Professor-Kümmell-Straße 9 (Korbach)

Das Haus Professor-Kümmell-Straße 9
im August 2019.
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Das Haus Nr. 9 in der Professor-Kümmell-Straße ist ein ursprünglch zwischen 1664 und 1691 von Johann Daniel Huge errichtetes Fachwerkhaus in der Altstadt von Korbach. [1] In den Jahren 2016 bis 2018 wurde das Gebäude vollständig entkernt und saniert. Von der ursprünglichen Bausubstanz blieben nur einige Teile des Fachwerkaufbaus erhalten. Im übrigen handelt es sich um eine vollständige Rekonstruktion.

Geschichte

1. Das Gebäude wurde an die Stelle des beim Stadtbrand von 1664 vernichteten Wohnhauses der Familie Huge gesetzt. Als Eigentümer des abgebrannten Vorgängerbaus ist der Wolltuchhändler Johannes Huge (~ um 1597 in Hattingen; † 16.06.1651) genannt. Wem das Grundstück zuvor gehört hat, ist nicht überliefert. Johannes Huge stammte, wie der drei Häuser weiter ansässige Dietrich Wilstach, aus Hattingen. [2] Huge erwarb 1622 die Bürgerrechte und heiratete am 23. Oktober desselben Jahres Anna Maria Hetzel († 19.08.1625), Tochter des Gastwirts "Zur Krone", Stephan Hetzel (Bürger seit 1598), der 1616 in seinem Hause von Ernst Döring erstochen worden war. Wahrscheinlich hat Huge das schwiegerelterliche Haus bewohnt und die Gastwirtschaft weitergeführt. Am 29. Mai 1626 ging Huge eine zweite Ehe mit Catharina Heinemann († 29.10.1673) ein (Kirchstraße 4). Huge war in den Jahren 1627, 1631 und 1633 Ratsmitglied, Unterbürgermeister 1641 sowie Oberbürgermeister in den Jahren 1644, 1646 und 1650.

2. Nachfolger im Eigentum wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt der Sohn von Nr. 1 und dessen zweiter Ehefrau, der Kaufmann Johann Daniel Huge (* ?; [3] † 19.11.1705). Er war verheiratet mit einer Angela Catharina, die am 2. März 1772 im Alter von 83 Jahren starb. Sie muß wesentlich jünger gewesen sein als ihr Mann. Offenbar war sie seine zweite Ehefrau, denn als Mutter der Tochter Margarethe wird eine Engel Ellich angegeben. [3a] Huge hatte seit 1665 die Bürgerrechte inne, war Ratsmitglied in den Jahren 1668, 1670-1672 und 1674, Pfennigmeister 1679 und 1682 sowie Oberbürgermeister in den Jahren 1688, 1690, 1697 und 1702-1704. Johann Daniel Huge hatte mindestens vier Kinder:

a) Margarethe Huge Josias Strube (Professor-Bier-Straße 4)
b) Johannes Huge (Kirchstraße 12)
c) Dr. med. Johann Georg Huge (Kirchstraße 18)
d) Johann Wilhelm Huge (Nr. 3)

3. 1706 ist sodann Johann Wilhelm Huge (~ 18.08.1682; † 12.06.1725), Sohn von Nr. 2, als neuer Besitzer verzeichnet. Er war Bürger seit 1706, Ratsmitglied in den Jahren 1711, 1713, Unterbürgermeister in den Jahren 1717/18 sowie Oberbürgermeister 1722/23. Am 4. Juni 1707 heiratete er in Berich Christine Elisabeth Pape (* 1687; † 05.04.1757), Tochter des Justus Matthias Pape, Konduktor zu Berich, und der Anna Elisabeth Di(e)ckmann. Das Paar hatte wenigstens neun Kinder [4] , darunter: Johann Wilhelm (II.) Huge (Nr. 4), Josias Daniel Huge (Stechbahn 16) und Johann Justus Huge (Stechbahn 32).

