Das Haus Nr. 12 auf der Stechbahn ist ein 1886 von dem Kürschnermeister Friedrich Lückel errichteter Ziegelsteinbau in der Altstadt von Korbach. Das Haus entstand 1886 auf der Brandstätte eines dort bis zum großen Stechbahnbrand von 1885 stehenden Fachwerkhauses. Das Nachbargrundstück Stechbahn 10 blieb bis 1890 zunächst unbebaut.
1. Zur Zeit des großen Stadtbrandes von 1664 wohnte an dieser Stelle Balthasar Berthold, der von den Erben der Hohen Marke zum Bau seines neuen Hauses eine Eiche und zwei Fuder Buchenholz erhielt. [1] Balthasar Berthold (* 1635; begr. 12.09.1697, 62 Jahre), Bürger 1661, Ratsmitglied 1685, 1687, 1690, 1692, 1695, Pfennigmeister. Er war der Sohn des Christoph Berthold und der Gertrud Voß und verheiratet mit Anna Dorothea (* um 1641, begr. am 29.01.1710, 69 Jahre). Balthasar Berthold gehörte auch die später zu einem Wohnhaus umgebaute Scheune Heumarkt 3.
2. Im Jahr 1699 ging das Eigentum an dem Haus auf Henrich Schwartz von Luppich, Stift Minden, über. Er war Grenadier in Major Lazats (?) Kompanie, Bürger seit 1698 und starb vor 1709. Seit dem 14. April 1696 war er verheiratet mit Anna Elisabeth Winand (~ 26.06.1670; begr. 13.07.1755, 85 Jahre, † im Hospital), Witwe des Hermann Winand, Tochter des Caspar Schultze aus Korbach.
3. Der Kaufmann Johann Wilhelm Pann erwarb im Jahr 1745 das Anwesen. Er hatte im gleichen Jahr das Bürgerrecht erhalten und wurde 1783 auch Eigentümer des benachbarten Hauses Nr. 10.
4. Im Jahr 1785 erwarb Panns Schwiegersohn, Johann Friedrich Andreas Eichhorn (~ 05.10.1759 in Pyrmont; † 06.08.1806 in Halle/Saale) das Gebäude. [2] Eichhorn war im gleichen Jahr Bürger der Stadt geworden und hatte am 22. Dezember 1784 die einzige Tochter des Vorbesitzers, Catharina Maria Friederike Pann geheiratet (~ am 2. September 1749 in Helsen, † am 18. Juni 1829 im Alter von 79 Jahren an Brustleiden und Altersschwäche). Friedrich Eichhorn war Handelsmann und vierter Sohn des Ratsgewandten und Justitiars Friedrich Eichhorn zu Pyrmont. Er war auch Eigentümer des benachbarten Hauses Stechbahn 10. Die Eheleute Eichhorn/Pann hatten miteinander sechs Kinder:
a) Georg Wilhelm Theodor Eichhorn (* 17.09.1785; † 16.01.1845 in Berlin), ledig, Kaufmann, später Partikulier zu Berlin, Leipziger Str. 50, begr. auf dem Jerusalemer Kirchhof.
b) Carl Friedrich August Eichhorn (* 24.01.1787 in Adelebsen; † 25.04.1849 in Korbach an Rückenmarksleiden), Hofgerichts- und Kanzleiprokurator, siehe unten, Nr. 5.
c) Ernst Christian Friedrich Eichhorn (* 19.10.1788 in Adelebsen; † 17.06.1873 in Düsseldorf), Oberstleutnant in der Hannoversch.-Engl. Legion
d) Johann Albrecht Eichhorn (* 19.05.1790; † nach sechs Stunden), Zwilling mit e) e) Dorothea Friederike Eichhorn (* 19.05.1790 in Adelebsen; † 20.05.1790 ebenda), Zwilling mit d)
f) Henriette Julie Eichhorn (* 13.10.1792 in Adelebsen; † 12.12.1829 in Amsterdam), begr. in der alten lutherischen Kirch, Grab Nr. 205.
5. Eichhorns Sohn Carl Friedrich August Eichhorn (* 22.01.1787 in Adelebsen; † 25.04.1849) wurde 1810 Eigentümer des Grundstücks und Bürger der Stadt. Er war Kaufmann und Hofgerichtsprokurator sowie Schützenkönig in den Jahren 1840-1843. Er war in erster Ehe verheiratet mit Johanna Wilhelmine Friedrike Wiegand (* 18.07.1789; † 24.06.1818 an eilender Schwindsucht). Sie war die älteste Tochter des Hofrats Wilhelm Wiegand und der Jeanette Philippine Louise Hagenbusch. Eine zweite Ehe ging Eichhorn in Arnsbach mit Anna Magdalene Spangenberg (* 1786 in Großenritte) ein. Sie war die zweite Tochter des Pfarrers Johann Ludwig Spangenberg zu Arnsbach. Im Heimatmuseum Korbach finden sich die farbigen Portraits Eichhorns und seiner zweiten Frau (Pastell auf Papier, vermutlich gefertigt von Friedrich Maul). Eichhorn gehörte auch das Haus Stechbahn 18.
