Stechbahn (Korbach)

Die obere Stechbahn im Mai 2017.
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Die Stechbahn (ältere Schreibweise: Stechebahn) ist die Hauptstraße in der Altstadt von Korbach. Wie in anderen Städten mit gleichnamigen Straßen, z.B in Berlin und in Celle, führt der Name zurück ins Mittelalter. Hier sollen Ritterturniere mit Lanzenstechen stattgefunden haben.

Geografie

Ursprünglich nahm die Straße ihren Ausgang am alten Lengefelder Tor, das sich damals neben dem aufgrund des Vertrages vom 6. Oktober 1377 erbauten Rathaus befand. Es wurde vermutlich erst 1593 abgebrochen, als man die Mauer zwischen Alt- und Neustadt niederlegte. Das alte Tor hatte nach der Gründung und schnellen Entwicklung der Neustadt seine Bedeutung verloren. Heute beginnt die Stechbahn am Übergang der Professor-Kümmell-Straße in die Schulstraße auf 385 m ü. NHN. und verläuft als Verlängerung der Lengefelder Straße in südöstlicher Richtung am Kirchplatz vorbei bis zum Altstädter Marktplatz (378 m ü. NHN.). Ihre Länge beträgt rund 240 Meter. Die Häuser 2, 4 und 6 gehören historisch zur Neustadt als Teil der Lengefelder Straße. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden diese drei Häuser anläßlich der Neuordnung der Straßenbezeichnung der Stechbahn zugeschlagen. Bis 1970 mündete zwischen dem Rathaus und dem Haus Stechbahn 3 die Rathausgasse in die Stechbahn. Seit der Errichtung des modernen Rathausanbaus im Jahr 1970 besteht von der Rathausgasse nur noch eine Fußwegverbindung zur Stechbahn. Zwischen den Häusern Stechbahn 5 und Stechbahn 7 zweigt der Tempel von der Stechbahn ab; zwischen den Häusern Stechbahn 13 und dem Platz des Kriegerdenkmals die Kilianstraße. Von Westen münden zwischen den Häusern Stechbahn 8 und Stechbahn 10 die Violinenstraße, zwischen den Häusern Stechbahn 18a (20) und Stechbahn 22 sowie zwischen Nr. 22 und Nr. 24 der Heumarkt und zwischen den Häusern Stechbahn 32 und Am Steinhaus 1 die Gasse Am Steinhaus in die Stechbahn.

Geschichte

Soweit ersichtlich, wird der Name "Stechbahn" als "Stekebane" erstmals in einer Kaufvertragsurkunde vom 9. Juni 1534 schriftlich erwähnt. Mit dem Vertrag veräußerten der Korbacher Bürger Johann Buesebange und seine Frau Alheit ihr Haus auf der Stechbahn (stekebane), das zwischen den Häusern von Johannes Titmerchusen und des Zacharias Weber lag. [1] Wahrscheinlich ist der Name aber schon im Mittelalter gebräuchlich gewesen. Auf der Stechbahn sollen früher Reiterturniere mit Lanzenstechen stattgefunden haben. Einige später hier gefundene Hufeisen, Sporen und Steigbügel weisen darauf hin. Die Fundstücke befinden sich heute im Museum. Von einem solchen Tunier auf der Stechbahn erzählt die Sage Das Findelkind vom Tränketor. Das älteste Gebäude der Straße ist das Rathaus, das nach der 1377 beschlossenen Vereinigung der Alt- und Neustadt erbaut worden war. Im Verlaufe der Jahrhunderte ist die Stechbahn immer wieder von Bränden heimgesucht worden, die das Gesicht der Straße stetig verändert haben. Beim großen Stadtbrand des Jahres 1664, der im Haus Nr. 36 neben dem heutigen Gasthaus "Zur Waage" (Marktplatz 5) entstanden ist, wurde fast alle Häuser zu beiden Seiten der Stechbahn ein Raub der Flammen. Viele wurden vollständig, andere zum großen Teil zerstört. In ganz Korbach wurden insgesamt 198 Häuser eingeäschert, nachdem bereits während des 30-jährigen Krieges 245 von ursprünglich 547 Häusern zerstört worden waren.

