Kirchplatz 4 (Korbach)

Das Haus Kirchplatz 4 im Dezember 2016.
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Das Haus Nr. 4 am Kirchplatz ist ein um 1731 erbautes Fachwerkhaus in Altstadt von Korbach Das Haus bzw. sein Vorgängerbauten beherbergten vom Mittelalter bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Stadtschule bzw. die Mädchenschule.

Geschichte

1. Bis in das 11. Jahrhundert gehörte das Gelände zum Kirchhof des romanischen Vorgängerbaus der Kilianskirche und diente als Friedhof. [1] Bei den in den Jahren 1989 bis 1994 durchgeführten archäologischen Untersuchungen des heutigen Museumsgeländes konnten mehrere Skelette und Skelettfragmente festgestellt und ingesamt mehr als 30 Bestattungen nachgewiesen werden. [2] In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstand, möglicherweise hervorgerufen durch einen frühen "Bauboom", ein zur Baumaterialgewinnung betriebener Dolomitstein-Steinbruch. [3] Nach einer Betriebszeit bis Mitte des 12. Jahrhunderts kam es zu einer Verfüllung des Steinbruchs, hauptsächlich mit bei der Werksteinbearbeitung anfallendem Abschlagsschutt. [4] Für den Zeitraum um 1200 und wenig später zeichnete sich eine erste Teilbebauung des Steinbruchgeländes mit Holzhäusern ab. [5]

Für die Hausstelle gelang der Nachweis von insgesamt vier Bauphasen seit dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts. [6] Die eingehende Untersuchung der ingesamt neun Laufbodenhorizonte übereinander im bis zu 90 cm dicken Erdeintrag unter der Dielung des südlichen Hauptraums im Erdgeschoß wurde aus angeblichen Gründen der Standsicherheit des Hauses von seiten des städtischen Bauamtes untersagt, womit wichtige Informationen zur Hausgeschichte von ihrer endgültigen Vernichtung unerforscht bleiben mußten. [7]

Die erste Korbacher Stadtschule soll im Mittelalter neben dem Beinhaus gestanden haben, [8] welches sich gegenüber dem Nordportal der Kilianskirche befand, etwa am Standort des heutigen Gemeindehauses. [9]

2. Einer der Vorgängerbauten des heutigen Hauses wird in einem Vertrag vom 20. Januar 1585 als "alte Schule" [10] und in einem Vertrag vom 28. Januar 1594 als "neue Schule" [11] bezeichnet. Vielleicht ein Hinweis darauf, daß um 1590 ein neues Haus errichtet worden ist. [12]

3. Das heutige Fachwerkhaus ist um das Jahr 1731 erbaut worden. [13] Die früher an der Giebelseite angebrachte Holztafel, die sich jetzt im benachtbarten Heimatmuseum/Wolfgang-Bonhage-Museum befindet, trägt die Inschrift:

"AEDIFICIUM HOC IN USUM SCHOLAE EXTRUCTUM TEMPORE CONSULUM JOH. SCRIBA ET JOH. SCHUMACHERS ET AERARII JUSTI CALDEN"
(Dieses Gebäude ist als Schule zu Zeiten der Bürgermeisters Joh. Scriba und Joh. Schumacher und des Pfennigmeisters Justus Calden errichtet worden)

Die in der Inschrift angegebenen Ämter bekleideten die drei genannten Korbacher Bürger im Jahr 1731. In jenem Jahr ließ auch der Apotheker und Pfennigmeister Justus Calden seine Amtskollegen Joh. Scriba und Joh. Schumacher als Paten seines Sohnes Joh. Justus Calden eintragen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte dieses Haus und auch die früheren Gebäude an dieser Stelle der Altstädter Pfarrei. Das Gebäude wird als Schulhaus am Altstädter Kirchhof oder auch die Altstädter Küsterei genannt. Nach Gründung des Gymnasiums im Jahr 1579 und dessen Verlegung in das ehemalige Franziskanerkloster (Klosterstraße 11) wurde auch die Jungen der Elementarklassen, die nicht das Gymnasium besuchten wollten, im Gebäude der Klosterschule unterrichtet. In dem Schulgebäude am Kirchplatz wurden fortan ausschließlich Mädchen unterrichtet. Im Jahre 1846 trat ein neues waldeckische Schulgesetz in Kraft. Aufgrund dieses Gesetzes wurde die Korbacher Bürgerschule gegründet, die nach den Plänen des damaligen Rektors Christian Krummel in einem neuen Schulgebäude untergebracht werden sollte, das man auf dem Kirchplatz erbauen wollte. Zu diesem Zweck hatte Krummel 1846 das Haus Stechbahn 17 erworben. Das Haus Kirchplatz 4 sollte abgerissen und die benachbarten Wohnhäuser erworben und ebenfalls niedergelegt werden, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Die Verhandlungen mit den Nachbarn verliefen jedoch ergebnislos und die Stadtschule wurde in das Haus Schulstraße 3 verlegt.