4. 1754 wurde Johann Wilhelm (II.) Huge (~ 01.09.1720; † 18.03.1765), Sohn von Nr. 3, Eigentümer des Gebäudes. Er war Bürger seit 1754, Amtsschreiber in den Jahren 1742-48 und Rentschreiber des Amtes Eisenberg 1749-61. Am 11. Mai 1753 heiratete er Maria Magdalena Louise Postelmann, Tochter des Amtsmanns zu Landau, Bernhard Christian Postelmann, und der Dorothea Elisabeth Bussius (Stechbahn 18). Das Paar hatte fünf Kinder: Dorothea Elisabeth (~ 27.09.1754, vermutlich früh verstorben, da gleichnamige ältere Schwester vorhanden), Magdalena Karoline Christiane (~ 13.09.1756 10.06.1791 in Helsen mit Christoph Hoffmann, Schreinermeister ebenda), Dorothea Elisabeth (~ 20.10.1758 in Mengeringhausen mit Christian Philipp Esau, Goldschmied und Bürgermeister ebenda), Karl Wilhelm (* 12.02.1762) und Wilhelm (* 18.06.1764; 1782 Jurastudent in Göttingen).

5. Georg Christian Range (~ 08.04.1731; † 23.05.1777) erwarb das Haus im Jahr 1755 oder 1775. [5a] Er war der Sohn des Schumachermeisters Johann Daniel Range und der Catharina Elisabeth Elich. Am 23. Februar 1762 heiratete er Eva Juliane Elisabeth Salgo (~ 01.10.1736; † 18.04.1798), jüngste Tochter des Chirurgen Johann Ulrich Salgo und der Anna Elisabeth Curtze. Range erwarb 1764 die Bürgerrechte, war Ratsrentmeister im Jahr 1775, Verwalter von Schweckhausen sowie Gastwirt. Seit 1775 führte das Gebäude die Bezeichnung "Zum Engel" oder auch "Zum goldenen Engel".

6. Im Wege der Erbfolge wurde im Jahr 1799, nach dem Tode seiner Mutter, der Gastwirt Johann Christian Range neuer Eigentümer des Hauses. Er war der Sohn von Nr. 5, Bürger seit 1798 und ebenfalls Gastwirt "Zum Engel". Am 29. Oktober 1799 heiratete er Johanna Friederike Esau (~ 10.07.1763 in Mengeringhausen; † 23.12.1827), Tochter des Ratsseniors Carl Esau in Mengeringhausen. [6]

7. Range veräußerte das Haus nur zwei Jahre später, 1801, an Johann Friedrich Goette (~ 28.09.1759; † 27.01.1820), Sohn des Bäckermeisters Friedrich Tilemann Goette (Marktplatz 3b) und der Maria Elisabeth Curtze. Goette folgte Range auch als Gastwirt des "Goldenen Engels", war zudem Ratsmitglied 1793, Pfennigmeister, Milizrezeptor, Stadtoffizier und dreimal Schützenkönig (1790, 1793 und 1801). Eine Gedenkmünze aus dem Jahre 1793 befindet sich noch an dem Korbacher Schützenkleinod. Nachdem er 1786 die Bürgerrechte erworben hatte, ehelichte er am 9. Januar 1787 Eleonore Wilhelminie Sophie Fritsch (* 1767; † 24.07.1799), Tochter des Johann Henrich Fritsch, Verwalter der von Huyssischen Güter, und der Helene Margarethe Fresenius. Eine zweite Ehe ging Goette am 7. Februar 1800 mit Johanette Christiane Happe ein (~ 21.12.1769; † 30.07.1831), Tochter des Schmiedemeisters Johann Georg Happe und der Anna Elisabeth Friederike Tent. Goette gehörte von 1795 bis 1802 das Haus Stechbahn 10.