Im Jahre 1873 brannte die Contzensche Apotheke vor der Kilianskirche, die daneben stehende Rangesche Scheune (Nr. 13a) und das angrenzende Haus (Nr. 15) ab. Am 13. August 1885 fielen dem großen Stechbahnbrand, der in der Scheune hinter dem Haus Nr. 10 entstanden war, die auf der südlichen Seite gelegenen Häuser Nr. 10, 12, 14 und 16 zum Opfer. Auf der gegenüberliegenden Seite brannten die Häuser Nr. 3 und Nr. 5 nieder. Noch im gleich Jahr begann die Wiederbebauung der Grundstücke. An die Stelle der ursprünglichen Fachwerkhäuser traten jedoch gründerzeitliche Neubauten. Am 20. Oktober 1904 brannte die Scheune hinter dem Haus Nr. 20 ab. In der Nacht vom 26. zum 27. Dezember desselben Jahres wurden die hinter den Häusern Nr. 6 und Nr. 8 gelegenen Scheunen, ferner die erst nach dem Brande von 1873 erbaute Rangesche Scheune in Brand gesteckt. 1963 wurde das Haus Stechbahn 17 aus verkehrstechnischen Gründen beseitigt.

Die obere Stechbahn im August 2010.
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Die bedeutendste Umgestaltung im 20. Jahrhundert erfuhr die Stechbahn in den Jahren 1970 bis 1972 durch die Errichtung des modernen Erweiterungsbaus des Rathauses. Für den umstrittenen Flachdachbetonbau im Stil seiner Zeit wurden sechs alte Häuser, die das historische Rathaus umgaben, abgerissen. Es handelte sich um die sogenannten Mosheimschen Häuser (Professor-Kümmell-Straße 13 und 15), das Haus Nr. 3 sowie die Häuser in der Rathausgasse 12, 14 und 16. Das Haus Nr. 20 wurde bei der Neugestaltung des Heumarktes niedergelegt, da die Bausubstanz schlecht war. Auf dem benachbarten Gartengrundstück Nr. 18 wurde 1976/77 ein Neubau errichtet. Die Häuser Stechbahn 34 und 36 (Gaststätte Klapp "Zur Altstadt") wurden 1977 für die Neuanbindung der Enser Straße an die Stechbahn beseitigt. Im Zuge der Altstadtsanierung wurden das Straßenpflaster und die Bürgersteige in den Jahren 1976/77 erneuert und die Fassaden der Häuser saniert. Die Scheunen hinter dem Hotel zum Rathaus (Nr. 8) wich dem Erweiterungsbau des Hotels. Der in den Jahren 1995 bis 1997 errichtete Neubau des Heimatmuseums (heute: Wolfgang-Bonhage-Museum) brachte eine weitere tiefgreifende Veränderung im Straßenbild der Stechbahn.

Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden sich auf den Bürgersteigen vor vielen Häusern der Stechbahn Freitreppen zu den zumeist über Straßenniveau liegenden Eingängen. Sie wurden fast bei allen Gebäuden entfernt und nach Innen verlegt.

Obgleich das Bild der Stechbahn erst Ende des 19. Jahrhunderts durch Brände nachhaltig verändert wurde und sie zu den am häufigsten fotografierten und künstlerisch verarbeiteten Motiven der Altstadt gehört, sind keine Lichtbilder, Zeichnungen oder Gemälde bekannt, die die obere Stechbahn vom Rathaus bis zur Kilianskirche in ihrer alten Gestalt zeigen. Es ist jedoch anzunehmen, daß die niedergebrannten Fachwerkhäuser ähnlich aussahen wie beispielsweise die Gebäude Stechbahn 7 oder Lengefelder Straße 3 und mit ihren Giebeln zur Straße gerichtet waren. Schmaler, vielleicht ähnlich dem Haus Stechbahn 4, waren die Gebäude Stechbahn 3a und 3b (siehe bei Stechbahn 3).

Über die Stechbahn führen traditionell sämtliche Festumzüge in der Stadt. Einer der ersten dokumentierten Umzüge dieser Art fand am 7. Mai 1579 anläßlich der Eröffnung des Gymnasiums statt und führte von der Kilianskirche aus "mit Musik begleitet, im feierlichen Zuge über die Stechebahn durch's Rathhaus in das Kloster." [2]

Im Frühjahr 2012 drehte Matthias Schweighöfer einige Szenen seines Films Schlussmacher auf der Stechbahn. [3]

Noch bis Anfang des 21. Jahrhunderts gehörte die Stechbahn zu den Hauptgeschäftsstraßen der Altstadt mit zahlreichen inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften, Handwerkern, Dienstleistern und Gaststätten in fast jedem Haus. Bereits seit den 1980er Jahren wurden die meisten dieser Geschäfte nach und nach aufgegeben. Erst in jüngerer Zeit schlossen das Hutgeschäft Löwenstein (Stechbahn 10, 2006), die Buchhandlung Urspruch (Stechbahn 4, 2015) und die Bäckerei Tent (Stechbahn 26 , 2018).

