Stechbahn 6 (Korbach)

Das Haus Stechbahn 6 im Mai 2018.
Anklicken für größere Version.

Das Haus Nr. 6 auf der Stechbahn in der Altstadt von Korbach ist ein im Jahr 1693 von Dietrich Cappel errichtetes Fachwerkhaus. [1] Es war 300 Jahre lang in Besitz der Familie Kappel.

Geschichte

1. Der Vorgängerbau des Bäckermeisters Johannes Krösen (* 1634; begr. 29.01.1694) ist beim großen Stadtbrand von 1664 zerstört worden. [2] Krösen hatte seit 1659 die Bürgerrechte inne und war mit Elisabeth Saure (* 1637, begr. 19.08.1690), Tochter des Urban Saure, verheiratet. Die bereits um 1500 in Korbach bezeugte Familie Krösen ist um 1700 im Mannesstamm in Korbach ausgestorben. Auf der Hausstätte stand bis Ende des 16. Jahrhunderts die Stadtmauer der Altstadt mit dem alten Lengefelder Tor. Über die heutigen Grundstücke Stechbahn Nr. 6 und Nr. 8 verlief bis zur Ecke Violinenstraße/Im Sack die alte Stadtmauer. Das Gelände des heutigen Komplexes des "Hotel Goldflair" ("Am Rathaus") wies mithin keine mittelalterliche Wohnbebauung auf, sondern war Teil der Verteidigungsanlagen der Stadt.

2a. Als Bauherr des jetzigen Hauses ist der Bäckermeister Dietrich Kappel (* 1643; begr. 15.12.1717) ausgewiesen. Er war der Sohn des Justus Kappel. In erster Ehe war er verheiratet mit der 12 Jahre älteren Elisabeth (siehe Hausinschrift; * um 1631; begr. 16.12.1704), in zweiter Ehe mit der 35 Jahre jüngeren Anna Maria (* um 1678; begr. 07.03.1751), deren Geburtsname ebenfalls unbekannt ist. Sie heiratete am 11. Oktober 1718 in zweiter Ehe Georg Berthold. Dietrich Kappel war von 1668 bis 1688 auch Eigentümer des Hauses Entengasse 12. [3] Die Familie Kappel wird bereits um 1500 in Korbach genannt.

2b. Als Miteigentümer des Neubaus ist Valentin Nicolai (* 1651 Scharpenberg/Stift Köln; begr. 07.01.1729), Schwiegersohn von Nr. 2a, genannt. Er heiratete am 26. November 1690 Anna Maria Kappel (* 1670; begr. 14.05.1730), einzige Tochter von Nr. 2a.

Im Jahr 1708 kam es in dem Haus zu einem bemerkenswerten Ereignis. Großvater, Vater und Sohn bekamen im gleichen Jahr jeweils ein Kind. Der damalige Stadtschreiber, Dietrich Henrich Severin, beschrieb die Umstände im Stadtbuch wie folgt: [4]

"Diedrich Cappel Bürger und Becker hierselbsten hatt seine einzige Tochter dem Valentin Nicolai zur Ehefrau gegeben, womitt dieser einen Sohn Jürgen gezeuget, welcher in einigen jahren ziemlich angewachsen, inzwischen fügte es sich, das Diedrich Cappels Ehefrau starb, undt derselbe eine junge Frau zur ehe nahm, der enckel Jürgen aber mitt einer magdt ohngebührlicher weise zuhielte und damitt ein Kindt zeugete, weil nun seine mutter im selbigem jahr, wie auch seine Stiefgrosmutter niederkam undt der Valentin Nicolai bey dem Diederich Cappel annoch im Hause war, geschah es, das Grosvatter, Vatter und Enckel, alle im einem Hause wohnende in einem jahr tauften liesen, undt zwaren im jahr 1708."

3a. 1741 ging Kappels Eigentumshälfte auf dessen Sohn, Bäckermeister Johann Friedrich Kappel (~ 22.12.1713; begr. 07.03.1762) über. Er heiratete am 2. Mai 1741 Johanne Catharina Goette (~ 07.07.1720; begr. 12.05.1771), Tochter des Johannes Goette und der Maria Catharina Haxthausen, Wirte des Gasthauses "Zur Sonne" am Marktplatz. Kappel hatte seit 1741 die Bürgerrechte inne und war in den Jahren 1745 und 1757 Dechant der Bäckergilde.

