alte Städte zwischen Main und Weser: Corbach, Verlag H.W. Urspruch, Korbach 1923, S. 42.
[49] Wilhelm HELLWIG, Märchen aus Korbach und der Waldeckischen Heimat, 1. Auflage, Korbach 1977, S. 34-35; zuletzt erschienen in einer erweiterten 4. Auflage 1999 unter dem neuen Titel "Sagen und Geschichten aus Korbach und Umgebung".
[50] MEDDING (wie Anm. 4), S. 18.
[51] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1), S. 273; dies. (wie Anm. 6, Rdnr. 66); zustimmend Dieter PÖTSCHKE, in: Michael SCHOLZ (Red.), Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Zeitschrift für vergleichende und preußische Landesgeschichte, Band 55 (2009), Berlin 2010, S. 276-277 [277].
[51a] Dietlinde MUNZEL-EVERLING, Kaiserrecht und Rolandfiguren - ein weiterer Beitrag zur Rolandforschung in: forum historiae iuris, Aufsatz vom 12. September 1997, Rn. 66.
[51b] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 51a), Rn. 9-11.
[51c] Dietlinde MUNZEL-EVERLING, Rolande - Die Europäischen Rolanddarstellungen und Rolandfiguren, Landeshauptstadt Magdeburg (Hrsg.), 2005, S. 101-111 und S. 97-99.
[51d] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 51c), S. 40-41.
[51e] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 51c), S. 40.
[51f] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 51c), S. 40.
[51g] MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 51c), S. 40.
[51h] König Karl IV. befand sich auf der Durchreise, als er sich am 22. Januar 1349 in Korbach aufhielt, vgl. MEDDING (wie Anm. 1), S. 43-45. Hier fertigte er zwei Urkunden aus: MGH Const. IX, S. 88-89 ( Digitale Ausgabe).
[52] Ausführlich dazu: MUNZEL-EVERLING (wie Anm. 1), S. 276-279; zur Frage, ob Korbach überhaupt als Mitglied der Hanse nachgewiesen ist, vgl. ausführlich: Wolfgang KLUß, Korbach und die Hanse - Ein Beitrag zur Stadt-, Stadtrechts- und Wirtschaftsgeschichte Korbachs, Korbach 2018; Hans-Rudolf RUPPEL, Korbach - Eine Hansestadt in Waldeck, in: Waldeckischer Landeskalender 2009, S. 109-115.
[53] Adolf TRUMMEL, Die Prozession der Figuren vom heiligen St. Kilian durch die Straßen der freien und Hansestadt Corbach, in: Klosterglöckchen - Nachrichten für die Mitglieder des Vereins ehemaliger Corbacher Gymnasiasten, 3. Jahrgang, Nr. 1/1930, S. 7.
[54] Die Annahme eines Scherzes erscheint allerdings fernliegend, da dem "Klosterglöckchen" damals durchaus ein "heiliger Ernst" und wissenschaftlicher Ansatz zugrundelag. Trummel war später selbst jahrzehntelang Schriftleiter des "Klosterglöckchens".
[55] Ob das vermeintliche Pergament heute noch im Korbacher Stadtarchiv oder anderswo aufbewahrt wird, ist mir nicht bekannt.
[56] Vgl. Heinrich DIETERICH, Aus der Geschichte der Kirche St. Kilian, in: Klosterglöcken - Nachrichten für die Mitglieder des Vereins ehemaliger Korbacher Gymnasiasten, 9. Jahrgang, Nr. 1/1936, S. 2-3 [3]; a. A. MEDDING (wie Anm. 1), S. 112, der das Relief für mittelalterlich hält.
[57] Albert LEISS, War Corbach eine Hansestadt? [Es wird 1469 und 1494 unter den Städten des Kölner Drittels aufgeführt], Waldeckische Landeszeitung, 1918, Nr. 116 f.; vgl. auch RUPPEL (wie Anm. 52), S. 109.
[58] Kritisch zu diesem Beitrag: PÖTSCHKE (wie Anm. 51); Wilhelm A. ECKHARDT in: Zeitschrift für hessische Geschichte und Landeskunde (ZHG), Band 113 (2008), S. 287, wirft der Autorin vor, "recht eigenwillig mit der von ihr zitierten Literatur" umzugehen.