Das Haus Nr. 5a am Marktplatz war ein Fachwerkhaus unbekannten Baujahres - wahrscheinlich Ende des 17. Jahrhunderts errichtet - in der Altstadt von Korbach. [1] Es wurde 1906 abgerissen, um den Blick auf das Südportal der Kilianskirche zu eröffnen.
Die Bezeichnung "Nr. 5a" war nicht offiziell, sondern wird hier nur aus Ordnungsgründen verwendet. Nach der damaligen Zählung der Häuser trug es die Nummer 211. Das Haus lag zwischen den Gebäuden Stechbahn 19 und Marktplatz 5c.
1. Erster bekannter Eigentümer war Heinrich Range (~ 29.05.1614; begr. ?), Sohn des Bäckermeisters Johannes Range aus Geismar. Seine Frau war Anna Elisabeth Hagenbusch (* um 1624; begr. 14.10.1694, 78 Jahre), Tochter des Anton Hagenbusch und der Juliane Bernhard. Heinrich Range erwarb 1635 die Bürgerrechte, war in den Jahren 1643 und 1650 Ratsmitglied, 1653/55/57 Pfennigmeister und 1662 sowie 1664 Bürgermeister. Ihm gehörte auch das gegenüberliegende Gebäude Am Steinhaus 1. Die aus Geismar stammende Familie Range wurde 1579 in Korbach durch den Bäckermeister Johannes Range seßhaft. Sie ist 1918 im Mannesstamm in Korbach ausgestorben. In neun Generationen erwarben 20 Mitglieder der Familie Range das Bürgerrecht.
2. 1687 Franz Range
3. 1730 Johann Gabriel Meier
4. 1747 Johann Georg Nicolaus Siegel
5. 1758 Georg Friedrich Hartwig
6. Im Jahr 1764 erwarb der Schutzjude Isaak Nathan (* vor 1730; gest. nach 1776) das Haus. Es gehörte zu den ersten Gebäuden, das in jüdischen Besitz kam, nachdem Juden in Waldeck erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts eine Niederlassungserlaubnis erhielten. Nathan wird erstmals im Jahr 1762 im Seelenregister mit einer Frau und drei Kindern vermerkt. 1770 ist Nathan Mitunterzeichner der Gründungsurkunde der Korbacher Synagogengemeinde. Im Jahr 1771 hatte sein Haushalt sechs Mannsleuten (drei Söhne, drei Knechte) und drei Weibsleute (Ehefrau und zwei Töchter), ebenso 1772. Im Jahr 1774 sind es fünf Mannsleute und vier Weibsleute. Nathan wird erneut in einem Protokoll vom 30. Oktober 1773 erwähnt. 1776 wird er in der Familie des Elias Lazarus (Klosterstraße 4), wahrscheinlich sein Schwiegersohn, aufgeführt. Lazarus' Ehefrau war Hanna Nathan (* um 1746), wahrscheinlich Tochter des Isaak Nathan. [2] Ebenfalls im Jahr 1764 kaufte Nathan auch das Nachbarhaus, Marktplatz 5b.
7. 1784 wird der Schutzjude Marcus neuer Eigentümer des Gebäudes. Im Seelenregister von 1776 wird erstmals eine Familie Marcus erwähnt, wahrscheinlich der Vater des mutmaßlichen Hauserwerbers Samuel Marcus. Zu seinem Haushalt gehörten 6 Mannsleute und 4 Weibsleute. [3] Ein Sohn wurde 1777 geboren. Sechs Jahre später, 1782, ist die Witwe (Wittib) Marcus mit 3 Söhnen, 2 Töchtern, 2 Knechten und 1 Magd aufgeführt. Der Mann und ein Sohn waren verstorben. Ein Sohn aus dieser Ehe war wahrscheinlich der Hauserwerber Samuel Marcus, verheiratet mit Rebecca Lazarus (* um 1773; gest. 13.09.1852), Tochter des Elias Lazarus (Klosterstraße 4). Die Eheleute Marcus/Lazarus hatten mindestens sechs Kinder:
a) Breune (Bräunchen) Marcus (* 1798; gest. ?), verheiratet mit Lazarus Bär Löwenstern (* um 1796 in Höringhausen (?); gest. 26.04.1847), Klosterstraße 9
b) Blümchen Marcus (* 1800; gest. ?), war 1827 in Volkmarsen verheiratet
c) Johanna Marcus (* 1800; gest. ?), war 1827 in Volkmarsen verheiratet
d) Leeser (Lazarus) Marcus, später Markhoff, unten Ziff. 12.
e) Bella Marcus (* 1811; gest. ?), diente 1827 in Volkmarsen
f) Elias Marcus (* 1816; gest. ?), am 23. Februar 1850 aus der waldeckischen Staatsangehörigkeit entlassen, vermutlich ausgewandert.
Sollte die Annahme zutreffen, dass Samuel Marcus das Haus 1784 erworben hat, seine Frau aber erst 1773 und die Kinder erst ab 1798 geboren sind, dürfte er erheblich älter gewesen sein als seine Frau oder er wäre bereits als Kind oder Jugendlicher Eigentümer des Hauses gewesen.