3b. Die zweite Eigentumshälfte erwarb der Schumachermeister Johann Georg Fobbe (~ 24.07.1701; begr. 17.07.1772), Sohn des Schuhmachermeisters Bernhard Fobbe. Fobbe heiratete am 12. Januar 1726 Catharina Elisabeth Nicolai (~01.04.1701; begr. 05.03.1757), Tochter von Nr. 2b. Eine zweite Ehe ging er am 21. September 1757 mit Barbara Catharina Tent (~ 26.02.1710; begr. 11.03.1783) ein, Tochter des Georg Tent und der Edeling Schotte. Barbara Catharina war in erster Ehe verheiratet mit Justus Kayser.

4b. Im Jahr 1773 wird Maria Catharina Kappel (~ 10.06.1750; † 27.01.1789), Tochter von Nr. 3a, als Eigentümerin der Kappelschen Eigentumshälfte eingetragen. Sie heiratete am 26. Mai 1775 den Bäckermeister Johann Henrich Bernhard Neumann (~ 23.12.1742; † 25.01.1789), Sohn des Bäckermeisters Johannes Neumann und der Louisa Blume.

5. Der Ackermann Johann Franz Kappel (~ 23.05.1744; † 13.09.1811), Sohn von Nr. 3a und Bruder von Nr. 4b, wurde 1789 Eigentümer beider Haushälften. Er heiratete am 30. Oktober 1767 Johanna Christina Elisabeth Leye [~ 09.09.1742; † 26.05.1805), Tochter des Schreinermeisters Curt Henrich Leye und der Johanne Margarethe Schumacher. Das Paar hatte wenigstens zwei Kinder:

a) Friedrich Wilhelm Cappel (* 01.03.1773; † 03.07.1844), Nr. 6
b) Johannes Friedrich Christian Kappel (* 01.03.1789; † 27.03.1837), Oberstraße 4.

6. 1812 - Ackermann Friedrich Wilhelm Cappel (* 01.03.1773; † 03.07.1844), ältester Sohn von Nr. 5, Bürger 1807, heiratete am 23. Januar 1807 Juliane Christiane Emmerich (* 28.01.1785; † 20.11.1833), Tochter des Stadtrezeptors Friedrich Christoph Emmerich und der Maria Friedrike Huge. Das Paar hatte mindestens zwei Kinder, nämlich den unter 7. genannten Sohn sowie Christiane Wilhelmine Kappel (* 18.07.1810; † 23.08.1856), die in das Haus Stechbahn 3b einheiratete.

7. 1845 - Johann Christian Wilhelm Cappel (* 21.06.1814; † 22.12.1858), Sohn von Nr. 6, Ackermann und Wirt, Bürger 1846. Er heiratete am 16. Juli 1848 Helene Friederike Louise Wilhelmine Rauch (* 08.03.1830; † 28.09.1850), Tochter des Bäckermeisters und Ratsgewandten Georg Carl Christian Rauch und der Wilhelmine Louise Elisabeth Bartels (Stechbahn 8). Eine zweite Ehe ging er am 09.07.1852 mit Marie Caroline Rüsseler (* 07.09.1824 in Berndorf; † 25.12.1875), Tochter des Ackermanns und Dorfrichters Johannes Rüsseler in Berndorf.

8. Der Bierbrauer und Landwirt Carl Heinrich Friedrich Wilhelm Kappel (* 14.08.1850; † 08.04.1897), Sohn von Nr. 7, erwarb 1874 das Eigentum. Er heiratete am 21. November 1875 Marie Wilhelmine Auguste Christiane Wacker (* 15.12.1851; † 28.03.1938), Tochter des Ackermanns Georg Heinrich Wilhelm Wacker und der Henriette Friederike Elisabeth Krause (Bunsenstraße 3).

9. 1897 erbte der Gast- und Landwirt Wilhelm Kappel (* 03.08.1876; † 17.10.1949), Sohn von Nr. 8, das Haus. Er ehelichte am 2. Juni 1906 in Heringhausen Anna Peuster (* 01.10.1885 in Rhena; † 01.06.1952), Tochter des Revierförsters Wilhelm Peuster (Bringhausen) und der Anna Kappel. Das Paar hatte wenigstens zwei Kinder:

a) Helene Kappel (* 12.10.1907; † 16.01.1997) Karl Weber (Hinter dem Kloster 1)
b) Wilhelm Kappel (Nr. 10)

10. Ebenfalls im Wege der Erbfolge ging das Haus 1952 schließlich auf den Gast- und Landwirt Wilhelm Kappel (* 30.07.1915; † um 1990?) über, Sohn von Nr. 9. Er war seit dem 28. Juli 1943 verheiratet mit Else Hartwig (* 07.07.1914 in Marburg; † um 1990?), Tochter des Landwirts Christian Friedrich Heinrich Hartwig in Niederense und der Friederike Göbel aus Immighausen. Das Ehepaar Wilhelm und Else Kappel blieb kinderlos.