Häuser

Auf der Nordostseite:

Blick vom Rathaus Richtung Lengefelder Straße.
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Stechbahn 1: Rathaus
Stechbahn 3: heute Erweiterungsbau Rathaus
Stechbahn 5
Stechbahn 5a
Stechbahn 7
Stechbahn 9
Stechbahn 11 [4]
Stechbahn 13
Kriegerdenkmal: ehemals Apotheke Contze, Engelhard
Stechbahn 13a: Rangesche Scheune, jetzt Teil des Museums
Stechbahn 15: jetzt Museum
Stechbahn 17: (abgerissen 1963, heute Museum)
zwischen 17 und 19: 1764 abgerissen, jetzt Museum
Stechbahn 19: (jetzt Museum)
Stechbahn 21 (1764 abgerissen)

Auf der Südwestseite:

Stechbahn 2
Stechbahn 4
Stechbahn 6
Stechbahn 8
Hinterhaus 8: bis 1976/77 Scheunen, seitdem Hotelanbau
Stechbahn 10
Hinterhaus 10: bis 1885 Scheune, seitdem Garten
Stechbahn 12
Stechbahn 14
Stechbahn 16
Stechbahn 18
Stechbahn 18a: heute Nr. 20, Vorgängerbau ca. 1870 abgebrochen, dann bis ca. 1975 Gartenplatz.
Stechbahn 20: (abgerissen 1966)
Stechbahn 20a = Heumarkt 5: (abgerissen 1976)
Stechbahn 22
Stechbahn 24
Stechbahn 26
Stechbahn 28
Stechbahn 30
Stechbahn 30a
Stechbahn 32
Stechbahn 34: (1974 abgebrochen)
Stechbahn 36: (1974 abgebrochen)

In einem Vertrag vom 28. März 1592 sind Bernhardt Kniper, Bürger zu Korbach, und Elsabeth, seine Ehefrau, mit ihrem "Wohnhause uff der Stechbahne, zwischen Daniel Kraußhaars und Daniel Hampen Hausen gelegen" genannt. [5] Wo genau das Haus gelegen hat, läßt sich nicht ermitteln. Wahrscheinlich ist das Haus Nr. 19 gemeint, denn das 1764 abgerissene Nachbarhaus befand sich jedenfalls von 1664 bis zu seinem Abriß in Besitz der Familie Hampe. Erster nachgewiesener Eigentümer ist Zacharias Hampe, Bäckermeister und Küster der Altstadt, Sohn des Lorenz Hampe. [6] Mit Vertrag vom 29. Oktober 1666 nimmt Samuel Dicken ein Darlehen von 9 Reichstalern auf, das er für sein Haus auf der Stechbahn verwenden will. [7] Auch hier ist nicht ersichtlich, um welches Haus es sich handelt.

Bilder

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Anmerkungen

[1] Stadtarchiv Korbach (Hrsg.), Korbacher Urkunden - Regesten, Band 1, Korbach 1997, S. 106, Nr. 312.
[2] Gabert/Kreusler/Schumacher (Hrsg.), Waldeckische gemeinnützige Zeitschrift, 1. Jahrgang 1837, S. 434.
[3][2] Bericht in der Onlineausgabe der Waldeckischen Landeszeitung vom 20.05.2012.
[4] In dem Haus findet sich seit fast 80 Jahren der Frisiersalon Bohne. Vgl. die informative familienkundliche Webseite der Familie Bohne.
[5] Bernd KRÖPELIN (Bearb.), Korbacher Urkunden - Regesten, Band 2, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 2002, S. 119, Nr. 775.
[6] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 5, Stechebahn, Violinenstraße, Heumarkt, Am Steinhaus, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 91.
[7] KRÖPELIN (wie Anm. 5), S. 166, Nr. 873.