4. 1850 ging das Gebäude in das Eigentum der Stadt Korbach über. [14]

5. 1877 erwarb der Hut- und Kappenmacher Carl Christian Heinrich Ockel (* 14.04.1837; † 23.12.1926) das Haus. Er war der Sohn des Hutmachers Johann Christian Friedrich Wilhelm Ockel (Kirchstraße 2) und der Johanna Wilhelmine Christiane Graf. Am 16. Februar 1868 vermählte er sich mit Johanna Sophie Christiane Auguste Helmetag (* 04.02.1845 in Arolsen; † 27.05.1928), Tochter des Amtspedell Adam Helmetag. Bereits 1868 hatte Ockel das benachbarte Haus Stechbahn 17 gekauft.

6. Im Jahr 1926 erbte der Kürschnermeister Friedrich August Ockel (* 10. November 1900 in Paris; † ? nach 1960) das Haus. Er war der Sohn von Nr. 5. Am 8. Januar 1944 heiratete er Emmi Becker (* 04.06.1922; † 24.05.1954), Tochter des Friedrich Becker aus Welleringhausen und der Lina Peter aus der Ohlenbeck bei Welleringhausen. Eine zweite Ehe ging er am 15. Juni 1957 mit Martha Schumann, verwitwete Böhle, ein (* 13.04.1912 in Eimelrod; † ? nach 1960), Tochter des Landwirts Heinrich Schumann und der Luise Hegel, beide aus Eimelrod. Falls es zutrifft, daß Friedrich Ockel der Sohn von Nr. 3 war, wäre sein Vater bei seiner Geburt 63 Jahre alt, seine Mutter 55 Jahre alt gewesen. Die gleichen Angaben finden sich zwar bei THOMAS zum Haus Stechbahn 17. Möglicherweise ist jedoch eine weitere Generation dazwischen zu setzen.

7. 1928 kaufte Christiane Schröder (* 5. Mai 1893 in Berndorf; † ? nach 1960) das Gebäude. Sie war die Tochter des Friedrich Rüsseler aus Berndorf und der Maria Schwarz aus Mühlhausen. Am 28. Juni 1913 heiratete sie in Haustenbeck/Lippe August Schröder (* 24.04.1898 in Schlangen; † 04.05.1917 in Frankreich [gefallen]), Sohn der Johanna Schröder in Schlangen.

8. Nachdem bereits in den 1970er Jahren feststand, daß die Räume des Heimatmuseum in den Gebäuden Kirchplatz 2 und Stechbahn 13a nicht mehr ausreichten, erwarb die Stadt Korbach für die geplante Erweiterung des Museums die Häuser Kirchplatz 4 und Stechbahn 15. Das genaue Jahr des Eigentumswechsel ist hier nicht bekannt (1980er?). [15]

Literatur

Bilder

Anmerkungen

[1] Brigitte PFLUG, Zur Korbacher Stadtarchäologie - Nutzungswandel der 'Museumsinsel' im Verlauf von mehr als 800 Jahren, in: Waldeckischer Landeskalender 1999, 272. Jahrgang, Korbach/Bad Wildungen 1999, S. 114-118 [117].
[2] PFLUG (wie Anm. 1), S. 117.
[3] PFLUG (wie Anm. 1), S. 117.
[4] PFLUG (wie Anm. 1), S. 117.
[5] PFLUG (wie Anm. 1), S. 117.
[6] PFLUG (wie Anm. 1), S. 118.
[7] PFLUG (wie Anm. 1), S. 118.
[8] Albert LEISS, Die Corbacher Stadtschule als Vorläuferin des Landesgymnasiums, in: Klosterglöckchen - Nachrichten für die Mitglieder des Vereins ehemaliger Corbacher Gymnasiasten, 1. Jahrgang, Nr. 2, Juli 1928, S. 10-11 [10].
[9] Vgl. die Übersichtsskizze bei Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 8, Rathausgasse - Im Pass - Im Tempel - Kilianstrasse, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1961, zw. S. 56/57.
[10] Stadtarchiv Korbach (Hrsg.), Korbacher Urkunden - Regesten, Band 1, Korbach 1997, S. 126, Nr. 369.
[11] Stadtarchiv Korbach (Hrsg.), Korbacher Urkunden - Regesten, Band 1, Korbach 1997, S. 46, Nr. 115. Vorausgesetzt, die dort nur als Regesten wiedergegebenen Urkunden sind insoweit zutreffend zitiert.
[12] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 6, Kirchplatz - Marktplatz - Enser Straße - Katthagen - Kleine Gasse, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1960, S. 47.
[13] THOMAS (wie Anm. 12), S. 46-47. Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[14] Alle folgenden Angaben nach THOMAS (wie Anm. 12).
[15] Stadtbauamt Korbach, Stadtsanierung Korbach - Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen - Ausführliche Beschreibung des Standes der Maßnahme, Korbach 2008, S. 30.