11. Nach dem Tode von Nr. 10 erwarb das Haus Anfang der 1990er Jahre ein Korbacher Getränkehändler. [5]

Äußeres Erscheinungsbild

Im Güterverzeichnis von 1757, Seite 1, heißt es über das Haus:

"Kappel, Friedrich; Wohnhaus, Scheune, Garten und Platz gegenüber dem Rathause; ererbt von seinem Vater Dietrich Kappel. Das Haus hat das Brau- und Pfirchrecht (die Eigentümer gehörden dem Lengefelder-Straßen-Schaf-Consortium an)."

Im Brandkassenregister von 1784, Nr. 179, wird das Gebäude wie folgt beschrieben:

"Kappel, Franz und Neumann Bernhard, Wohnaus aus Holz, 59 x 45 Fuß (ca. 18,5 x 14,1 m), Brandkassenwert 300 Taler."

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts fand sich in der linken Hausseite, unterhalb des heutigen Zwerchhauses, ein großes Tennentor, das bis in das Obergeschoß hochreichte. Es ist um 1920 entfernt und durch eine Eingangstür ersetzt worden. Über dieser wurde ein Fenster in das Gefach eingesetzt, neben die Tür zwei weitere kleine Fenster. Die auf die Erbauer hinweisende Balkeninschrift von 1693 kann sich daher ursprünglich nicht an heutiger Stelle befunden haben und war vielleicht über dem Tor angebracht. Sie lautet:

DIDERICH KAPPEL VNDT ELISABET SEINE ELICHE HAVSFRAVE HABEN
GOTT VERTRAVET VND DIS HAVS GEBAVET ANNO 1693 DEN 30 MAIVS
ALE DIE MICH KENEN DEN GEBE GOTT WAS SIE MIR GÖNNEN [6]

Das Zwerchhaus mit Ladetür ist ebenfalls erst um 1920 eingebaut worden. Die Eingangstür nebst Fenstern wurde zwischenzeitlich wieder entfernt und durch zwei neue Fenster ersetzt. An der linken Hausecke fand sich einst ebenfalls eine Eingangstür, rechts daneben ein Fenster. Heute ist die Anordnung umgekehrt. Der gesamte linke Teil des Hauses wurde im 20. Jahrhundert mithin mehrfach umgestaltet. Der mittlere und rechte Teil des Hauses erfuhr, was Lage und Anzahl der Fenster, Türen und Gefache anbelangt, in den vergangenen 100 Jahren hingegen keine Veränderung.

Bis in die 1990er Jahre beherbergte das Haus das Restaurant "Bauernschänke", seit 1995 die Kneipe "Kappel-Pub", 1998 umbenannt in "Kings".

Die blaue Farbgebung des Gebälks war eine Schöpfung der 1990er Jahre, zuvor war das Fachwerk braun gestrichen. Im Mai/Juni 2017 wurde die Fassade eingerüstet und renoviert. Dabei erhielt die Fassade wieder eine neue Farbgebung. Das Fachwerk wurde erneut braun, die Gefache gelb gestrichen.

Bilder

Anklicken für größere Versionen.

Anmerkungen

[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 5, Stechebahn - Violinenstraße - Heumarkt - Am Steinhaus, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 11-14.
[2] Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS (wie Anm. 1). Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[3] Hermann THOMAS (Bearb.), Heft 7, Dalwigker Straße - Am Butterturm - Grabenstraße - Entengasse - Tränkestraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1960, S. 75 (Entengasse 12). Demnach soll Kappel schon zum Zeitpunkt des Brandes von 1664 das Haus Stechbahn 6 bewohnt und bis zu dessen Neuerrichtung in der Entengasse gewohnt haben.
[4] Zitiert nach Hans OSTERHOLD, Meine Stadt - Korbacher Bauten erzählen Stadtgeschichte, Magistrat der Stadt Korbach (Hrsg.), 4., aktualisierte Auflage 2011, S. 44.
[5] OSTERHOLD (wie Anm. 4), S. 43, auch zu dem nachfolgenden Eigentümer.
[6] Das "E" am Ende von "Hausfrau" war zur Zeit der blauen Farbgebung des Fachwerks nicht ausgemalt. Wie auch bei anderen Häusern sind Unterschiede in der überlieferten und der derzeitig erkennbaren Inschrift zu erkennen. Bei THOMAS (wie Anm. 1) und Wolfgang MEDDING (Bearb.) in: Friedrich BLEIBAUM (Hrsg.), Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Neue Folge, Dritter Band, Kreis des Eisenberges, Kassel 1939, S. 143, heißt es "ELISABETH", bei THOMAS zudem "EHELICHE"; richtig jedoch bei Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 10, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1964, S. 87.