Stechbahn 22 (Korbach)

Das Haus Stechbahn 22 im Sommer 2015.
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Das Haus Nr. 22 auf der Stechbahn ist ein Ende des 17. Jahrhunderts von Engelbrecht Schönhardt errichtetes Fachwerkhaus in der Altstadt von Korbach. [1] Es beherbergte von Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1901 eine Gastwirtschaft, von 1901 bis Anfang des 21. Jahrhunderts eine Bäckerei (Schönhardt/Weinreich), seit 2012 wieder eine Gastwirtschaft ("Am Pranger"). Infolge zahlreicher Umbauten weist nur noch die straßenseitige Fassade historische Bausubstanz auf.

Geschichte

1. Erster bekannter Eigentümer war der Schmiedemeister Engelbrecht Schönhardt (~ 5. Februar 1617; begr. 30. Januar 1679). Ihm gehörte auch der beim Stadtbrand von 1664 zerstörte Vorgängerbau. [2] Er war der Sohn des Johannes Schönhardt (Bürger 1611) und der Ursel Becker, Witwe des Joachim Carle. Engelbrecht Schönhardt erwarb 1641 die Bürgerrechte, war Ratsmitglied in den Jahren 1651, 1655, 1657, 1661, 1664, 1666 und 1670, Ratsrentmeister und Pfennigmeister in den Jahren 1674 und 1676 sowie Unterbürgermeister. Der Name seiner Ehefrau ist nicht bekannt.

2. Erst 16 Jahre nach dem Tod seines Vaters, 1695, wird der Bäckermeister Christian Schönhardt [~ 22. Januar 1671; † 1754) als neuer Eigentümer eingetragen. Er war verheiratet mit einer Anna Sophie (~ um 1669; begr. 15. Juni 1749) deren Geburtsname und Herkunft nicht bekannt ist. Schönhardt war Dechant in den Jahren 1707, 1708, 1713, 1723 und 1733 und bekleidete zeitweise das Amt des Ratsdieners.

3. Im Jahr 1701 kaufte der Apotheker Abraham Weiner (* im März 1658 in Löwenberg/Schlesien; begr. 26.03.1702) das Haus, nachdem er bereits 1690 die gegenüberliegende Apotheke (siehe Kriegerdenkmal) erworben hatte. Er war Bürger seit 1686, Ratsmitglied in den Jahren 1692 und 1694, sowie Pfennigmeister 1697. Am 24. November 1685 ehelichte er Anna Gertrud Scriba (* 1652; begr. 14.01.1726), Tochter des Pfarrers Ditmar Scriba und dessen zweiter Ehefrau Anna Margaretha Waldeck. Anna Gertrud Scriba war eine Urenkelin des Bischofs Franz von Waldeck. Weiner war zunächst Pächter der Engelapotheke (Stechbahn 4), bevor er vor dem Turm der Kilianskirche seine eigene Apotheke eröffnete.

4. Im Jahr 1726 ist der Apotheker Henrich Christoph Contze (~ 22.05.1685; begr. 01.12.1743) als neuer Eigentümer verzeichnet. Er war der Sohn des Amtsverwalters Anton Contze und der Elisabeth Charlotte Scriba sowie Neffe der Ehefrau von Nr. 3. Contze war Bürger seit 1716, Ratsmitglied 1720 und Unterbürgermeister 1740, verheiratet mit Juliane Catharina Stockhausen (* um 1691; † 22.09.1773), Tochter des Pfarrers Johann Peter Stockhausen. Das Paar hatte wenigstens ein Kind: Eleonore Christine Contze (~ 12.03.1731; begr. 24.10.1783). Sie war in zweiter Ehe mit dem Advocat Carl Ludwig Postelmann verheiratet (Stechbahn 5). Contze war auch Nachfolger Abraham Weiners als Inhaber der gegenüberliegenden Apotheke.

5. 1773, nach dem Tod seiner Mutter, erbte der Apotheker Johann Simon Contze (~ 26.02.1721; † 11.08.1805), Sohn von Nr. 4, das Anwesen. Er heiratete am 13. Juni 1788, im Alter von 67 Jahren, die 34 Jahre jüngere Johannette Christiane Strube (~ 03.08.1755; † 26.11.1819), Tochter des Oberbürgermeisters Otto Michael Strube und der Luise Magdalene Reichmann. Die Ehe blieb kinderlos. Johannette Christiane Strube war in erster Ehe verheiratet mit dem dem Geheimen Obergerichtsrat Theodor Engelhard. Nach Contzes Tod ging eine dritte Ehe mit dem drei Jahre jüngeren Stadtsekretär Henricht Theodor Christoph Engelhard (siehe Kriegerdenkmal, Nr. 8) ein.

