Das Haus Nr. 4 in der Oberstraße ist ein 1904/05 von dem Gastwirt Wilhelm Saure errichtetes Steinhaus in der Altstadt von Korbach [1] Der Vorgängerbau war um 1700 auf der Brandstätte eines beim Stadtbrand von 1664 zerstörten Hauses gesetzt worden und wurde seinerseits bei einem Brand am 26. Februar 1904 stark beschädigt.
1. Erster bekannter Eigentümer des Vor-Vorgängerbaus war der Kaufmann und Wollzeugfabrikant Henricus Engelhard (~ 03.05.1700; begr. 18.03.1764). Er war der Sohn des Johannes Engelhard (Oberstraße 6 und 8) und der Agnes Theiß. Er erwarb 1724 die Bürgerrechte und heiratete am 20. November 1725 Maria Catharina Limpert (~ 13.04.1707; begr. 10.04.1740), Tochter des Caspar Limpert (Hinter dem Kloster 5) und der Anna Erich Asmuth, Stieftochter des Ludwig Asmuth. Aus dieser Ehe gingen mindestens zwei Kinder hervor:
a) Johann Ludwig Engelhard (~ 17.12.1726; begr. 03.12.1789), Professor-Bier-Straße 12
b) Friedrich Adolf Engelhard (~ 29.07.1728; begr. 23.02.1794), Kirchstraße 8
Eine zweite Ehe ging er um 1741 mit Anna Margarethe Nelle (* 29.10.1712 in Meineringhausen; begr. 23.12.1804) ein, Tochter des Pfarrers Walter Nelle und der Eleonore Catharina Scriba. Engelhard war Ratsmitglied 1728, Pfennigmeister 1739-1741, Unterbürgermeister 1742, 1744-1745, 1748, 1757-1758. Er kaufte 1727 das Wohnhaus Professor-Kümmell-Straße 5. Es läßt sich nicht feststellen, ob er das Haus Oberstraße 4 von seinem Vater Johannes Engelhard erhielt oder ob er es selbst hat erbauen lassen.
2. 1744 kaufte der Weißgerbermeister Johann Bernhard Cranz/Crantz (* um 1711 in Schmillinghausen (?); begr. 27.09.1762, 51 Jahre) das Gebäude. Er erwarb 1744 die Korbacher Bürgerrechte. Der Name seiner ersten Ehefrau ist nicht bekannt. Sie wurde begraben am 28.04.1757 und war 64 1/2 Jahre alt. Am 26. Oktober 1757 ging Cranz eine zweite Ehe mit Dorothea Henriette (Felicitas) Jäger (* 1737; † 27.05.1803) ein, Tochter des Christoph Jäger in Lengefeld. Aus der Ehe ging mindestens ein Kind hervor:
Henrich Christian Crantz, Nr. 4
Sie heiratete in zweiter Ehe Nr. 3. Johann Bernhard Cranz stammte aus Schmillinghausen. [2]
3. 1763 wurde der Weißgebermeister Johann Justian Emmerich (~ 09.04.1730; † 19.10.1810) Eigentümer des Hauses, indem er die Witwe von Nr. 2, Dorothea Henriette Jäger, heiratete. Emmerich erwarb 1763 die Bürgerrechte, war Ratsmitglied 1772 und 1778 sowie Ratsrentmeister im Jahr 1784. Er war der Sohn des Justus Emmerich II. und der Anna Sophia Dulfigge. Im Kirchenbuch der Neustadt heißt es über ihn: "Ein ehrbarer und braver Bürger und Christ".
4. 1811 erhielt der Weißgerbermeister Henrich Christian Henrich Christian Cranz (~ 02.07.1758; † 18.01.1835), Sohn vo Nr. 2, das Haus. Er erwarb 1784 die Bürgerrechte und war Ratsmitglied im Jahr 1799. Am 16. April 1784 heiratete er Anna Catharina Müller (~ 25.09.1763; † 08.10.1847), Tochter des Hutmachers Elias Müller und der Elisabeth Emde.
5. 1815 wurde der Bäckermeister Johannes Friedrich Christian Kappel (* 01.03.1789; † 27.03.1837) neuer Eigentümer des Hauses, nachdem er am 11. Dezember 1812 die älteste Tochter von Nr. 4, Friederike Christiane Cranz (~ 14.03.1790; † ?) geheiratet hatte. Er war der jüngste Sohn des Johann Franz Kappel (Stechbahn 6) und der Christiane Elisabeth Leye. 1812 erwarb er die Bürgerrechte.