8. Im Jahr 1824 wird Georg Karl Wilhelm Ludwig Götte (* 18.03.1804; † 10.10.1859), Sohn von Nr. 6 aus dessen zweiter Ehe mit Johanette Christiane Happe, neuer Eigentümer. Auch er war Gastwirt "Zum Goldenen Engel" und erwarb 1824 die Bürgerrechte. Am 20. April 1842 heiratete er Wilhelmine Karoline Friedrike Scriba (* 31.12.1810 in Berndorf; † 15.03.1888), Tochter des Landknechts Johann Christian Wilhelm Scriba in Berndorf und der Friederike Hunold. Vom Jahre 1860 ab wird das Haus unter der Bezeichnung "Gast Louis Götte - Erben" geführt. In den Haus übernachteten 1875 die Prinzen Wilhelm - der spätere Kaiser Wilhelm II. - und Heinrich von Preußen als sie während ihrer Kasseler Gymnasiastenzeit mit ihrem Lehrer inkognito durch das Waldecker Land wanderten. Zuvor waren sie im "Waldecker Hof" (Professor-Bier-Straße 18) nicht erkannt und wegen schmutziger Stiefel abgewiesen worden. Die Prinzen verewigten sich auf einer Fensterscheibe des Hauses. [7] Als der Pächter des "Waldecker Hofes", der aus Belecke in Westfalen stammende Ludwig Gödde hörte, daß er die preußischen Prinzen abgewiesen hatte, zog er seinen Gehrock an, eilte zum "Goldenen Engel", entschuldigte sich dort und bat die Prinzen zur Rückkehr in sein Hotel. Seine Bitte wurde jedoch abgelehnt, die Gäste blieben im "Goldenen Engel". [8] Im Jahr 1888 starb die letzte Inhaberin des Gasthauses, Frau "Engelgötte". Am 15. November 1888 wurde in der Corbacher Zeitung das Haus von den Erben zum Verkauf angeboten: "Das zu Corbach in der Landstraße 88 in bester Lage gelegene Haus, in dem seit ca. 100 Jahren ein Hotel verbunden mit Gastwirtschaft mit Erfolg betrieben worden ist, soll erbaufteilungshalber verkauft werden."

9. Erst 1891 ist ein erneuter Eigentümerwechsel verzeichnet. Wolf Katz (* 22.09.1860 in Hatzbach; † 22.12.1930), Sohn des David Katz und der Sarah Anton aus Frankenberg/Eder, übernahm das Anwesen. Er war verheiratet mit Hilda Baum (* 02.09.1865 in Wittelsberg/Krs. Marburg; † 25.01.1931), Tochter des Kaufmann Baum und der Roschen Lamm aus Wittelsberg. Die Eheleute zogen am 2. November 1889 von Frankenberg/Eder nach Korbach zu. Wolf Katz betrieb in dem Haus einen Viehhandel. Das Paar hatte fünf Kinder: 1. Friederike, genannt Frieda (* 01.12.1890), verh. am 27.07.1920 mit David Köln; 2. David, genannt Theodor (* 12.02.1892; † gefallen als Soldat 01.08.1915); 3. Selma (* 10.11.1893), lebte seit 1899 in Frankenberg; 4. Rosalie (* 11.06.1896); 5. Karl (* 09.06.1899). [9]

10. Im Jahr 1932 wird Carl Katz (* 09.06.1899; † 1974 in Rio de Janeiro), Sohn von Nr. 8, Besitzer des Hauses. Er führte den Viehhandel seines Vaters fort. Er heiratete am 26. Oktober 1931 in Gelsenkirchen-Horst Marta Steinnitz (* 06.06.1908; † Mai oder Juni 1987 in Rio de Janeiro). Das Paar hatte mindestens ein Kind: Helma (* 28.02.1933 in Korbach), die mit ihrem Mann Stefan in Sao Paulo leben soll. Die Familie Katz ist im Juli 1937 nach Rio de Janeiro emigriert. [10]

11. Der Schumachermeister Heinrich Wittekind (* 26.05.1889 in Immighausen; † 07.03.1962), Sohn des Heinrich Wittekind (Violinenstraße 24) und der Karoline Vesper aus Immighausen, wurde 1938 neuer Eigentümer. Er heiratete am 24. Dezember 1913 in Rhadern die Anna Kesting (* 07.03.1885 in Radern; † 09.02.1932). Eine zweite Ehe ging er am 21.04.1935 mit Karoline, genannt Lina, Buckert (* 21.03.1896 in Fürstenberg; † 12.08.1968) ein, Tochter des Landwirts Hermann Buckert (1861-1923) und der Elisabeth Bamacker (1861-1940). [11] Wittekind verlegte das von seinem Vater 1917 im Haus Violinenstraße 24 gegründete Schuhgeschäft in dieses Gebäude.