Die Rückseite des Hauses vor dem Turm der Kilianskriche im Sommer 2015.
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6. Im Jahr 1810 kaufte der Silberarbeiter Friedrich Christian Saake (* 20.03.1771; † 01.07.1815) das Gebäude. Er war der Sohn des Seilermeisters Johann Christian Saake (Bürger 1762) und der Catharina Elisabeth Loos. Am 4. Oktober 1799 heiratete er Marie Henriette Elisabeth Neumann (* 15.02.1784; † 29.06.1852), Tochter des Bäckermeisters Friedrich Anton Neumann und der Clara Catharina Elisabeth Brauer. Saake erwarb 1799 die Bürgerrechte. Er richtete in dem Haus eine bis Anfang des 20. Jahrhunderts bestehende Gastwirtschaft ein.

7. 1832 ging das Anwesen auf den Silberarbeiter, Kaufmann und Gastwirt Johann Carl August Saake (* 26.09.1808; † 30.12.1856) über, Sohn von Nr. 6. Er heiratete am 19. Februar 1832 Maria Wilhelmine Caroline Schmale (* 15.09.1811; † 17.02.1846), Tochter des Bäckermeisters Friedrich Schmale (Enser Straße 1a) und der Johannette Friederike Leonhardine Curtze. Eine zweite Ehe ging er am 28. Mai 1847 mit Juliane Henriette Louise Schmale (* 04.09.1808; † 19.09.1884) ein, Schwester der ersten Frau, Witwe des Schreinermeisters Henrich Wilhelm Wille. Saake fertigte 1833-39 einige Königsschilder zum Schützenkleinod und zeichnete sie mit "CS". Aus der ersten Ehe ging mindestens ein Kind hervor:

Marie Louise Wilhelmine Saake (* 02.02.1835; † 07.07.1895) 26.12.1856 mit Carl Christoph (oder Christian) Ludwig Schlömer (Professor-Bier-Straße 6).

8. Das Haus wurde zum Zwecke der Erbteilung im Jahr 1857 versteigert. 1858 wurde der Schuhmachermeister, Landbote und Gastwirt Carl Friedrich Christian Wilhelm Beste (* 06.06.1811; † 18.01.1862) als neuer Eigentümer eingetragen. Er war der Sohn des Landboten Jeremias Christian Beste und der Maria Sophie Elisabeth Birkenhauer. Er war seit dem 18. Februar 1836 verheiratet mit Johanne Caroline Christiane Brühne (* 09.03.1831; † 19.12.1877), Tochter des Ackermanns Christian Henrich Brühne und der Wilhelmine Luise Benn. Von 1841 bis 1858 gehörte ihm das gegenüberliegende Haus Stechbahn 11.

9. Im Jahr 1863 ewarb der Bäcker Friedrich Heinrich Christian Nettmann (* 10.02.1816; † ?) das Haus. Er war der Sohn des Schumachers Wilhelm Henrich Nettmann (Hinter dem Kloster 29) und der Charlotte Catharina Goette. Nettmann verzog aus Korbach, weitere Informationen sind deshalb nicht bekannt.

10. 1868 ging das Eigentum auf den Metzgermeister und Gastwirt Ernst Ludwig Wilhelm Graf (* 22.12.1811; † 28.02.1869) über, dessen Haus Professor-Kümmell-Straße 3 am 19. Februar 1867 niedergebrannt war. [3] Graf war der Sohn des Conduktors Friedrich Graf und der Catharina Margarethe (oder Friederike) Nelle. [4] Er erhielt 1841 die Bürgerrechte und heiratete am 26. Dezember desselben Jahres Johanette Henriette Friederike Weinreich (* 18.01.1822; † 07.06.1854), Tochter des Schmiedemeisters Johann Carl Friedrich Weinreich und der Johanette Christiane Happe. Eine zweite Ehe ging er am 26. Dezember 1855 mit Friederike Wilhelmine Louise Benn (* 29.07.1825; † ?) ein, Tochter des Kaufmanns und Tuchmachermeisters Heinrich August Benn und der Johannette Catharina Rappe.

11. Schon 1869 erfolgte der nächste Eigentümerwechsel. Der Bierbrauer Christian Wilhelm Ludwig Peter Klapp (* 05.03.1834 in Freienhagen; † 23.09.1903) erwarb das Gebäude. Er war der Sohn des Gutsbesitzers Peter Klapp und der Friederike Krautner, zuletzt wohnhaft in Gembeck. Klapp heiratete am 2. Dezember 1860 Louise Caroline Auguste Wille (* 20.03.1837; † .. Juli 1915), Tochter des Schreinermeisters Henrich Wilhelm Wille und der Juliane Henriette Luise Schmale. Klapp richtete in dem Haus eine Brauerei ein, in der er ein Bier nach Art der "Berliner Weiße" herstellte. Ende der 1870er Jahre übernahme pachtete August Geyer Brauerei und Gastwirtschaft und betrieb sie 12 Jahre.

