Das Haus Nr. 6 in der Lengefelder Straße ist ein um 1960 von der Gebrüder Bing oHG errichtetes Steinhaus in der Altstadt von Korbach. [1] Es wurde an die Stelle eines um 1670 von Meinolf Contze erbauten Fachwerkhaus gesetzt. Es beherbergt die Verlagsräume der Wilhelm Bing, Druckerei und Verlag GmbH mit der Redaktion der Waldeckischen Landeszeitung.
1. Erster bekannter Eigentümer war Meinolf Contze (* um 1605; begr. 27.06.1695, 89 Jahre 9 Monate). Er ließ das alte Gebäude um 1670 auf die Stelle seines beim Stadtbrand von 1664 zerstörten Hauses setzen. Um 1640 heiratete er Marie Rüseln (~ 14.11.1611; begr. 03.12.1676), Tochter des Jakob Rüseln und dessen Frau Agate, Geburtsname unbekannt, Witwe des Jost Kalden. [2]
Das Jahr des Abrisses des alten Fachwerkhauses und der Errichtung des neuen Verlagshauses wird in der Literatur bislang unterschiedlich angegeben. Nach GERLACH/HELLWIG wurde der Fachwerkbau 1956 abgerissen [3] THOMAS (wie Anm. 1) weiß in seinem 1959 erschienem "Häuserbuch" noch nichts von einem Abriß. Das neue Verlagsgebäude wurde laut der Korbacher Stadtchronik am 4. August 1962 eingeweiht. [4] Auf einem Luftbild, das zwischen 1959 und 1964 gefertigt wurde, ist zu erkennen, daß zunächst der hintere, zum Brauberg und zur Ketzerbach gerichtete Querflügel neu errichtet worden ist und das zur Lengefelder Straße gerichtete Fachwerkhaus noch stand. Offenbar wurde das Fachwerkhaus erst später abgetragen.
2. Im Jahr 1702 erwarb Michael Dulfigge das Haus, wahrscheinlich durch Eheschließung mit der Tochter von Nr. 1.
3. 1721 wird das Eigentum auf den Metzgermeister Michael Dulfigge junior (~ 11.01.1681; begr. 07.02.1752; 70 Jahre) übertragen, Sohn von Nr. 2 aus erster Ehe. Er heiratete am 20. Oktober 1706 Anna Elisabeth Leie (~ 05.08.1683; begr. 21.12.1756; 73 1/2 Jahre), Tochter des Justus Leie (Hinter dem Kloster 19). Aus der Ehe gingen mindestens zwei Kinder hervor: Juliana Dulfigge (Nr. 4) und Anna Elisabeth Dulfigge (Tränkestraße 12). Michael Dulfigge junior hatte seit 1706 die Bürgerechte inne.
4. 1749 ging das Eigentum zur Hälfte, 1752 dann vollständig auf den Bäckermeister Josias Henrich Nagel (~ 27.07.1719; † 16.12.1800) über, Sohn des Wihelm Nagel und der Margarethe Vöpel. Er erwarb 1745 die Bürgerrechte, war Ratsmitglied 1757 und 1759, Ratsrentmeister 1762 und 1763 sowie Dechant der Bäckergilde 1747, 1752 und 1763. Am 26. Februar vermählte er sich mit Juliana Dulfigge (~ 20.11.1718; † ?), Tochter von Nr. 3. Die Familie Nagel wird bereits im 16. Jahrhundert in Korbach genannt. Sie ist mit Josias Henrich Nagel im Mannesstamm in Korbach erloschen. Zu seinem Tod ist im Kirchenbuch der Neustadt vermerkt:.
"Mit ihm ist einer unserer vorzüglich ehr- und achtbaren Bürger in einem Alter von 86 Jahren zur frohen Ewigkeit hinübergegangen."
5. Mit dem Tod von Nr. 4 wurde im Jahr 1800 dessen Schwiegersohn, der Bäckermeister Georg Philipp Wäscher (~ 08.05.1742; † 10.06.1820) neuer Eigentümer. Er war der Sohn des Bäckermeisters Johann Jacob Wäscher (Am Butterturm 6) [5] und der Catharina Elisabeth Schäfer. Am 31. Juli 1767 heiratete er Anna Elisabeth Nagel (~ 04.02.1746; † 04.02.1746; † 12.08.1819), Tochter von Nr. 4. Die Ehe blieb kinderlos. Georg Philipp Wäscher war seit 1767 Bürger, Ratsmitglied 1781-1783, Ratsrentmeister 1787-1788 sowie Unterbürgermeister in den Jahren 1800 und 1809.
6. 1820 kaufte der Schneidermeister und Landwirt Georg August Christian Otto (~ 29.08.1759; † 27.04.1862) das Haus. Er war der Sohn des Reinhard Otto (Tränkestraße 13) und der Catharina Margarethe Asmuth. Er erwarb 1818 die Bürgerrechte und heiratete am 26. Mai 1820 Marie Friederike Rappe (~ 10.02.1793; † 05.06.1866), älteste Tochter des Metzgermeisters Henrich Rappe (Brauberg 12) und der Johann Catharina Elisabeth Huge. Ihm gehörte von 1818 bis 1837 auch sein Elternhaus in der Tränkestraße.