6. Im Jahr 1830 ging das Eigentum auf den Schneidermeister Ernst Anton Friederich Pohlmann (* 11.04.1793 in Ottlar; † 02.02.1863 in Korbach) über. Er war der Sohn des Johann Adam Pohlmann in Ottlar und seit dem 26. Oktober 1826 verheiratet mit Henriette Christiane Stiebeling (* 06.09.1794 in Gedern; † 27.01.1848 in Korbach), Tochter des gräflich- stolbergischen Kammerdieners Johann Friedrich Stiebeling in Gedern. Ebenfalls im Jahr 1826 hatte er das Korbacher Bürgerrecht erworben.
7. Pohlmann veräußerte das Anwesen im Jahr 1849 an den Bäckermeister Ludwig Heinrich Wilhelm Hartwig (* 14.04.1820; † 21.12.1863), Sohn des Bürgermeisters und Bäckermeisters Johann Heinrich Christian Justus Hartwig und der Maria Juliane Urspruch. Er war seit 1842 Bürger der Stadt und heiratete am 04.06.1848 die Christiane Wilhelmine Louise Urspruch (* 28.09.1828; † 31.03.1869), Tochter des Bürgermeisters und Schmiedemeisters Heinrich Urspruch und der Johannette Louise Friederike Vesper. Christiane Urspruch ging am 07.02.1865 eine zweite Ehe mit dem Bäckermeister Johann Henrich Bernhard aus Bühle ein. Hartwig bewohnte sein benachbartes elterliches Haus Stechbahn 14.
8. 1864 erwarb Friedrich Wilhelm Lückel (1833-1912) das Gebäude, welches 1912 im Wege der Erbfolge auf seinen Schwiegersohn Friedrich Löwenstein (1877-1930) und 1930 auf dessen Sohn gleichnamigen Sohn, Friedrich Löwenstein (1911-1945), überging. 1950 wurde ging das Grundstück schließlich auf des letzteren Sohn (* 1944) über, in dessen Eigentum es sich noch heute befindet. Nach dem zweiten Weltkrieg betrieb Willi Reuter, Bruder des Malermeisters Rudolf Reuter und über seine Mutter Dora Lückel ebenfalls Enkel Friedrich Lückels, viele Jahre in einem Raum des Erdgeschosses, dort wo sich heute die Eingangstür befinden, ein kleines Reisebüro. Die zum Haus Nr. 12 gehörenden Schaufensterflächen werden seit 2007 vom benachbarten Hotel Goldflair (Stechbahn 8) genutzt.
9. Nach Lückels Tod im Jahr 1912 führte sein Schwiegersohn Friedrich Löwenstein (1877-1930) das Hut- und Herrenmodengeschäft im Erdgeschoß der Häuser Stechbahn 10 und 12 weiter. Dieser vererbte das Haus an seinen Sohn Friedrich Löwenstein (1911-1945). Das Hutgeschäft bestand bis Ende 2006. [3] Seit dem Jahr 2007 befindet sich im Erdgeschoß eine Fahrschule. Das Haus ist noch immer in Familienbesitz. Seit den 1930er Jahren bis zu ihrem Tod 2003 bewohnte Nelly Löwenstein die Wohnung im ersten Stock des Hauses, von 2010 bis 2014 die Schwiegermutter ihres Sohnes, Mathilde Bax.
Das 1885 abgebrannte Fachwerkhaus ist im Brandkassenregister 1784 unter der Nummer 156 verzeichnet:
"Pann, Johann Wilhelm, Wohnhaus, Fachwerk, 28 x 27 Fuß groß, Wert: 200 Taler."
Im Güterverzeichnis 1757 wird es auf Seite 400 aufgeführt:
"Pann, Johann Wilhelm, Wohnhaus auf der Stechebahn zwischen Chirurgus Otto (Nr. 10) und Jost Heinrich Jäger (Nr. 14)".
Anklicken für größere Versionen.
[1] Soweit nicht anders vermerkt, sind alle Angaben entnommen aus: Hermann THOMAS, Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 5, Stechebahn - Violinenstraße - Heumarkt - Am Steinhaus, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 20-22.
[2] Alle folgenden Angaben über die Familie Eichhorn aus: Genealogisches Handbuch Bürgerlicher Familien (Deutsches Geschlechterbuch), Band 9, Görlitz 1902, S. 109 ff. [114-117]; vgl. auch Helmut NICOLAI (Hrsg.)/Wilhelm HELLWIG/Ingeborg MOLDENHAUER (Bearb.), Waldeckische Wappen - Beiträge zur Familiengeschichte, Teil 2 - Bürgerwappen, Arolsen 1987, Nr. 99, S. 177; dieselben, Teil 3 - Wappen der Waldeckischen Städte und Großgemeinden, Familienwappen und Hausmarken, Arolsen 1991, Nr. 121, S. 166: dort wird fälschlich angegeben Carl Friedrich August Eichhorn sei Eigentümer der Häuser Stechbahn 10 und 12 gewesen. Das trifft jedoch nur auf seinen Vater zu. Carl Friedrich August Eichhorn gehörten die Häuser Stechbahn 12 und 18.
[3] Waldeckischer Landeskalender 2008, S. 60 (19. Dezember).