12. 1890 wurde der Land- und Gastwirt Hermann Klapp (* 22.09.1884; † ?), Sohn von Nr. 3, als neuer Eigentümer verzeichnet. Er heiratete am 7. Juni 1911 in New York Julie Vohdin (* 20.1891 in New York; [5] † ?), Tochter des Möbelfabrikanten Philipp Vohdin aus Reutlingen und der Lina Klapp aus Korbach. Er übernahm zum 1. März 1890 wieder die Brauerrei und Gastwirtschaft. Im Jahr 1901 eröffnete der Bäckermeister Wilhelm Schönhardt in dem Haus einer Brauerei, nachdem sein Haus Oberstraße 8 im Vorjahr abgebrannt war.

13. Im Jahr 1927 kaufte der Bäckermeister Ludwig Weinreich (* 18.09.1894; † nach 1959) das Anwesen. Er war der Sohn des Schmiedemeisters Heinrich Weinreich und der Luise Caroline Christiane Daubert. Am 12. März 1921 heiratete er Emma Karoline Marie Göbel (* 08.11.1893; † 11.04.1952), Tochter des Fritz Göbel und der Karoline Oppermann, beide aus Goddelsheim. Eine zweite Ehe ging er am 11. Juli 1953 mit Johannette Luise Erbe (* 18.04.1894 in Deisfeld; † nach 1959) ein, verwitwete Heinemann, Tochter des Johannes Erbe in Deisfeld und der Luise Kramer aus Willingen. Die Familie Weinreich betrieb die Bäckerei in vier Generationen bis Anfang des 21. Jahrhunderts.

14. Nachfolger im Eigentum dürfte der Sohn von Nr. 13, Ernst Weinreich (* 10.12.1930; † 27.07.2016 [6] ), geworden sein (nicht belegt).

15. Nach der Aufgabe der Bäckerei stand das Gebäude einige Jahre leer. Ein Korbacher Kaufmann erwarb die Immobilie und baute die Backstube nebst Verkaufsraum wieder in eine Gastwirtschaft um. Seit April 2012 beherbergt das Gebäude das Restaurant "Am Pranger". [7]

Äußeres Erscheinungsbild

Im Jahr 1939 wurde das Haus wie folgt beschrieben: [8]

"Wohnhaus. Zweigeschossig, Fachwerk. Obergeschosse und drei Giebelgeschosse leicht vorgekragt. Quergebälkprofil Kehle und Wulst. 8. Gefache. Seitenfront massiv erneuert. Satteldach mit Krüppelwalm und Zwerchhaus in modernen Falzziegeln und Schiefer. Kleiner Ladeneinbau des 19. Jhs. 18. Jh."

Um 1970 wurde das gesamte Fachwerk im Erdgeschoß beseitigt und massiv erneuert. Die straßenseitige Front wurde mit einer Schaufensterfläche versehen und ein moderner Verkaufsraum für die Bäckerei errichtet. 2012 erfolgte der erneute Umbau. Die Schaufenster wurden beseitigt, die Front massiv aufgemauert und mit Fenstern versehen. Das Hinterhaus sowie der zum Heumarkt gerichtete nördliche Queranbau ist ebenfalls jüngeren Datums. Bis in die 1990er Jahre war hier eine Gartenfläche. Infolge dieser zahlreichen Umbauten zeigt nur noch die straßenseitige Fassade historische Bausubstanz. Im übrigen handelt es sich weitgehend um eine Neuschöpfung des 20. und 21. Jahrhunderts.

Bilder

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Anmerkungen

[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 5, Stechebahn - Violinenstraße - Heumarkt - Am Steinhaus, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 35-38.
[2] Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS (wie Anm. 1). Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[3] Alle Angaben über Ludwig Graf nach Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 1, Professor-Kümmell-Straße und Klosterstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1956, S. 32-33.
[4] Bei Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 4, Lengefelder Straße - Schulstraße - Im Sack - Am Tylenturm, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 33, wird ihr Name mit "Catharina Friederike Nelle" angegeben.
[5] Nach THOMAS (wie Anm. 1), sei sie geboren in "New York-Sontern Pollwart". Die Bedeutung bleibt jedoch unklar; soweit ersichtlich gibt es in Stadt und Staat New York keine(n) Stadt/Stadtteil dieses Namens. Nach im Internet verfügbaren Informationen wurde sie in New York County geboren.
[6] Vgl. Traueranzeige in der Waldeckischen Landeszeitung vom 5. August 2016.
[7] Vgl. Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, Online-Ausgabe vom 16. April 2012: "Umzug in die alte Bäckerei" und Druckausgabe vom 14. April 2012: "Umzug in die alte Bäckerei".
[8] Wolfgang MEDDING (Bearb.) in: Friedrich BLEIBAUM (Hrsg.), Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Neue Folge, Dritter Band, Kreis des Eisenberges, Kassel 1939, S. 143.