6. 1841 kaufte der Schreinermeister und Gastwirt Wilhelm Friedrich Carl Schmalz (* 27.08.1798; † 11.01.1878) das Haus. Er war der dritte Sohn des Schreinermeisters Georg Anton Schmalz (Im Sack 16) und der Friederica Hopf(f )aus Goddelsheim. Er erwarb 1824 die Bürgerrechte und heiratete am 7. Juni desselben Jahres Christiane Friederike Emde (* 25.12.1807; † 14.08.1882), älteste Tochter des Ackermanns Johann Justus Ludwig Emde (Hinter dem Kloster 1a) und der Henriette Gockel. Carl Schmalz war von 1825 bis 1834 Eigentümer des Nachbarhauses Oberstraße 6 und von 1834 bis 1841 des Hauses Im Sack 2. Die Eheleute hatten mindestens zwei Kinder:
a) Karl Schmalz, Nr. 7
b) Friedrich Schmalz, Kirchstraße 3
7. 1868 erhielt der Sohn von Nr. 6, der Schreinermeister und Gastwirt Henrich Wilhelm Karl Louis Schmalz (* 13.12.1825; † 13.1.1900), Bürger 1848, das Haus. Er vermählte sich am 24. April 1848 mit Anna Elisabeth Krummel (* 17.06.1824; † 19.05.1856), Tochter des Altstädter Schullehrers Anton Philipp Krummel (Professor-Bier-Straße 12a) und der Maria Henriette Tent. Die Ehe blieb kinderlos. Am 25. Januar 1857 ging er eine zweite Ehe mit Bertha Chrstiane Wilhelmine Emde (* 12.03.1825; † 05.06.1858) ein, Tochter des Bäckermeisters Heinrich August Wilhelm Emde und der Dorothea Maria Hopff aus Goddelsheim. Aus dieser Ehe stammt ein Kind. Seine dritte Ehefrau wurde am 17. Juni 1859 Christine Bechstein (* 20.08.1831 in Rotenburg/Fulda; † 07.05.1894), Tochter des Orgelbauers Friedrich Bechstein zu Rotenburg/Fulda. Schmalz überlebte alle drei Ehefrauen. Von 1849 bis 1865 war er Eigentümer des Hauses Professor-Bier-Straße 12a, das er durch die Heirat mit einer ersten Frau erhalten hatte. Von der Familie Schmalz wurde in dem Haus eine der Privatbrauereien eingerichet, die in jener Zeit an die Stelle der aufgelösten Braugenossenschaften traten. Der Familie gehörte damals bereits der "Felsenkeller" vor dem Berndorfer Tor, in dem das Eis zum Kühlhalten des Bieres während der warmen Jahreszeit gelagert wurde. In dem Hohlweg, an dem der Felsenkeller lag, wurde von der Familie Schmalz eine Kegelbahn eingerichtet. Die Familie besaß zudem das in der Nähe gelegene Wohnhaus Arolser Landstraße 30.
8. 1895 kaufte der Gastwirt Christian Rüsseler (* Berndorf; † ?) das Haus für 17.500 Mark. Über den Erwerb berichtete die Corbacher Zeitung Nr. 141 vom 30. November 1895:
"Wie uns mitgeteilt wird, geht die gut frequentierte Gastwirtshaft des Herrn Carl Schmalz in der Oberstraße mit dem 15. Dezember d.J. in den Besitz des Herrn Christian Rüsseler über. Herr Rüsseler leitete früher längere Zeit mit bestem Erfolg eine schwungvolle Wirtschaft in Barmen.
Bereits wenige Jahre später veräußete Rüsseler das Haus mit Verlust an Nr. 9 und zog wieder nach Elberfeld-Barmen.
9. 1901 erwarb der Gastwirt Wilhelm Saure (* 14.05.1872 in Wakenfeld bei Willingen; † 16.03.1934) das Anwesen für 14.000 Mark von Nr. 8. Er war der Sohn des Heinrich Saure und der Luise Figge, aus Wakenfeld/Willingen). Seit März 1900 war er mit Johanna Henriette Conradine (Dina) Brückmann (* 02.06.1875 in Feldheim an der Ohl; † 23.06.1930) verheiratet. Am 27. Februar 1904 brannte das Gebäude ab. Dieser Brand wurde in der Corbacher Zeitung Nr. 26 vom 1. März 1904 wie folgt geschildert:
"Corbach, den 27. Februar. Am Freitag abends gegen 8 Uhr brach in dem Mittelgebäude des Gastwirt Saureschen Hauses in der Oberstraße Feuer aus, das sehr rasch den ganzen Dachstuhl ergriff. Die Freiwillige Feuerwehr und die Mannschaften der Pflichtfeuerwerhr waren schnell am Platze und griffen die Brandstätte von zwei Seiten mit dem Erfolg an, daß das brennende Haus nur teilweise dem rasenden Element zum Opfer fiel. Am anderen Morgen brannte plötzlich ein Anbau (Schuppen mit Holzvorräten) lichterloh und auch im Hause entstanden immer neue Ausbrüche. Nachmittags, abends und noch einmal um 10 Uhr wurde durch die Schelle bekannt gemacht, daß jeder, welcher das Feuer schüre oder verschleppe, als Brandstifter behandelt werden würde. Während das Hintergebäude fast ganz abbrannte, ist das Vordergebäude noch ziemlich intakt, jedoch hat das an sich alte Gebäude stark durch Wasser gelitten. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt. Die Entstehungsursache ist unbekannt. Seit August 1900 ist dies bereits der dritte Brand in der Oberstraße."