7. Im Jahr 1862 erbte der Bäckermeister Wilhelm August Julius Otto (* 11.06.1825; † 28.02.1877), Sohn von Nr. 6, das Haus. Er vermählte sich am 16. November 856 mit Johanette Christiane Hermine Urspruch (* 25.09.1825; † 20.05.1893), Tochter des Schmiedemeisters Johann Henrich Wilhelm Urspruch und der Johanette Louise Friederike Vesper).
8. 1887 erwarb der Kaufmann Johann Carl Eduard Albert Brack (* 10.06.1852; † 12.07.1916 in Marburg) das Haus von Nr. 7 und heiratete am 18. Juni 1882 dessen Tochter Auguste Henriette Caroline Louise Otto (* 07.10.1857; † 31.01.1946). Brack war der Sohn des Albert Brack (Lengefelder Straße 2) und der Charlotte Amalie Reischauer.
8. Im Dezember 1899 kaufte der Landwirt Karl Heinrich Friedrich Steinrück (* 17.07.1847 in Niederelsungen; † 02.02.1903) das Haus für 18.000,- Mark. Er war der Sohn des Oeconomen und Amtsrats Friedrich Wilhelm Theodor Steinrück in Wolkersdorf und der Juliane Ida Auguste Kleine aus Westheim. Am 4. April 1875 vermählte er sich mit Hermine Stpehan (* 04.04.1851 in Külte; † 24.02.1944), Tochter des Mühlenbesiters Stephan in Külte und der Minna Strüber, verwitwete Severin aus Herzberg/Harz. Steinrück war Pächter der Domäne Wolkersdorf, später des Gutshofs Hanxleden (Kirchstraße 7) und betrieb ein Speditions- und Fuhrgeschäft. Steinrück war der erste Bahnspediteur in Korbach.
9. Nach dem Tod von Nr. 8 kaufte der Spediteur Karl Sonneborn (* 16.02.1874 in Immighausen; † 29.06.1929) das Haus. Er war der Sohn des Landwirts Christian Wilhelm Sonneborn aus Nordenbeck und der Henriette Caroline Friederike Stracke aus Immighausen. Am 7. August 1897 ging er in Bochum die Ehe mit Luise Emde (* 07.11.1871; † 18.10.1952) ein, Tochter des Johannes Friedrich Emde ("Hannesfrieder") und der Friederike Schulze, beide aus Flechtdorf. Sonneborn führte das Speditionsgeschäft von Friedrich Steinrück fort. Der Firmensitz wurde später in die Flechtdorfer Straße verlegt.
11. 1930 wurde das Eigentum auf die Bing OHG, Gebrüder Bing, übertragen:
a) Buchdruckereibesitzer Ludwig Bing (* 12.04.1902; † 02.02.1986), Sohn von Nr. 10. Er heiratete am 4. Dezember 1953 in Adorf Friedel Lahme (* 17.01.1922 in Adorf; † 12.12.2016 [2] ), Tochter des Steinmetz Fritz Lahme und der Karoline Klaus, beide aus Adorf.
b) Zeitungsverleger Dr. Hermann Bing (* 20.01.1905; † 09.06.2003), Sohn von Nr. 10. Er vermählte sich am 2. Februar 1935 in Essen mit Ingeborg Schuck (* 23.08.1914 in Halle/Saale; † 11.01.2011), Tochter des Oberpostmeisters Gustav Paul Schuck aus Prießen/Lausitz und der Klara Emilie Louise Thomas aus Teutschenthal/Sachsen-Anhalt.
Die Gebrüder Bing OHG ließ das alte Gebäude um 1960 abtragen und an dessen Stelle ein modernes Verlagsgebäude für die "Waldeckische Landeszeitung" setzen.
[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 4, Lengefelder Straße - Schulstraße - Im Sack - Am Tylenturm, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 29-32. Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[2] THOMAS (wie Anm. 1) gibt an, Jost Kalden sei begraben am 16. April 1610. Hier muß offensichtlich ein Irrtum vorliegen, da seine angebliche Witwe Agate erst 1611 geboren wurde.
[3] Lothar GERLACH/Wilhelm HELLWIG, Korbach - Die Reihe Archivbilder, Erfurt 1998, S. 58.
[4] Wilhelm HELLWIG (Bearb.), Chronik der Stadt Korbach, Band 1 (1960-1969), Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1980.
[5] Bei Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 7, Dalwigker Straße - Am Butterturm - Grabenstraße - Entengasse - Tränkestraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1960, S. 51, wird Johann Jacob Wäscher nicht als Bäckermeister, sondern als Ackermann verzeichnet.