12. 1968 erwarb der technische Angestellte Walter Rüsel [12] (* 13.02.1929 in Meineringhausen; † 02.12.2018 [12a] ) das Gebäude. Er war der Sohn des Heinrich Rüsel und der Wilhelmine Buckert aus Meineringhausen. Am 9. November 1957 vermählte er sich mit Lilli Stephan (* 17.04.1928), Tochter des Maurerpoliers Wilhelm Stephan und der Luise Voß.

13. Im Jahr 2010 kaufte die Stadt Korbach das Haus. Nach der Schließung des Hutgeschäfts Löwenstein in der Stechbahn Nr. 10/12 befand sich im Erdgeschoß bis zum Jahr 2011 das letzte Korbacher Hutgeschäft ("Rosis Hutladen"). Seit 2012 hatte die Stadt Korbach als neue Eigentümerin der Künstlergruppe "Artur" das Erdgeschoß als Ausstellungsfläche zur Verfügung gestellt. Zum 1. Juli 2015 erfolgte die Kündigung, um mit der Sanierung des Gebäudes beginnen zu können. [13]

Erscheinungsbild

Laut Brandkassenregister von 1784 hat das Haus eine Größe von 36 x 62 Fuß und einen Brandkassenwert von 400 Talern, der später auf 550 Taler erhöht wurde.

Das Haus gehörte zu den wenigen repräsentativen Bürgerhäusern der Stadt, dessen Fachwerk bis 2016 noch verkleidet war und das seit Jahrzehnten auf eine Sanierung wartete. Noch 1879 wurde es "zu den besseren Häusern älteren Datums" gezählt. [14] Bereits 1923 wurde jedoch beklagt, daß das Haus noch immer verputzt und das Fachwerk nicht freigelegt sei. [15] Über 90 Jahre später hatte sich an diesem Befund nichts geändert. Die jüngsten Zukunftspläne für den Umbau des Rathauses sahen sodann vor, das Gebäude zu sanieren und an das Rathaus anzubinden. Hierfür wurde zunächst das benachbarte Haus Nr. 11 (erbaut zwischen 1664 und 1705) im Januar/Februar 2016 abgerissen. Im Mai 2014 wurde der einsturzgefährdete Straßengiebel des Hauses Nr. 9 mit Zugbändern gesichert. Die Stadt Korbach hatte vorläufig Sanierungskosten von zunächst 650.000,- Euro veranschlagt. [16]

Zwischenzeitlich (Stand: 2. Juli 2015) wurde mit Sanierungskosten einschließlich des Abrisses des benachbarten Hauses Nr. 11 und der Errichtung eines modernen Anbaus in Höhe von 1,55 Millionen gerechnet. Nach den ursprünglichen Plänen sollte das Haus nicht komplett entkernt werden. Allerdings sollte die Decke des ersten Obergeschosses um etwa 50 bis 60 Zentimeter angehoben werden. In einem modernen Anbau sollen ein Aufzug, ein zweites Treppenhaus und die Toiletten untergebracht werden. Im Erdgeschoß sieht die Planung fünf Büros mit zehn Arbeitsplätzen vor, im ersten Obergeschoss ein Großraumbüro und fünf weitere Büros mit 15 Arbeitsplätzen und im zweiten Obergeschoss fünf Büros mit neun Arbeitsplätzen. Das Stadtbauamt kalkulierte zunächst mit rund 21 Monaten Umbauzeit von der Planung bis zur vorgesehenen Fertigstellung im April 2017. [17] Im Frühjahr 2016 begann die Sanierung des Gebäudes. Die Fachwerkkonstruktion aus Eichenbalken erwies sich bei der Sanierung als fäulnisfrei, tragfähig und erhaltungswürdig. [17a] Eine vollständige Entkernung war jedoch unumgänglich, so daß von dem Haus nur die Fachwerkkonstruktion stehen blieb. Da zudem viele Balken durch neue ersetzt werden mußten, wird von der alten Bausubstanz kaum etwas übrig bleiben. Das Gebäude mußte fast vollständig rekonstruiert werden. Zum Jahreswechsel 2017/2018 ist der Abschluß der Arbeiten und der Einzug eines Teils der Stadtverwaltung vorgesehen. [17b] Im Mai 2017 mußten die Sanierungskosten zunächst auf 1,77 Millionen Euro und im Oktober 2017 auf 2 Millionen Euro nach oben korrigiert werden. Ursache waren marode Balken an der Giebelseite, die erst während der Bauarbeiten auffielen, sowie das Mauerwerk der früheren Schaufensterseite im Erdgeschoß, das aufwendig durch Fachwerk ersetzt werden muß. [17c] Die Anzahl der Geschosse wurde von vier auf drei reduziert, um die Raumhöhen von rund 2 Meter auf 2,60 bis 2,70 Meter erhöhen zu können. [17d] Im Juni 2018 wurden die Außenarbeiten am Fach- und Mauerwerk weitgehend abgeschlossen. Von der ursprünglichen Bausubstanz konnten nur einige Balken des Fachwerks und Teile der Sockelmauern erhalten werden. Im übrigen handelt es sich um eine vollständige Rekonstruktion. An der zur Professor-Kümmell-Straße gerichtete Giebelseite wurden auch die Sockelbruchsteine durch moderne Steine ersetzt und anschließend mit einer Bruchsteinoptik verblendet. 2019 erfolgte der Abschluß der Sanierungsarbeiten, indem die Gefache verputzt und das Fachwerk gestrichen wurde.