Gastwirt Saure erhielt von der Waldeckischen Brandkasse eine Entschädigung von 8.464,76 Mark (Nachricht in der Corbacher Zeitung vom 12. September 1905). Er ließ auf der Brandstätte das heutige Haus errichten. Nach dessen Veräußerung an Nr. 10 bezog Saure ein neu erbautes Gebäude am Waldecker Berg, Wildunger Landstraße 25, Privatklinik des Dr. med Dumke (Waldhausklinik).
10. Im Jahr 1926 erwarb der Gastwirt Friedrich Behle (* 29.10.1872 in Rattlar; † 18.01.1964) das Gebäude. Er war der Sohn des Schuhmachers Friedrich Behle (Tränkestraße 6) und der Henriette Hellwig. Am 4. Juni 1910 heiratete er in Elberfeld Helene Bönner (* 28.08.1886 in Arnsberg; † 27.04.1968), Tochter des Metzgers Albrecht Bönner in Arnsberg und der Marie Hegemann aus Werl/Westfalen). Behle war 1919 Mitglied des Waldeckischen Landtags, 1919-1928 Mitglied des Korbacher Gemeinderats und bis 1933 Mitglied des Kreisvorstandes. Seine Schwester war Marie Dude (Kilianstraße 8/Stechbahn 19). Behle geriet in finanzielle Schwierigkeiten und die Gastwirtschaft wurde nach wenigen Jahren wieder aufgegeben.
11. Im Jahr 1963 wurde der Sohn von Nr. 10, der Kaufmann Friedrich August Martin Max Behle (* 08.08.1918; † ?) als neuer Eigentümer eingetragen. Er war seit dem 14. Januar 1947 mit Hildegard Händeler (* 22.09.1924 in Neuß; † ?) verheiratet, Tochter des Kaufmanns Hermann Händeler und der Johanna Adele Hammermann aus Neuß. Behle führte die Gastwirtschaft in dem Haus fort.
12. 1975 erwarb der Verleger
Dr. Wilhelm Bing (* 1943) das Gebäude. Der hinter dem Haus gelegene Saalanbau wurde 1975 für die Erweiterung des Verlagshauses (Lengefelder Straße 6) abgerissen. 1989/90 wurde das Haus umgebaut und saniert, die Wohnung im Obergeschoss zu Gesellschaftsräumen umgestaltet. Die Gastwirtschaft in dem Haus trug seitdem den Namen "Pfeffermühle". Bereits seit den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts führte die Gastwirtschaft zudem den Namen "Deutsches Haus". Der entsprechende steinerne Schriftzug "Zum deutschen Haus" findet sich auch heute noch an der Giebelseite über dem Eingang sowie an der zur Ketzerbach gelegenenen Traufseite des Hauses.
13. 1996
2012 wurde die Gaststätte im Erdgeschoss erneut saniert. Seitdem fand sich hier das spanische Restaurant "El Torito". Nachdem der Restaurantbetrieb in dem Haus aufgegeben worden war, wurden die Räume im Erdgeschoss in Büroflächen umgewandelt. Das Haus stand im Oktober 2018 bei immowelt.de für 339.000,- Euro und im Oktober 2025 erneut bei immowelt.de für 499.000,- Euro zum Verkauf. Die Grundstücksgröße wurde mit 245 m², die Wohnfläche mit 425 m² angegeben.
Der am 26. Februar 1904 abgebrannte Vorgängerbau hatte nach dem Brandkassenregister 1784, Nr. 218, eine Größe von 59 x 31 Fuß (ca. 18,5 x 9,7 m) mit einem Brandkassenwert von 250 Talern. Die Lage des Hauses wird im Güterverzeichnis von 1757, S. 99, wie folgt beschrieben:
"Wohnhaus zwischen Bürgermeister Hartwig [Anm.: Oberstraße 2] und dem Weg, so darvor und daneben hergeht. Gärtchen dabei. Das Haus besitzt das Brau- und Pfirchrecht."
[1] Hermann THOMAS/Karl WILKE/Lothar GERLACH (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 3, Kirchstrasse - Unterstrasse - Nikolaistrasse - Oberstrasse - In der Pforte - Brauberg - Ketzerbach - Ascher - Mauergasse, 2. Auflage, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 2003, S. 115-118. Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[2] Bei Hilmar G. STOECKER (Bearb.), Waldeckische Ortssippenbücher, Band 38, Schmillinghausen, Waldeckischer Geschichtsverein e.V. (Hrsg.), Arolsen 1992, S. 209 f., ist er jedoch nicht genannt, sondern nur seine mutmaßlichen Geschwister.