8. 1820 wird der Schutzjude und Handelsmann Raphael Loeb (* um 1753; gest. nach 1826) als Eigentümer des Hauses genannt. Seine Frau hieß Brendel David (* um 1771; gest. nach 1826). In den Seelenregistern der Jahre 1808 bis 1812 wird die Familie Loeb erwähnt, 1808 mit 2 Mannsleuten und 2 Weibsleuten, einem Knaben, einem Mädche und einem unverheirateten Mann. In der statistischen Liste von 1826 sind nur noch die Eheleute Raphael und Brendel Loeb verzeichnet. Danach wird die Familie nicht mehr erwähnt. [4]
9. 1834 wird der Musiklehrer Samuel Katz (* ?; gest. 19.06.1836) als Eigentümer des Hauses genannt. Er war vermutlich der Sohn des Leffmann Katz (Stechbahn 14). Samuel Katz war blind und stiftete für die Armen der Stadt 50 Gulden, deren Zinsen je zur Hälfte an die christlichen und jüdischen Armen der Stadt verteilt werden sollten. [5]
10. 1837 wird Jakob Moses aus Berndorf als Hausbesitzer verzeichnet. Über ihn ist nichts näheres bekannt. Er lässt sich nicht den in Korbach bekannten Familien Moses zuordnen. [6]
11. Im Jahr 1841 wird der Schönfärber Caesar Markhoff als Eigentümer des Hauses genannt. Vielleicht war er ein Bruder von Nr. 12. Er ist jedoch unter den Kindern des Samuel Marcus bei WILKE (wie Anm. 2, S. 185, Nr. 88) nicht genannt und lässt sich in die Familie Marcus/Markhoff nicht näher einordnen.
12. 1849 erwirbt der Färber und Kaufmann Lazarus/Loeser/Leeser Marcus, später Markhoff (* 18.8.1808; gest. 24.09.1889), Sohn von Samuel Marcus (oben, Ziff. 7), das Haus. Er war 1827 Färberlehrling und heiratete 1840 Rebecca Feldheim (* 1818; gest. 07.09.1874), Tochter des Jacob Moses Feldheim (* 08.02.1774; gest. 04.04.1840 in Berndorf; Vater aus Udorf) und der Helene (Lea) Katz (* 1777; gest. 08.03.1840). [7]
13. 1890 erbte Jakob Markhoff das Anwesen. Er erbaute 1890 das neue Haus Stechbahn 10 und veräußerte 1892 das vorliegende Haus an Nr. 14.
14. 1892 kaufte der Färber Calmon (Kalmon/Kalman) Kohlhagen (* 27.05.1869 in Höringhausen; gest. 25.09.1926) das Haus. Er war das dritte von sechs Kindern des Michael Kohlhagen und der Bertha Katzenstein, beide aus Höringhausen. [8] Calmon Kohlhagen wuchs mit seinen Geschwistern in dem 1874 von seinem Vater erworbenen Haus Stechbahn 11 auf. Er heiratete am 23. April 1895 in Borken/Hessen Emma Appel (* 08.07.1874; gest. 1942? in Minsk oder Ausschwitz [9]), Tochter des Samuel Appel und der Riekchen Mannheimer aus Borken. 1905 veräußerte er das Haus an die Stadt Korbach und erwarb das Haus Stechbahn 18. Nach Kohlhagens Tod führte sein Sohn Max (* 08.02.1898; gest. 21.03.1948 in Chicago/USA [10]) die Färberei weiter. Er emigrierte mit seiner Familie im Juni 1938 nach New York.
15. 1905 erwarb die Stadt Korbach das Gebäude und ließ es 1906 abtragen, um den Blick auf das Südportal der Kilianskirche zu eröffnen.
[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 6, Kirchplatz - Marktplatz - Enser Straße - Katthagen - Kleine Gasse, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1960, S. 25-27. Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[2] Alle Angaben nach: Karl WILKE (Bearb.), Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Korbach, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1993, S. 143, 215.
[3] Alle Angaben nach WILKE (wie Anm. 2), S. 185.
[4] WILKE (wie Anm. 2), S. 151, Nr. 59.
[5] WILKE (wie Anm. 2), S. 110, Nr. 23.
[6] Vgl. WILKE (wie Anm. 2), S. 195-197, Nr. 98-99.
[7] Alle Angaben nach WILKE (wie Anm. 2), S. 102-103, Nr. 10; S. 186-187, Nr. 89.
[8] Alle Angaben nach WILKE (wie Anm. ), S. 120-121, Nr. 36; S. 125-126, Nr. 39.
[9] Nach THOMAS (wie Anm. 1), S. 26, ist sie 1942 in Ausschwitz ermordet worden, nach WILKE (wie Anm. 2) zu einem unbekannten Zeitpunkt in Minsk verschollen und für tot erklärt worden. Vgl. auch Arbeitsgemeinschaft Spurensicherung des Kommunalen Jugendbildungswerks der Kreisstadt Korbach, Judenverfolgung in Korbach, Korbach 1989, S. 89. Hiernach ist sie am 28. Juni 1939 nach Kassel gezogen von wo aus sie am 7. September 1942 nach Theresienstadt deportiert worden, von dort nach Minsk gebracht und verschollen sei (m. w. N.).
[10] Angabe auf der Webseite geni.com (Stand: 8. Dezember 2020).