Über eine Fensterscheibe des Hauses wird folgendes berichtet: [18]

"In Corbach hat sich bis auf diesen Tag die Überlieferung fortgepflanzt, daß Goethe auf einer Reise in der Stadt eine Nacht im Gasthaus zum "Goldenen Engel" zugebracht und in eine Fensterscheibe seinen Namen eingeritzt habe. Diese Überlieferung hat dem Verfasser die Anregung zu den folgenden Ausführungen gegeben: [...] In diese Dezembertage des Jahres 1792 müßte des Dichters Aufenthalt in Corbach fallen, wenn ein solcher wirklich stattgefunden hat. Nachträglich noch ein Wort über die Fensterscheiben-Inschrift im "Goldenen Engel" zu Corbach. Sie hat, seitdem ich sie zuerst gesehen, merkwürdige Schicksale gehabt. Der jetztige Besitzer des Hauses hatte vor Jahren das morsch gewordene Fenster durch ein neues ersetzen lassen. Das alte stand unbeachtet auf dem Boden, bis es ein Liebhaber entdeckte und die Scheibe nach einer südlicheren Gegend mitnahm. Auf ihr hatten sich auch die Prinzen Wilhelm, der spätere deutsche Kaiser, und Henrich in ihrer Kasseler Gymnasiastenzeit 1875 verewigt, als sie mit ihrem Mentor inkognito eine Fußwanderung durch das Waldecker Land machten und im Waldecker Hof wegen zu staubiger Stiefel abgewiesen, im Engel übernachteten. Die Scheibe, die durch das tatkräftige Eingreifen des Herrn Oswald Koenig in ihre alte Heimat zurückgekehrt ist, war nur halb; die andere Hälfte mit den prinzlichen Namenszügen hatte der Entführer behalten. Unter dem Namen Wolfgang v. Goethe standen die Worte: auf seiner Durchreise nach W(eimar) 180.- Hier ist das Glas am Rande abgebrochen. So würde der Dichter kaum geschrieben haben, auch sind es nicht seine Schriftzüge. Goethe ist in den Jahren 1801 bis 1809, die hier in Betracht kämen, nur einmal im westlichen Deutschland gewesen, und zwar 1801 zu Pyrmont und Göttingen (s. oben). Die Reise dauerte vom 5. Juni bis zum 30. August. Die Rückkehr erfolgte über Kassel, wo Frau Christiane und Heinrich Meyer ihn abholten, und Gotha. Es ist klar, daß der Zusatz auf der Scheibe von unberufener Hand gemacht worden ist, wie dies auch der Sohn der letzten Engelwirtin, der † Sanitätsrat Dr. Götte (Rhoden) mit Entrüstung geäußert haben soll. [Fußnote: Genthe, Gesch. der Stadt Corbach, S. 57, erwähnt die Inschrift bereits mit dem Zusatz, der also schon 1878 dagewesen sein muß, ohne jedoch auf das Zweifelhafte der Sache hinzuweisen]"

Oswald Koenig hat später die Verfasser der "Goethe-Inschrift" ermitteln können, die ihm gestanden haben, daß sie als Gymnasiasten ihrem Lehrer Genthe einen Streich spielen wollten, [19] der diese Erzählung als Tatsache in seine "Geschichte der Stadt Corbach" übernahm. [20] Der Ausflug der preußischen Prinzen nach Korbach soll während der Pfingstferien 1875 stattgefunden haben. [21]

Links bzw. östlich des Hauses, zwischen den Häusern Nr. 7 und Nr. 9, befanden sich später kleine Ladenbauten und ein Durchgang. Diese wurde im Zuge der Sanierung des Hauses 2016/18 entfernt. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand hier ein abgerissenes kleineres Gebäude, das in den Katastern als Speicher oder Pferdestall bezeichnet wird und einst ebenfalls der Familie Huge gehörte.

Bilder

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Anmerkungen

[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 1, Professor-Kümmell-Straße und Klosterstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1956, S. 23-25; Hermann THOMAS/Karl WILKE, Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 1, Professor-Kümmell-Straße und Klosterstraße, 2. Auflage, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1996, S. 42-45
[2] Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS bzw. THOMAS/WILKE (wie Anm. 1). Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben. Aus unbekannten Gründen ist im 17., 18. und 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Zuzügen Hattinger Bürger nach Korbach zu verzeichnen. Immer wieder sind in den Kirchenbüchern Eheschließungen zwischen Hattinger und Korbacher Familien vermerkt, ohne daß verwandtschaftliche Beziehungen ersichtlich sind (vgl. z.B. Stechbahn 7, Professor-Kümmell-Straße 15).
[3] Bei THOMAS (wie Anm. 1), S. 25, ist das Geburtsjahr 1673 angegeben, was jedoch nicht mit den übrigen Daten und dem Heiratsjahr seiner Eltern (1626) sowie deren Todesjahren (1651/1673) korrespondiert. Vielleicht ist 1633 gemeint, was mit dem Geburtsjahr seiner Ehefrau (um 1639) zusammen passen würde. Zudem sind seine Söhne bereits 1667 und 1682 geboren.
[3a] Hermann THOMAS/Karl WILKE (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 2, Professor-Bier-Straße - Hinter dem Kloster - Bunsenstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.), 2. Auflage 1998, S. 60 (Professor-Bier-Straße 4).
[4] Hermann STEINMETZ, Die Waldeckischen Beamten vom Mittelalter bis zur Zeit der Befreiungskriege, in: Geschichtsblätter für Waldeck, 46. Band (1954), S. 66-67.
[5] STEINMETZ (wie Anm. 4).
[5a] Nach THOMAS (wie Anm. 1) erfolgte der Kauf schon 1755. Range wäre zu diesem Zeitpunkt aber erst 24 Jahre alt gewesen. Nach Bernd KRÖPELIN (Bearb.), Korbacher Urkunden, Regesten, Band 2, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 2002, S. 249, Nr. 1057, ergibt sich aus einer Urkunde vom 9. Dezember 1780, daß das Anwesen von Rats-Rentmeister Georg Christian Rangen erst am 23. Januar 1775 für 450 Reichstaler ersteigert worden war, welche dieser an den Vormund der Kinder des verstorbenen Rats-Rentmeisters Hugen, Stadt-Receptor August Christian Lorich/Lorick entrichtet hatte.
[6] Nach Herbert VOIGT/Christian MEUSER (Bearb.), Waldeckische Ortssippenbücher, Band 89, Mengeringhausen, Waldeckischer Geschichtsvereins e.V. (Hrsg.), Bad Arolsen 2014, S. 129, Nr. 1615, ist sie hingegen erst ein Jahr später geboren, nämlich am 23.04.1764 als neuntes von elf Kindern des Carl Andreas Christoph Esau und der Johanna Dorothea Elisabeth Thielin. Ihr Vorname soll demnach Johanette Friederica gelautet haben.
[7] Albert LEISS, Goethes Beziehungen zu Waldeck, in: Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont, Band 23 (1926), S. 74-90 [89-90]. Näheres zu der Fensterscheibe siehe oben unter "Erscheinungsbild".
[8] Hermann THOMAS, Der Waldecker Hof in Korbach, in: "Mein Waldeck", Beilage der Waldeckischen Landeszeitung für Heimatfreunde, Nr. 8/1996. Trotz der Namensähnlichkeit war der Pächter des Waldecker Hofes, Ludwig Gödde, nicht verwandt mit dem Vorbesitzer des "Goldenen Engel", Ludwig Götte.
[9] Karl WILKE (Bearb.), Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Korbach, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1993, S. 114/115, Nr. 28.
[10] WILKE (wie Anm. 9), S. 115, Nr. 29.
[11] Eckhard SCHMIDT (Bearb.), Waldeckische Ortssippenbücher, Band 45, Fürstenberg, Waldeckischer Geschichtsverein e.V. (Hrsg.), Arolsen 1993, S. 243/244, Nr. 150.
[12] Vgl. auch: Jörg KLEINE, Tabula rasa am Rathaus - Umbau Stadtverwaltung: Frühere Galerie Reinhardt verschwindet von der Bildfläche; Hintergrund: Korbach zu Kaisers Zeiten, in: Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 4. Februar 2016, S. 8; vgl. ders., Das Haus der staubigen Prinzen, in: Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 27. April 2016, S. 7.
[12a] Traueranzeige, Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 5. Dezember 2018.
[13] Waldeckische Landeszeitung, Online-Ausgabe vom 12.01.2015: "Künstler suchen neue Räume".
[14] Hermann GENTHE, Geschichte der Stadt Corbach - Festschrift zur 3. Säkularfeier des Fürstlich Waldeckischen Landesgymnasiums zu Corbach, Mengeringhausen 1879, S. 57.
[15] Werner MEYER-BARKHAUSEN, Alte Städte zwischen Main und Weser: Corbach, Verlag H.W. Urspruch, Korbach 1923, S. 31: "Dieses Streben, Steinbau nachzuahmen, hat dann schon im 18., vor allem aber im 19. Jahrhundert sehr häufig den Verputz des alten Fachwerks veranlaßt, eine Unsitte, die einerseits den langsamen Verderb des von der Luft abgeschlossenen Balkenwerks herbeiführt, andererseits das Stadt- und Straßenbild so sehr viel ärmer und charakterloser macht. Welche ein prächtiges Gebälk mag sich z.B. unter der Tünche des ehemaligen 'Goldenen Engels' an der Landstraße verbergen, eines Gebäudes, das mit seinen mächtigen, vorspringenden Geschossen und seinem breiten Dachgiebel entschieden das Straßenbild beherrscht!".
[16] Waldeckische Landeszeitung (wie Anm. 13).
[17] Waldeckische Landeszeitung, Online-Ausgabe vom 02.07.2015: "Ein Denkmal für die Verwaltung" .
[17a] Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 21. Mai 2016, S. 10: "Prof.-Kümmell-Straße: Gebälk aus Eiche trägt auch für die Zukunft".
[17b] Lutz BENSELER, Haus innen nur noch ein Skelett, in: Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 2. November 2016, S. 6.
[17c] Lutz BENSELER, Haus "Rüsel": Sanierung teurer, in : Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 7. Oktober 2017, S. 5.
[17d] Philipp DAUM, Sanierung auf der Zielgeraden - Haus Rüsel: Stadtbauamt soll im November in das historische Gebäude einziehen, in Waldeckische Landeszeitung, Ausgabe vom 23.07.2018, S. 5.
[18] LEISS (wie Anm. 7), S. 74, 89-90; vgl. auch Hans-Rudolf RUPPEL (Bearb.), Goethe in Korbach - Autographen im Archiv der Alten Landesschule und ihr Umfeld, Veröffentlichungen aus Archiv und Bibliothek der Alten Landesschule in Korbach, Heft 1, Korbach 1990, S. 9-10.
[19] THOMAS (wie Anm. 1), S. 24.
[20] GENTHE (wie Anm. 14).
[21] GENTHE (wie Anm. 14).